Prinz Pi hat im Februar sein neues Album „Im Westen Nix Neues“ veröffentlicht und tritt im nun Zuge seiner Tour am 19. März 2016 auch in der Columbiahalle auf. Vorab erzählte uns Pi, wie wichtig seine Kinder beim Schreiben des neuen Albums waren, welche Welt er sich für sie wünscht und warum er das westliche Lebensmodell anzweifelt.
Bis 2005 nanntest du dich noch Prinz Porno, danach bist du als Prinz Pi aufgetreten. Anfang 2015 hast du unter Prinz Porno dein Album pp=mc² veröffentlicht. Wie würdest du selbst Porno und Pi unterscheiden?
Prinz Porno – das ist halt irgendwie einfach lässiger Rap ohne sich groß ’nen Kopf zu machen. Und Prinz Pi ist sehr ambitioniert und bearbeitet die großen Themen mit sehr hohen Ansprüchen und Ansätzen.
Wie kam’s denn überhaupt dazu, dass Porno letztes Jahr wieder auftauchte?
Das letzte Pi-Album „Kompass ohne Norden“ war ja mein mit weitem Abstand erfolgreichstes Album. Das war aber eben auch das bis dahin ambitionierteste und mit am meisten Herzblut und Liebe gemachte. Das hat mich allerdings gleichermaßen krass unter Druck gesetzt – wenn du für deine kleinen, bescheidenen Maßstäbe riesigen Erfolg hast (lacht). Und da habe ich mir eben gedacht, ich hab mal wieder Bock ein lockeres Album zu machen, wo ich nicht groß drüber nachdenke, was ich sage oder wie ich es sage – sondern einfach nur aus Spaß am Musik machen.
Und dann ging das Ganze auch super schnell. Das war für mich wie so ’ne Fingerübung – etwas, was einfach befreit und Spaß macht. Und dann haben wir das Album ohne große Promo eben rausgehauen. Rein aus marktwirtschaftlicher Sicht war das total bescheuert, wenn das Pi-Ding gerade so gut läuft. Aber ey, als Künstler muss man da auch die Freiheit haben, solche Dinge zu realisieren, wenn Lust besteht.
Hast du das vermisst?
Ja. Das habe ich. Aber das hatte ich mir mit dem Album ja eben gegönnt.
Gibt’s denn momentan noch Features, die du dir wünschen würdest?
Puhh. Ja. Zum Beispiel mit Timi Hendrix von Trailerpark. Ich hätte auch Bock mit Kolle noch ein paar storymäßige Songs zu machen. Mit Kamp würde ich am liebsten mal ein ganzes Album machen und mit Tarek von KIZ hätte ich auch nochmal Bock.
Wie würdest du dein neues Pi-Werk beschreiben?
Das Album ist so ein bisschen eine Fortsetzung von „Kompass Ohne Norden“ – also auch anspruchsvoll bezüglich der Themen. Das war die rückwirkende Aufarbeitung der Twenties. Bei „Im Westen Nix Neues“ geht es darum, ob das Lebensmodell, welches wir im Westen haben, für mich oder eben auch andere Leute tragfähig ist. Ob das Sinn ergibt, ob es einem gefällt, so zu leben. Ob einem die Belohnung, die einem das System oder die Gesellschaft vorschlägt, wenn man ein braver Bürger ist, zuspricht oder jene am Ende gar nicht so geil ist.
Es scheut also auch die harten Themen nicht …
Im Prinzip gibt das Album ein Panoramabild von der Welt ab, in der wir leben. In einigen Teilen wird es sehr privat, in anderen allgemeiner. Mal spannt man den Bogen und schaut in die Ferne. So ist es beim Titelsong „Im Westen Nix Neues“. Und mal geht man die Probleme an, die im eigenem Haus oder Herzen stattfinden. Denn auch die großen Probleme kommen ja irgendwann in deine Wohnung.
Was ist denn deine Kritik an der westlichen Gesellschaft?
Es ist nicht mal unbedingt eine Kritik in dem Sinne. Wenn man sich hinstellt und Dinge für „Scheiße“ befindet, muss man auch irgendwie gleichermaßen eine gangbare Alternative anbieten. Und so weit will ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. An allem rumkritisieren und dann mit einem kruden Gegenentwurf kommen, das funktioniert so nicht.
Das Album ist im Prinzip an meine Kinder adressiert entstanden. Ich beschreibe eine komplizierte Welt. Eine Welt, die viele Gefahren und dunkle Seiten in sich trägt. Und ich stelle im gleichen Atemzug mal alles so in den Raum. Aber in dem Moment, wenn man es beschreibt, macht man es auch ein bisschen begreifbar, erfassbar und begrenzt es auch. Es ist dann halt nicht mehr der unüberschaubare Riesenberg, den man irgendwie in Portionen, in dem Fall in Portionen von Liedern, verarbeiten kann. Und das ist vielleicht die Leistung, die ich dahingehend bringen wollte.
Welche Welt wünschst du dir denn für deine Kids?
Ich bin aufgewachsen in West-Berlin. Das sage ich dir jetzt nicht, um mich vom Osten abzusetzen, aber hier war es einfach möglich, wesentlich freier und gedanklich offener zu sein als in anderen Teilen der Republik damals. Deswegen sind auch meine Eltern hierhergekommen. Die sagten immer: „Du musst dich mit allen Lebensmöglichkeiten, die angeboten werden, auseinandersetzen. Es gibt verschiedene Religionen, die man sich anschauen kann; verschiedene politische Richtungen, die man einschlagen kann; es gibt unterschiedliche Geisteshaltungen und du musst dir alle mal ein bisschen anschauen und denen Raum geben für freie Entscheidungen.“ Und diese freie Entscheidung wünsche ich meinen Kindern auch. Ich wünsche mir, dass meine Kinder in einer Welt leben, in der sie den Spielraum haben, sich frei zu entscheiden, so wie ich es konnte.
War der aktuelle Gesellschafts- bzw. Politikstand ausschlaggebend für den Rahmen des Albums?
Ich habe das Album im Prinzip in den letzten zwei Jahren schon gedanklich vorbereitet. Es wurde zwar erst kürzlich alles niedergeschrieben, aber so wie sich jetzt die politische Lage zugespitzt hat, konnte ich das natürlich noch nicht antizipieren. Auch hat das Album nicht wirklich den Anspruch, aktuell zu sein, sondern eher eine höhere zeitliche Gültigkeit zu haben.
Gesellschaftskritische und ein Stück weit auch politische Songs habe ich ja schon immer irgendwie gemacht, aber mittlerweile ist das eher ein Abbilden und Nachskizzieren von erfassbaren Konturen, anstatt etwas genau zu benennen.
Gibt es denn einen direkten Bezug zu E. M. Remarques Roman „Im Westen Nichts Neues“?
Nein, nicht wirklich. Vielmehr geht es um den Mechanismus des Romans. Obwohl dort an der Front ganz schlimme Dinge geschehen, ist die Meldung von der Front, dass es nichts zu vermelden gibt. Und das ist etwas, was ich mit meinem Album auch sage: Ey, wir haben da ein kollabierendes System vor uns, stecken mitten drin, der westliche Lebenstraum ist nicht aufgegangen! Und wir stehen in einem zusammenfallenden Hochhaus und wollen das nicht wahrhaben.
Fühlst du dich angetrieben, über die Musik hinaus politisch aktiv zu werden?
Das ist derzeit irgendwie ganz gefährlich. Die Situation ist für Populisten so offen wie noch nie – für Leute, die man früher wahrscheinlich als Demagogen bezeichnet hätte. Und daher sehe ich das mit großer Sorge, was da für Leute gerade ihr Unwesen treiben. Wir befinden uns in einer Stunde, wo jeder, der eine extremistische Meinung zu Markte trägt, Gehör findet. Das ist gefährlich.
Was ist denn deine Antwort auf die aktuelle Situation der Pegida/Legida-Bewegung?
Die Gesellschaft, in der wir leben, wandelt sich gerade. Es passieren komplizierte Sachen, und die Leute suchen darauf eine einfache Antwort. In dem Fall ist das eine Protesthaltung, indem man sagt, man wolle die Flüchtlinge hier nicht haben. Die Leute, die jetzt für Pegida oder Legida auf die Straße gehen, kann man auch quasi wieder umstimmen – bin ich der Meinung. Ich denke die meisten von denen sind in ihrer Meinung nicht beinhart – vielmehr wankelmütig und beeinflusst. Beeinflusst auf eben jene populistische Art und Weise, die sie dazu bringt, auf die Straße zu gehen. Ich schätze, die meisten sind keine Vollblut-Believer, sondern Mitläufer.
Vielen Dank für das Gespräch!