Sportfreunde Stiller haben ihr 7. Studioalbum „Sturm und Stille“ veröffentlicht. Wie gewohnt versprüht die Band Optimismus und Freude am Leben. Dass das nicht immer gut ankommt, kennen sie bereits. Wir sprachen mit Sänger Peter Brugger über den Hass auf die Musiker und das Problem, ewig „die Jungen“ sein zu müssen. Außerdem offenbart er, wie er gerne sein würde und warum das Lied mit den Zahlen nicht mehr namentlich erwähnt wird.
Peter, ihr feiert euer 20-Jähriges – wie hält man es solange miteinander aus?
Tja, man hält es mal besser und mal schlechter miteinander aus (lacht). Aber irgendwie hat es noch keinen so angekast, dass er gesagt hätte: Jetzt habe ich keinen Bock mehr. Uns verbinden sehr viele Sachen, in erster Linie mal das Musikmachen und auch die Art der Musik, die wir machen, mögen wir einfach gerne. Und dann schaffen wir es auch immer wieder ganz gut, aus Krisensituationen rauszukommen, weil wir das entweder gut bereinigen oder es so gut aushalten können, dass es irgendwann keine Rolle mehr spielt (lacht).
Beinahe gab es einen Bruch zwischen euch. Was war damals der Grund, dass ihr es zu der Zeit nicht mehr miteinander ausgehalten habt?
In erster Linie, weil ich ziemlich im Arsch war. Wir hatten viele Jahre durchgezogen. Und da habe ich dann gesagt, dass ich einfach mal eine Pause haben möchte – ohne einen Termin, wann es wieder weitergeht. Das war für die anderen schwierig, weil sie so in der Luft hingen. Das war dann einfach eine blöde Situation.
Was macht ihr heute anders, damit das so nicht noch mal passiert?
Das kann wieder passieren. Man weiß ja nicht, wann die Energie weg ist. Ich versuche, einfach besser auf mich zu schauen, dass es nicht erst dazu kommt; ein bisschen zu lernen, wann man eine Pause braucht, dass es dann nicht so arg zuschlägt.
Durch das neue Album zieht sich ein absoluter Optimismus. Wie behält man den, bei all dem Mist, der so passiert?
Es gibt in den Liedern schon Momente, die nicht positiv sind. Zum Beispiel in dem Song „Zwischen den Welten“, in dem wir die Situation nach den Anschlägen in Paris beschreiben. Da stellen wir fest, dass zwei extrem unterschiedliche Gefühle in uns stattfanden. Es war sowohl sehr positiv, weil es uns privat und in unserem Bandleben zu der Zeit gerade sehr gut ging und wir glücklich waren, aber auch sehr traurig über das, was da passiert ist – wenn sich im Leben plötzlich alles wendet.
Wir beschreiben schon auch Situationen, die nicht nur positiv sind. Aber wir haben schon immer festgestellt, dass uns in unserer Musik eher daran gelegen ist, nach einer Lösung zu suchen als das einfach so stehen zu lassen. Da tun wir uns vielleicht schwer. Vielleicht wollen wir uns hintenraus auch einfach gut fühlen, wenn wir unsere Musik machen.
Nach jedem Album wird immer wieder dasselbe bei euch bemängelt: Ihr könnt nicht singen, ihr seid nicht musikalisch … Ist das eine Art Genugtuung, dass ihr nach 20 Jahren immer noch gehört werden wollt?
Es freut uns natürlich, dass es anscheinend Leute gibt, denen unsere Musik etwas bedeutet. Das ist einfach schön. Ich bin tatsächlich erstaunt, wie viel Hass es gibt und wie arg wir polarisieren. Ehrlich gesagt, verstehe ich das gar nicht wirklich. Wenn ich Musik höre, die mir nicht gefällt, wechsle ich entweder den Radiosender oder ich höre sie mir halt nicht an. Ich weiß gar nicht, was die Leute so arg antriggert. Ich stelle nur erstaunt fest, dass es so ist. Vielleicht ist es die positive Art, die manche zum Ausrasten bringt, oder was denen zu viel ist – was mich aber auch wieder verwundert (lacht). Keine Ahnung.
Wie bekommst du das mit?
Ich schaue ab und zu mal in die Kommentare bei Facebook. Manchmal kann ich es auch nicht lassen, das durchzulesen – wenn ich einfach mal wieder einen Dämpfer brauche oder so (lacht).
Es scheint, als müssten die Leute etwas rauslassen – egal an wem.
Ja, das denke ich auch. Ich glaube, es hat dann auch gar nicht mehr so viel mit dem zu tun, was da stattfindet. Da wird eine Plattform geboten, um seine Kacke ablassen zu können, was ich ziemlich bedenklich finde. Meines Erachtens ist es einfach eine Entscheidung, mit was man sich beschäftigen will in seinem Leben: Beschäftige ich mich mit den Sachen, die mich schlecht fühlen lassen? Stürze ich mich darauf und verbringe Stunden in so einer Energie? Oder versuche ich mich damit zu beschäftigen, was mir Freude bereitet oder mit dem ich was bewegen kann? Ich glaube, diese Fragen sollte man sich stellen.
Dich beschäftigt die Frage, ob ihr ewig gezwungen seid, „die Jungen“ zu bleiben? Was meinst du damit?
Es ist halt einfach ein Thema. Ich spüre es auch, wenn wir Lieder machen. Ich frage mich, wie mutig sind wir bei einem Song, in welche Richtung lassen wir dieses Lied gehen. Das sind Überlegungen, die wir haben.
Und ich glaube, wir hängen alle noch zu einem Teil an den Zeiten, wo die Meute noch so richtig abgeht. Das merke ich auch öfter bei Livekonzerten: Wenn wir spielen und mitkriegen, die Leute zucken jetzt nicht wirklich, kommt so eine Unruhe in uns auf und wir merken, dass wir ein bisschen mehr Gas geben müssen. Wir wollen es manchmal ein wenig erzwingen, dass die Leute in Wallung geraten. Das sind so Überbleibsel von damals, als wir halt eine junge Band waren – da hat es immer in der Kiste gerappelt. Das sind Erinnerungen und das will man beibehalten. Ich glaube, das ist eine Entwicklung, die stattfindet, wenn man als Band älter wird. Man muss sich damit auseinandersetzen. Und ich hoffe, dass wir uns nicht zwingen, eben da zu verharren, sondern uns Sachen trauen und darauf vertrauen, auch älter als Band existieren zu können.
Du kannst nachvollziehen, dass man euch bieder findet. Nach manchen Interviews denkst du, wieder „lauten angepassten Scheißkas geplappert“ zu haben und dass du oft nicht so bist, wie du gerne wärst. Wie wärst du denn gerne?
Na ich wäre natürlich gerne oberlässig, wahnsinnig cool, dann noch gut ausschauend, freundlich, zur rechten Zeit mal ein Arschloch … einfach das, was man sich so vorstellt, von einem total coolen Typen (lacht). Und in Wirklichkeit bin ich: Bitte mag mich, bitte mag mich. Das kennt ja jeder. Man hat so ein Bild von sich, wie man nach außen hin gerne wirken würde und dann beobachtet man sich und merkt, das haut jetzt irgendwie gar nicht hin (lacht). Ich bin einfach komplett anders … Wenn man in der Öffentlichkeit steht, dann gibt es ja auch noch Verstärker wie z.B. ein Interview. Als nicht öffentlicher Mensch kriegt man ja solche Feedbacks gar nicht.
Thema Fußball: Du bist Bayern München Fan. Gibt es jetzt gerade einen Spieler, der dich von den Socken haut?
Einfach immer wieder Thomas Müller, sowohl wegen seiner unkonventionellen Spielart als auch wegen seiner Interviews. Der erscheint mir z.B. sehr authentisch und quakt so, wie er halt gerade so ist. Den finde ich in Interviews großartig.
Ist es möglich, dass ihr noch mal einen Song über einen Spieler macht?
(überlegt) Ich glaube, das wird nicht mehr passieren. Wir sind weg vom Fußball.
Bewusst?
Ja, irgendwie bewusst, aber irgendwie auch aus so einer Trotzreaktion heraus. Das wurde uns nach 2006 zu viel und wir wurden auf das Lied mit den Zahlen so reduziert, dass wir uns gezwungenermaßen auch ein bisschen von dem Thema entfernt haben. Mich interessiert Fußball nach wie vor noch. Aber es wurde dann irgendwann langweilig, darüber zu reden. Es war für uns eine schwierige Zeit, aber auch eine total wichtige. Es war eine Verwirrung und eine steife Brise, was halt immer lehrreich ist – im Nachhinein.
Was hältst du von Liganeuling RB Leipzig?
Ich finde es interessant. Ich habe bis jetzt von den ersten Spielen leider noch nichts mitbekommen. Ich weiß natürlich, dass die grandios gestartet sind, aber ich habe noch nicht mitgekriegt, wie so die Stimmung RB Leipzig gegenüber ist und wie sie aufgenommen wurden. Mir wird oft die Frage gestellt, wie ich das mit der fehlenden Tradition finde. Und da stelle ich mir immer die Frage: Wenn Tradition nur Tradition sein darf, wenn ein Verein schon vor 100 Jahren entstanden ist, wann darf denn da was Neues dazukommen? In 100 Jahren hätte Leipzig dann ja auch Tradition. Diese Sichtweise finde ich schon arg konservativ. Und eine Verteufelung von Vereinen, die finanziell unterstützt werden, ist auch ein merkwürdiges Argument. Es freut mich vor allem für die Leipziger, dass sie Bundesliga sehen können.
LIVE:
Leipzig: Die Sportfreunde Stiller könnt ihr am 25. November 2016 im Haus Auensee hören und sehen.
Berlin: am 14. Dezember 2016 in der Columbiahalle