Blätter säuseln über den Boden, vom Wind gerodetes Geäst knirscht unter den Füßen: Im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf ist der Herbst eingekehrt – ein Spaziergang.
Wenngleich die strahlenden Sommertage vorüber sind, an denen sich Sonnenbader auf den riesigen Grasflächen aalten, wird der Park auch dieser Tage vom charakteristischen Publikum bespielt: Während Mütterherden nach Überblick im Kinderwust ringen, hopsen Jogger aller Facetten beschwingt ihrer Wege: athletische in der letzten Nike-Kollektion und bemühte mit letztem Atem. Zwischendurch hetzen einige Mitleid erregende Schulsportopfer durch die Botanik.
Hier und da pflügen versprengte Qi-Gong-Praktiker die kühle Herbstluft mit ausgreifenden Bewegungen und Senioren drehen ihre tägliche Runde für die Fitness. Der Park habe so viele unterschiedliche Etappen, sagt eine der Damen. Ihre liebste seien die immer noch duftenden Blumenbeete des Wilmersdorfer Bereiches, wo sie gerne verweilt. Im Volkspark treffen sich die zwei Bezirke auf liebevoll geschwungenen Kieswegen und eben dieser gehen auch heute zahlreiche Besucher.
Auf sie mit Gebell
Die eigentlichen Herrchen des Parks sind allerdings Hunde. Das Selbstbewusstsein von Rüden, an deren Leinen Menschen hängen, verdichtet sich spürbar mit jedem Gegnerkontakt. Am Ententeich, kurz vor dem geschichtsträchtigen Rathaus Schöneberg, streichelt der Wind sanft durch die hochgewachsenen Trauerweiden, unter denen sich ein Entenpärchen zur Körperpflege eingefunden hat. Mit lautem Gebell prescht plötzlich ein wild gewordener Spitz durch die algengrüne Wasserfläche, anklagend kommentiert von einer Rotte Krähen.
Ein Park für alle
Über die Carl-Zuckmayer-Brücke, die den einzigartigen Park-U-Bahnhof Rathaus Schöneberg beherbergt, gelangt man zum Hirschbrunnen, einem knapp neun Meter hohen, von Wasser umspielten Sockel, den der goldene Hirsch des Bezirkswappens von Schöneberg ziert. Wo eine Gruppe älterer Sportler in Dehnübungen vertieft ist, sitzt eine junge Frau verträumt auf einer Parkbank und beobachtet zankende Spatzen. Im Sommer, erzählt eine Passantin, werde zwischen den klassizistischen Säulen des Rondells um den Brunnen herum regelmäßig Boule gespielt. Sie schätze die Vielzahl an öffentlichen Grüppchen, die den Park beleben, die Tatsache, dass hier alle einen Bereich oder eine Aktivität fänden, die zu ihnen passt. Ursprünglich sollte unterdessen die Schöneberger Seite der Grünanlage vor allem die Bedürfnisse eines wohlhabenden Publikums bedienen.
Sportler müssen draußen bleiben
Die Ästhetik des östlichen Parkteils lässt es selbst bei oberflächlicher Betrachtung vermuten: Hier wurde nicht für die Arbeiter Schönebergs gebaut, sondern Grün bewusst in eine großbürgerliche Form gegossen. So erinnert der Stil der Carl-Zuckmayer-Brücke hinter dem Ententeich an eine herrschaftliche Orangerie. Über den bodentiefen Fenstern ragen gewundene figürliche Statuen auf, deren Blick auf der gepflegten Landschaft zu ruhen scheint. Hier konnten schon vor rund 100 Jahren die anspruchsvollen Anwohner der gleichzeitig mit dem Ost-Park erbauten Nachbarhäuser sittsame Erholung finden. Die vielen unterschiedlichen Bereiche, die den bezirksübergreifenden Park heute bereichern, waren dabei zunächst gedacht, um Sportaktivitäten und Kinderspielplätze räumlich von den Herrschaften zu separieren. Um laut zu sein, musste man schon nach Wilmersdorf gehen. Heute mischt sich das Publikum: Schlenderer und Sonnenanbeter tummeln sich überall, ebenso wie Jogger, Hundeführer und Eltern mit lärmenden Kleinkindern.
Unspektakulär besonders
Mitten im Berliner Westen kann man im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf selbst bei grauem Himmel Harmonie, Einklang und Schönheit finden. Die Anlage mag nicht die Partytauglichkeit eines Mauerparks an den Tag legen, nicht die hochkulturelle Bespielung eines Monbijouparks oder die Horizonterfahrung des Tempelhofer Feldes bieten. Allerdings ist der Volkspark wohl einer der schönsten Flecken Berlins, eine Oase, die unabhängig von der Jahreszeit immer einen Spaziergang lohnt und jedem und jeder ein persönliches Lieblingsplätzchen offeriert. Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.