Buchrezension: Jan Lindners „Romeo und Julia: Reanimiert“

In „Romeo und Julia: Reanimiert“ wird der alte Klassiker von William Shakespeare für alle zugänglich gemacht.

Das neue Stück vom Leipziger Autor Jan Lindner hätten bestimmt einige Schüler ihrer schnöden Lektüre aus der Oberstufe vorgezogen: In „Romeo und Julia: Reanimiert“ wird der alte Klassiker von William Shakespeare nämlich schön durch den Kakao gezogen. Aber voll schön!

Romeo verliebt sich in Julia und umgekehrt, die Familie beider Liebenden sind seit Jahrzehnten verfeindet, das trübt die Wolke 7 und durch eine unglückliche Verkettung von Zufällen bringen sich beide um. Sorry für den unerwarteten Spoiler, aber der Klassiker aus William Shakespeares Feder dürfte wohl selbst dem schlimmsten Lesemuffel ein Begriff sein. In der Variante von Jan Lindner wird das Stück allerdings ordentlich auf den Kopf gestellt – das Setting liegt in unserem heutigen, digitalen Zeitalter. 

Wenn des Feindes Möpse bellen

Das schlägt sich dann nämlich so auf die Story nieder, dass der anstößige Para-Graf Eifelturm in seinem Feed über die schöne Julia Cabriolet scrollt und das 13-jährige Mädchen zu seiner Frau machen möchte. Zeitgleich lernt der Jungspund Romeo das Mädchen kennen und verliebt sich trotz der tiefen Feindschaft zwischen den Cabriolets und Monumentagues in sie. Nachdem die beiden sich auf einer Feier von Julias Vater kennen gelernt haben, beschließen die beiden heimlich zu heiraten, um die Feindschaft ihrer Familien zu beenden. Pater Florenzo soll die Trauung halten. „Und heute blenden euch ner Dame Brüste, aus der des Feindes Möpse bellen!“, stellt dieser zwar sehr richtig fest, trotzdem sagt er dem Vorhaben zu und die tragisch-komische Geschichte nimmt ihren Lauf.

Beim Lesen des Textes muss man sofort an die rasant-bunte Verfilmung des Klassikers „Romeo+Juliet“ mit Leonardo DiCaprio denken. Nur ist „Romeo und Julia: Reanimiert“ sogar noch ein Stück flapsiger und schamlos: So beendet Romeos Freund Benno die Party des ersten Kennenlernens, indem er sich beherzt auf die Tanzfläche und Julias Rock übergibt; und der Pfarrer, der Romeo und Julia trauen soll, möchte Romeo gegen seinen Liebeskummer ein Potenzmittel verschreiben. Trotzdem schafft es der Autor Jan Lindner gekonnt, Reim an Reim in Form eines Sonetts aneinander zu reihen, so dass sich der Text tatsächlich liest wie das Original aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.

Ein Klassiker mit sächsischer Färbung

Jan Lindner ist übrigens auch kein Unbekannter: Der Sprachkünstler lebt seit vielen Jahren in Leipzig und tritt auf den Lesebühnen „Kunstloses Brot“, „Pinzette vs. Kneifzange“ und dem Topic Slam im Beyerhaus auf. Eine leichte regionale Färbung lässt sich der eigentlich gebürtige Jenaer dann auch nicht nehmen und verpasst der Amme von Julia einen sächsischen Dialekt, der sie insgeheim zum Lieblingscharakter des Romans macht. So umschreibt sie Julia den Para-Grafen zu Beginn des Stückes ungefähr so: „Gscheit isso. Un gut gebaut, mein Mäusschn! Bei souner Aussicht gönnt i nimmor schlafen!“ Besonders witzig ist auch, wie der Autor die technischen Neuerungen unserer Zeit in die historische Geschichte einbaut. So benutzt Romeo zum Beispiel eine Prügel-App auf seinem Handy, die die Rauferei mit Julias Vetter Prototybalt und seinem Freund Kaputio mit Soundeffekten wie „Uff!“ oder „Argh!“ von einer Computerstimme gesprochen untermalt.

Ob das Stück von Jan Lindner genauso düster endet wie das Original, soll hier natürlich nicht verraten werden. Auf dem Weg zum Ende der fünf Akte hin soll bis dahin auch erstmal schön geschmunzelt und gekichert werden. Tipp: Vorher noch einmal durch das Original blättern, dann fallen noch mehr lustige Details und Adaptionen auf.

Schreibe einen Kommentar