Im Einklang Wildnisschule Aeracura: Four Elements Singing

urbanite besuchte den Kurs „Four Elements Singing“ in der Wildnisschule Aeracura

Natur und Musik – wie passt das zusammen?

Laut Mareen Müller, Gründerin und Leiterin der Natur- und Wildnisschule Aeracura, welche wir euch bereits in der letzten Ausgabe vorgestellt haben, passt das ziemlich gut. In ihrem Klangkreis Four Elements Singing, der etwa ein Mal monatlich stattfindet, verbindet sie die natürlichen Klänge des Waldes mit dem Gesang der Menschen. Mareen möchte in ihren Kursen nicht nur die Verbindung zur Natur um uns herum (wieder-)herstellen, sondern auch das gesunde Verhältnis zu uns selbst stärken. Ich durfte im Oktober einmal selbst an dieser unvergesslichen Erfahrung teilhaben.

Bevor ich meine Wohnung verlasse, gehe ich noch mal die Checkliste für das Four Elements Singing durch, die ich vor ein paar Tagen per Mail erhalten habe: Sitzkissen, Kerze, Thermoskanne, warme Kleidung – alles dabei. Dann kann es losgehen. Mit der Tram 3 fahre ich durch bis zur Haltestelle Wasserwerk Windorf im Stadtteil Großzschocher. Dort angekommen, befolge ich die eigentlich sehr eindeutige Wegbeschreibung aus der Mail und verlaufe mich – natürlich – trotzdem. Nach einem kurzen Telefonat mit Mareen kehrt mein Orientierungssinn dann doch noch zurück und ich finde das Schild am linken Straßenrand mit der Aufschrift Körnerstein. Jetzt trennen mich nur einige wenige Meter Feldweg vom Treffpunkt. Begrüßt werde ich herzlich von Julia Müller, die uns heute zusammen mit Mareen durch den Kurs begleiten wird. Zusammen laufen wir in den Wald hinein, wo wir schon von Mareen erwartet werden. Nach ein paar Worten zur Begrüßung erhalten wir auch schon unsere erste Aufgabe zum Einstieg: Jeder soll sich in Hörweite einen Platz im Wald suchen und sich dort auf den Boden legen oder setzen. „Macht es euch richtig gemütlich auf dem Boden und versucht dann ganz bewusst den Klängen des Waldes zu lauschen – Was hört ihr? Was nehmt ihr wahr?“, leitet Mareen uns an.

 

© Aeracura

Ankommen

Der Gedanke daran kommt mir im ersten Moment nicht so bequem vor – der Boden sieht feucht, kalt und ungemütlich aus und ich bin froh, mein Sitzkissen dabei zu haben. Doch als ich so auf dem Waldboden sitze, angelehnt an einen großen Baumstumpf, fühlt es sich an wie Meditieren. Es ist so ungewohnt ruhig im Wald. Nur das Knacken der Bäume, ein gelegentliches Blätterrascheln und ein paar Vogelrufe durchbrechen die Stille. Dann plötzlich erklingt noch ein weiteres Geräusch: Der Koshi – Das Zeichen, dass wir langsam wieder „erwachen“ sollen.

Kurz darauf trommelt uns Mareen durch sanftes Schlagen auf ihrer Djembe wieder zusammen. Wir setzen uns im Kreis auf den Boden. In der Mitte liegt eine Decke, die wie ein Mandala aussieht. Auf ihr befinden sich u. a. eine brennende Kerze, eine Feder und eine Muschelschale mit einem Bund Salbei. Mareen zündet den Salbei in der Schale an und wedelt uns den Rauch mithilfe einer Feder einer nach dem anderen zu. Dieses Einräuchern mit Salbei hat u. a. eine reinigende Wirkung und soll böse Geister und Gedanken vertreiben. Anschließend erzählen wir kurz, wie unsere Stimmung ist und welche Stimmung wir uns nach dem Kurs erhoffen. So lernen sich auch die Kursteilnehmenden untereinander besser kennen. Als ich den „Redestein“ in die Hand bekomme, sage ich, dass ich hoffe, dass meine Unruhe durch den Kurs verschwindet und ich etwas entspannter und leichter ins Wochenende starten kann. Abschließend berichtet auch Mareen von ihrem Tag und endet lachend mit den Worten: „So, ich würde sagen, wir fangen jetzt mal an zu singen. Dafür seid ihr ja schließlich hergekommen.“

  

Mitsingen

Gesagt, Getan. Wir bereiten uns mit ein paar Lockerungsübungen für Stimme und Körper auf den Gesang vor. Dann bringt uns Julia ein kurzes Lied zum Thema Herbst bei, das sich leicht merken lässt. Wir singen es erst zusammen, dann im Kanon. Ich habe lange nicht mehr gesungen und merke schon jetzt, wie gut es sich anfühlt – irgendwie befreiend. Es folgen noch andere Lieder, die ihren Ursprung in der afrikanischen und indianischen Kultur haben. Im Anschluss sollen wir erneut ein paar Meter in Hörweite in den Wald hineinlaufen und uns wieder einen Platz auf dem Boden suchen. Wir sollen etwas Erde in die Hand nehmen und einige Minuten, jeder für sich, resümieren, was wir dieses Jahr alles geschafft haben und auf welche Dinge wir besonders stolz sind. Mein Jahr war auf jeden Fall ziemlich durchwachsen und doch stelle ich fest, dass ich auch viele Dinge geleistet habe. Plötzlich ertönt wieder die Djembe und alle finden sich in ihrem Tempo ein. Die Erde in unserer Hand, die symbolisch für unser persönliches Jahr 2020 steht, sollen wir nun besingen. „Das können einzelne Worte oder ganze Sätze sein, aber auch einfach Laute, ein Summen oder Pfeifen. Was euch gerade in den Sinn kommt und jeder in seinem Tempo“, erklärt Mareen.

Hinhören

Diese Aufgabe fällt mir schwer. Bei einem Lied mitsingen ist das eine, aber sich eine eigene Melodie ausdenken etwas völlig anderes. Am Anfang laufe ich nur etwas unsicher im Kreis herum und beobachte die anderen Kursteilnehmer*innen, wie sie, manche laut und ausdrucksstark, manche leise und zurückhaltend, ihre Erde besingen und betanzen. Irgendwann fange auch ich an, ein Liedchen zu summen. Erst ganz leise, dann immer lauter. Ich frage mich, wie dieses Kuddelmuddel aus Melodien und Stimmen für unsere zwei gesangserfahrenen Kursleiterinnen klingen mag. Mareen beginnt nach einiger Zeit ebenfalls zwischen uns hin und herzulaufen und dabei den einzelnen Gesängen zu lauschen. Dann nimmt sie die Melodie einer Kursteilnehmerin auf und fängt an mitzusingen. „Jetzt versucht mal auch auf die anderen Gesänge zu hören und euch eine Melodie zu suchen, die euch besonders gut gefällt und die ihr gerne aufnehmen möchtet“, leitet sie uns an.

Mit der Zeit finden sich Grüppchen im Kreis zusammen, die alle eine andere Melodie singen oder summen und sich unterschiedlich dazu bewegen. Es entwickelt sich eine mitreißende Dynamik, die unsere Gesänge immer lauter und die Bewegungen immer kraftvoller werden lässt. Ganz allmählich werden unsere Gesänge dann wieder leiser, unsere Bewegungen langsamer und plötzlich ist es vorbei. Und damit (eigentlich) auch der heutige Kurs.

 

© Theresa Schmidt

Loslassen

Mareen lädt uns noch auf einen Plausch in ihr Tipi auf dem Wildnisplatz ein. Im Wald ist es mittlerweile stockdunkel. Die Kerzen kommen zum Einsatz und wir laufen im Gänsemarsch schweigend zum Platz, wo wir wiehernd von zwei Ponys empfangen werden. Im Tipi ist es muckelig warm – es gibt Lagerfeuer und heißen Tee für alle. Am Feuer erfolgt nun die letzte Aufgabe des Tages: Wir erhalten Zettel, auf die wir schreiben, was wir loslassen wollen. Das können negative Gedanken oder Gefühle sein, aber auch Beziehungen oder ein abgelegtes Arbeitsverhältnis. Die Zettel werfen wir ins Feuer. Dazu spielt Julia auf ihrer Gitarre ein Lied, bei dem wir nach einigen Zeilen einsteigen. Diese Übung gefällt mir am besten, weil das gedankliche Loslassen durch das Aufschreiben und Verbrennen greifbar und erfahrbar gemacht wird. Ich fühle mich nun tatsächlich viel befreiter als vor dem Kurs. Mir wird klar, dass ich nach dem heutigen Abend erstmal einiges zu verarbeiten haben werde – im positiven Sinne.

Fazit

Das Four Elements Singing lohnt sich für alle, die, einmal bereit, sich auf den Kurs einzulassen, von der Natur inspiriert gemeinsam musizieren wollen. Dann ist es eine unvergessliche Erfahrung, bei der das in-der-Natur-Sein durch die natürlichen Klänge des Waldes, verschiedene Instrumente und viel Gesang begleitet wird. Dabei schaffen Mareen und Julia eine lockere Atmosphäre, in der man sich fallen lassen kann und sofort aufgehoben fühlt – frei nach dem Motto: Alles kann, nichts muss. Neben dem Four Elements Singing bietet Aeracura auch zahlreiche andere Kurse in und rund um die Natur für Kinder und Erwachsene an.

Weitere Infos und Kurse findet ihr unter: wildnisschule-aeracura.de

Ihr wollt mehr über die Wildnisschule Aeracura erfahren? Dann klickt hier und lest unseren ersten Teil.