Berlin Nights – Produktionsleiter und Tänzer Björn im Interview „Wir sind alle so ein bisschen Berliner Hobbits“: Björn über „Berlin Nights“ am Stage Theater, ab dem 24.3.2017

Am 24.3.2017 geht’s los: Die „Berlin Night“ feiert im Stage Theater am Potsdamer Platz das Berliner Clubleben. Ideengeber, Tänzer und Produktionsleiter Björn erzählt uns vorab von seinem Berlin bei Nacht.

© Christopher Schmidt
In wenigen Tagen geht es los: Die Show „Berlin Nights“ bringt das Berliner Nachtleben auf die Bühne. Und zwar die ganz große, nämlich das Stage Theater am Potsdamer Platz. Das Theater-Show-Varieté-Konzert wird drei grundverschiedene Berliner Nächte in eine opulente Show zaubern und dabei ganz viel vom Nightlife der vergangenen 15 Jahre erzählen, tanzen und singen. Wir trafen Björn, der als Produktionsleiter, Ideengeber und Tänzer das Mastermind hinter „Berlin Nights“ ist. Wie er sich eher zufällig von der Judomatte (wo er es bis zum deutschen Meister brachte) ins Berliner Nachtleben und die legendäre Players Delight – Party getanzt hat, wie die Partynächte in der Nachwendezeit waren, und wie authentisch „Berlin Nights“ sein wird, das erzählt er hier. Soviel ist schon einmal sicher: Wenn die Show so viel Energie und Begeisterung für Berlin hat wie Björn, wird es eine großartige Nummer.

 Björn, was man bisher über eure Show weiß, wird es ein ziemlich verrücktes Ding und bunt zusammengemischt. Sag du doch nochmal, was es genau ist.

Moment, wir hatten da neulich endlich so ein geiles Wort für gefunden – ach ja: „Theater-Show-Varieté-Konzert“. Trotzdem crossen wir nicht so viel: Die Kunst, die einzelnen Künste bleiben, was sie sind. Mit den Menschen, die sie hier in Berlin unserer Meinung nach am stärksten vermitteln können. Tanz ist aber bei allen Künsten, die wir auf die Bühne bringen, der visuelle Verstärker. Wir fangen an mit einem Piano-Konzert, es wird untermalt mit Akrobatik und zeitgenössischem Tanz. Aber die Show beginnt eigentlich schon ab Einlass. Da haben wir dann die typische Clubtürsituation, du wirst kontrolliert, du fühlst dich wie in einem Club an der Spree, oder im Berghain, oder Tresor …

 … und der Türsteher sagt: Heute leider nicht?

© Berlin Nights
… das kann schon passieren. Wenn der Besucher kein Berliner ist, soll er sich wie einer benehmen. Nein, Scherz beiseite, natürlich kommt jeder rein, auch wenn wir mit Sascha Thies eine Türsteher-Legende am Einlass haben. Früher war es ja übrigens nie so, dass man an der Tür abgewiesen wurde, das konnte man sich gar nicht erlauben. Früher haste hier 3,5 Millionen Einwohner gehabt, und der Berliner ist aus seiner Hood herausgekommen, wenn er das Gefühl hatte, ej da gibt’s jetzt ’ne geniale Party in einem leerstehenden Gebäude, und der Einlasser, zum Beispiel im Tresor, konnte sich gar nicht erlauben, Leute nicht reinzulassen. Dieser Hype mit abweisenden Türstehern, wie man es heute kennt, ist ja nicht von Berlinern für Berliner entstanden.

Als Beispiel kann man das KitKat nehmen, wo es die wichtigste Tür Berlins gibt: Es geht darum, die Leute im Club zu schützen. Das muss ja gar nicht immer unbedingt was Sexuelles sein, aber meinetwegen, jemand hat nen Wollfetisch, und tanzt da mit seiner Bommelmütze, oder andere feiern die 20er Jahre und bringen das auch echt rüber, oder wieder andere haben vielleicht eine körperliche Einschränkung. Aber damit alle frei feiern können, dass es dort einen Ort gibt, wo alle so akzeptiert werden wie sie sind, deswegen sitzt da seit 20 Jahren die gleiche Person, die Besitzerin Kirsten, und sagt dann eventuell auch mal zu Leuten, die reinwollen: „Du pass mal auf, du bist vielleicht noch nicht so weit“, und sorgt so dafür, dass es für niemanden unangenehm wird. Weder für die, die sich im Club ausleben, noch für die, die davon vielleicht geschockt wären oder dann zu Gaffern werden. Damit täte man beiden keinen Gefallen.

Die Show blickt zurück auf das Clubleben ab circa 2000. Was waren denn deine Lieblingsclubs früher?

© Berlin NIghts
Das Sage war einer der berühmtesten Clubs weltweit, da waren wir Jungs viel, unsere ganzen Klamotten wurden auch dort genäht, von Jörg Pfefferkorn. Abends hat der an der Bar gearbeitet, tagsüber saß er über dem Sage in seiner Schneiderei, und wir ganzen Tänzer, Go-Gos und Freestyler aus Berlin haben dort unsere Klamotten machen lassen, die so ein bisschen freaky-angestylt waren. Sage war da die coolste Vertretung, aber wir waren auch im Matrix oder Adagio. Mit Players Delight gehörten wir ja auch zu den ersten, die „Tanz mit Unterhaltung“ größer gemacht haben, Go-Go hieß das damals, da starteten die großen Veranstaltungen wie Players Delight, wo wir dann mit 20 Tänzern oder so angerückt sind. Wir haben da ja alles selbst gemacht, das Licht, verschiedene Bühnen, überall die verrücktesten Tänzer, Go-Gos, Breaker, Salsa, Streeter. Die Besucher sollten damals einfach, egal wo sie hinschauen, fettes Entertainment bekommen.

Findet sich das denn jetzt in der Show wieder?

© Christopher Schmidt
Absolut. Wir bringen ja drei Nächte auf die Bühne, eine davon ist die Clubnacht, und alles, was wir in den 15 Jahren an Besonderheiten im Nachtleben hatten, bringen wir auf die Bühne. Theoretisch reicht es aber noch ein bisschen weiter zurück, bis in die 90er Jahre, wenn du zum Beispiel DJ Tomekk nimmst, da geht’s ja schon in den 90er Jahren los, wo er gerade in Clubs wie Akut und Strike startete, das war die Zeit, wo sich das alles fand. Tomekk war ja Vorreiter und hat bei KissFM Sounds rausgebracht, die einfach mal geknackt haben. Das war der Anfang, aber groß wurde das ganze, als die Fabriken dazukamen.

Du musst dir vorstellen, die Menschen wollten zusammen feiern, und dafür brauchst du Fläche. Ein Veranstalter hatte damals nicht unbedingt das Geld wie heute, um ein paar Tausend Euro für ’ne Location auszugeben, und dann hatten wir diese ganzen alten, hohlen Fabrikgebäude mitten im Zentrum. Und darum hat auch die ganze Welt zu uns geschaut, weil mitten im Zentrum diese Flächen da waren. Und Wowi als Bürgermeister hatte auch nichts dagegen. Dann hatte man ne Location für vielleicht 2.000 Mark, aber 4.000 Gäste. Und das Geile war, dass die Veranstalter das Geld dann auch wieder in die Partys investiert haben, so konnte ich dann locker mal eben 5 Tänzer mehr auf die Bühne bringen oder wir konnten geile Bühnenstege in den Raum bauen. Alle hatten die Möglichkeit, kreativ zu sein, seien es wir Tänzer, oder die DJs, oder die Lichttechniker, alle. Da entstand einfach was besonderes.

Vermisst du das denn? Große Flächen für wenig Geld wirst du ja heute in der Stadt nicht mehr finden.

© Christopher Schmidt
Nein, ich bin glücklich, dass es überhaupt so war, wie es war. Darum haben wir ja auch heute so ein Ansehen in der Welt, was Kultur und Nachtleben angeht, das hat sich ja nicht geändert. Der Berliner oder wir hatten ja alle nicht so viel Geld, um hier im großen Stil zu arbeiten. Aber die Welt, die hier herkommt, sie steht jede Nacht an irgendeiner Tür und will feiern. Damit wären wir wieder bei der Türpolitik: Das Konzept, auszuwählen, geht ja auf.

Dieses Gefühl, du weißt nicht, ob du reinkommst oder nicht, und sonst stellst du dich morgen nochmal an, vielleicht bist du dann irgendwann drin. Das macht ein Berliner nicht, also ich mach das vielleicht einmal, und wenn der Junge dann sagt, heute kommst du nicht rein, dann ists vorbei, dann gehe ich da nicht mehr hin. Und wenn du zwar reinkommst aber deine Freunde nicht, dann hast du doch auch keinen Bock mehr. Und dann kommt die kritische Phase, selbst für die großen Clubs: Was machen wir jetzt? Andererseits kann ich es auch verstehen, dass einige Clubs so auswählen, die Bedürfnisse und die Leute sind einfach sehr verschieden.

Wie war denn dein Weg ins Berliner Nachtleben?

© Christopher Schmidt
Also als Tänzer war ich ziemlich spät dran, hab erst so mit 25 angefangen, ich war vorher Leistungssportler im Judo, und das war auch so ein bisschen der Grund, warum ich oder wir als Judokas, also Jens, Butze und ich, aufgefallen sind. Denn als Tänzer waren wir, ich sag immer: steif und stumpf, aber dafür hart und stark. Und vor allem ziemlich extrovertiert. Wer sind denn die Typen da, doppelt so breit wie die anderen, die so eine Show abziehen und nur Quatsch machen? Meine Schwäche als Tänzer war also gleichzeitig meine Stärke. Es ging eigentlich alles los mit der allerersten Players-Delight-Party, die hatten damals ein paar Fußballer organisiert, das war noch im Hof 23 in Weißensee. Der Typ hat bei uns im Sportinternat an die Tür geklopft, und meinte nur, ich mach ’ne Party, kommt vorbei. Das ganze ohne einen einzigen Flyer oder SMS, das gab’s ja alles damals noch gar nicht – aber wir waren 900 Leute bei der ersten Players Delight.

Irgendwie kamen wir drei gut an, und obwohl wir eigentlich keine Ahnung vom Tanzen hatten, wurden wir dann gebeten, bei den Players Delight regelmäßig aufzutreten. Die nächste Feier war dann im SEZ. Da waren es schon 2.000 Gäste. Alles nur per Telefon, über Gerüchte. Und das war zur Nachwendezeit auf der Ostseite der Stadt das absolut monumentalste, fetteste Ding, das überhaupt existiert hat. Parallel gab es eigentlich nur noch die Schwulenszene, die war auch extrem cool, Propaganda, Cockerpartys. Die haben lustigerweise in den gleichen Räumen gefeiert, hatten uns gesehen und meinten dann, „ihr drei Heten, ihr verrückten, kommt mal zu uns in die Szene.“ Und wir waren flexibel genug, das mal zu machen. Wobei man auch sagen muss, dass das wirklich noch andere Zeiten waren, was Toleranz und so angeht. Aber wir hatten damit schon damals kein Problem. Jedenfalls war das Tanzen so eine geile Sache, dass wir alle drei mit Judo aufgehört haben, obwohl wir alle mehrfache deutsche Meister waren. Aber beim Tanzen haben sie einfach mehr geschrien.

Du bist also verwurzelt in Berlin und seinem Nachtleben. Gilt das auch für die anderen, die zur Show beitragen?

Auf jeden Fall. Zu der Zeit haben wir dann ja auch Tomekk kennengerlernt, der auch einfach mal vorbeikam und auflegte. Wir sind alle so ein bisschen Berliner Hobbits. Oder nimm Timothy Thorson, den Pianisten. Der ist in 4. Generation Franz-Liszt-Schüler, einer von den noch ganz wenigen, dessen Lehrer direkt auf Liszt zurückgeht. Er spielt dann in der Show auch ein Liszt-Stück, und das auch noch auf einem ganz besonderen Flügel, denn auch die Klaviermanufaktur Steingraeber hatte direkt mit Liszt zu tun. Liszt spielte zuhause auf Steingraeber bis er starb. Timothy ist so in seiner Musik, das glaubst du nicht. Oder Nader Rahy, der Gitarrist von Nena, der wurde ja hier in Berlin entdeckt, also von Nena selbst, als er in einem kleinen Jazz-Club vor drei Leuten gespielt hat. Eine davon war Nena. Oder die Breakdancer AirDit und Pedram – auch extrem gute Typen.

Berlin Nights ist keine Produktion mit Millionenbudgets, wie unterscheidet ihr euch von solchen Produktionen, wie sie ja zB oft auch hier am Stage Theater gelaufen sind?

© Christopher Schmidt
Die großen Produktionen haben halt so viel Kostendruck, das Geld wieder reinzukriegen, dass sie superschnell und effektiv funktionieren müssen, so dass das kleine, das echte, das besondere dann auf der Strecke bleibt. Da läuft es oft nach dem Motto: fette Bühne, fettes Licht, muss reichen. Reicht aber nicht. Wenn ich heute Kids erlebe, sehe ich oft, dass die 19, 20jährigen gar keinen guten Sound mehr kennen. Die kennen auch keine guten DJs mehr. Da wird einfach ein mp3-Player genommen, angeschlossen, kleine Soundanlage reicht dann auch, weil die sowieso alle nur den Youtube-Sound kennen. Aber das ist doch nicht der gleiche Sound wie von einer ordentlichen PA, mit einem DJs, der eine echte Platte auflegt. Dafür ist das Berghain auch exorbitant und E-Werk war auch so. Wenn zum Beispiel Westbam aufgelegt hat, dann ging es bei mir nicht darum, wie geil die Mucke war, sondern darum, was für eine Soundwand auf dich losging. Westbam hat Hard-Techno aufgelegt, und da hattest du das Gefühl, du bist die Musik, du bist ein Teilchen davon. Auch Marusha, die hat damals so aufgelegt. Die Anlage und die PA, darauf hat man minutiös geachtet, dass der Sound auch bis ins Mark geht.

Und das werden wir hier natürlich auch umsetzen. Und wir machen es so, dass hier jeder genau seine Stärken ausspielt. Sei es bei den Technikern, oder bei den Tänzern. Wenn zum Beispiel die Samuels Crew für Streetdance, Break und Entertainment-Dance bekannt ist, dann machen wir auch nur das. Wenn African Dance und Krump angesagt ist, dann steht da die M.I.K Family auf der Bühne. Da weißt du genau, das sind diejenigen, die das prägen in Berlin, und wenn die das tanzen, dann fühlst du auch das richtige. Wir könnten das vielleicht nachtanzen, aber es wäre immer nachgetanzt.

© Christopher Schmidt
Genauso bei Zanshin, auch eine sehr bekannte Gruppe hier in Berlin, die sich fast jedes Jahr bis zur WM durchtanzen, die sind halt bekannt dafür, dass sie zeitgenössisch als Team sehr sehr stark sind. Die werden bei Berlin Nights den klassischen Teil tänzerisch untermalen. Dann haben wir Tridiculous, die haben vor 10 Jahren das Chamäleon mit hochwertiger Akrobatik mit hochgebracht. Die haben so eine geile Ausdrucksform. Das sind drei Russen, großgeworden in der Ufa-Fabrik. Heute sind sie in der ganzen Welt unterwegs, angefangen haben sie als Straßentänzer am Brandenburger Tor. Bei Tänzern ist es ja so, dass Straßentänzer zum Teil um Welten besser tanzen als das, was man bei großen Produktionen heute sieht.  Bei Berlin Nights sind Tridiculous auch ziemlich wichtig für die Story-Line, die ja einmal durchs Nachtleben führt, aber das werdet ihr dann ja alle sehen.

Die Storyline bewegt sich nur durch die Nacht?

Nein, wir haben auch Tagesszenen. Wir erzählen insgesamt ja drei Nächte, aber wo nachts gefeiert wird, muss tagsüber auch gearbeitet und umgebaut werden, und dann kommen die Fothamockas ins Spiel. Als Comedian-Dance sind die in Berlin auch High-Level. Haben sich auch schon zur WM getanzt, sind superlustig und kreativ, man lacht sich den Wolf. Vier Typen, die zusammen großgeworden sind, aber total unterschiedliche Charaktere. In der Storyline sind sie die Mitarbeiter des Hauses, die den Club umräumen müssen. Piano raus, Soundanlage rein, ich will nicht zuviel verraten, aber es wird absolut lustig.

Was erwartet die Besucher noch?

© Christopher Schmidt
Wir wollen den Besuchern ein wirklich echtes Erlebnis bieten, und das fängt schon am Eingang an, wo wir eben die typische Clubtürsituation herstellen, mit Sascha Thies haben wir auch da eine echte Berliner Tür. Mit Florent Rabaté haben wir einen Showbarkeeper, wie man wahrscheinlich auch keinen zweiten in Berlin findet. Aber ich muss auf jeden Fall noch auf Andreas Renee Swoboda kommen, eine absolute Machine Gun. Im Friedrichstadtpalast hat er die Yma gespielt, bei Berlin Nights spielt der die extravagante Dragdiva. Sensationell. Das ist dann die Szene wie bei Chantals House of Shame im Bassy Club. Das sind ja letztlich die Leute, die hier in Berlin die Qualität hochhalten.
 
Infos: Berlin Nights (Tickets) im Stage Theater am Potsdamer Platz, 24.-9.4.2017

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