Die Musikszene Berlins ist bekanntlich begeisternd facettenreich, doch geht ihr zugleich ein ideosynkratischer, geschlossener Sound ab. Da darf man sich besonders freuen, wenn trotzdem auch hier bisweilen Popmusik entsteht, die internationalen Standards genügt (oder sie gar setzt) und doch eindeutig nach Berlin klingt.
Das im vergangenen Oktober veröffentlichte „Trip“ der norwegischen Sängerin Mihle war so ein Fall – und „No Roots“ von Alice Merton ist noch einer. Die im kanadischen Oakville im Westen von Toronto aufgewachsene Künstlerin setzt darin ihre zwischen Sprechgesang und Tribal-Chant chargierenden Vocals auf ein minimalistisches, umso reizvolleres Bass-Riff und findet dabei zu einem gewaltigen Groove, der gegen Ende des Tracks auch noch in funky Electronica aussprießt – der Song ist ein Hit! Dass er sich inhaltlich obendrein um das gerade Berlinern bestens vertraute Gefühl der Wurzellosigkeit dreht, macht ihn für den Moment zur heimlichen Hymne der Hauptstadt.
„No Roots“ ist der Opener von Mertons gleichnamiger Debüt-EP. Neben dem fantastischen Titelsong finden sich darauf auch die optimistische Popnummer „Hit The Ground Running“ (mit kaum geringerem Hitpotenzial), das introvertiert eröffnende, später prächtig erblühende und überhaupt wendungsreich arrangierte „Jealousy“ und das mit einem dramatischen Crescendo auftrumpfende „Lie To My Face“. Die Wartezeit aufs komplette Album, das ebenfalls auf Mertons eigenem Label Paper Plane Records International erscheinen dürfte, hat hiermit begonnen.
Infos: Herunterladen könnt ihr „No Roots“ ua. auf der Webseite von Alice Merton