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Letzte Station Torgau. Eine kalte Umarmung

Freital, Groß Leuthen, Wittenberg, Burg — Ortsnamen, die für viele mit bleibenden Erinnerungen verknüpft sind. Doch es sind keine Erinnerungen an gute Landluft und Schlossbesichtigungen: Hier befanden sich die „Jugendwerkhöfe“ der DDR-Jugendhilfe, in denen in der Sprache des Systems sogenannte „Schwererziehbare“ unter realsozialistischen Vorzeichen gesellschaftskonform gemacht werden sollten. Für die Einweisung genügte es mitunter, sich der Mitgliedschaft in der FDJ zu widersetzen.

Mit aus der Sowjetunion importierten Disziplinierungsmethoden wurde den Jugendlichen der Geist des Kollektivismus eingetrieben. Physische und psychische Gewalt war an der Tagesordnung, bis hin zur gefürchteten „Explosionsmethode“.

Viele der Betroffenen hatten vor der Einweisung in die Jugendwerkhöfe bereits eine Odyssee durch andere, ebenso demütigende Heimarten hinter sich, verbrachten fast ihre ganze Kindheit und Jugend im System der Zwangserziehung. Andere wurden unangekündigt abgeholt und auf tagelange Irrfahrten geschickt, deren Ziel ihnen bis zuletzt verheimlicht wurde.

Unter dem Tarnbegriff „Arbeitserziehung“ wurden die Insassen zu einem Hungerlohn als „Hilfsarbeiter“ ausgebildet — und wurden so als Teil eines Systems der Zwangsarbeit ausgebeutet. Herstellen mussten sie unter anderem Bauteile für Selbstbaumöbel großer westlicher Konzerne — was dem Arbeiter-und-Bauern-Staat wertvolle Devisen und der „freien Welt“ kostengünstige Wohlfühl-Wohnatmosphäre einbrachte.

War man mutig genug, widersetzte man sich im Kleinen wie im Großen — heimliche Partys, die bei Entdeckung streng sanktioniert wurden, bis hin zur Flucht, die früher oder später doch wieder in der Anstalt endete. Über allem schwebte ein Wort als Drohung für wiederholtes Fehlverhalten: Torgau. Dort befand sich der „Geschlossene Jugendwerkhof“, der als letzte Instanz nicht mehr verbarg, was das gesamte System der Heime in Wirklichkeit war: ein Gefängnis für die, die nicht mitmachen wollten oder konnten.

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