Tomte-Sänger Thees Uhlmann im Interview Thees Uhlmann: „Fuck auf Westdeutschland, ab nach Leipzig!“

Thees Uhlmann kommt mit seinem neuen Album „#2“ nach Leipzig. Vorab verrät uns der bier- und rumhäng-affine Musiker u.a., warum Hamburg zum Singer/Songwriter-Mekka wurde, er heute aber eher in Leipzig bleiben würde.

Thees Uhlmann ist ein Hans Dampf in allen Gassen: Solokünstler, Tomte-Gründungsmitglied, Autor, Labelchef… Derzeit tourt er mit seinem zweiten Soloalbum „#2“ durch Deutschland. Wir sprachen mit dem bier- und rumhäng-affinen Musiker. Er verriet uns, warum der „beschissenste Song des Albums“ zeigt, wie falsch man mit seinen Einschätzungen liegen kann, warum er sich selbst nicht mehr so wichtig ist und dass die Leipziger die unterstützenswerte Einstellung haben, ihn nach dem Konzert Bier holen zu schicken.

© Ingo Pertramer

Das zweite Album soll das schwierigste sein – und?

Es war auf jeden Fall das schwierigste in meiner Karriere. Man ist immer aufgeregt. Aber bei dieser Platte hatte mich wirklich teilweise das blanke Entsetzen ergriffen. Ich weiß gar nicht warum.

Hattest du Angst, dass es nicht gut ankommt?
Es gibt auf dieser Platte den „Wien“-Song, bei dem wir uns sicher waren: Na wenigstens gibt es jetzt einen Song auf der Platte, den die Leute richtig beschissen finden. Und dann fanden viele ausgerechnet den gut. Da sieht man, wie falsch man mit seiner Einschätzung liegen kann. Ich wusste auch nicht, ob ich mit dieser Kriegsthematik so durchkomme und ob die Leute dann denken, dass ich mich jetzt auf Moralkasper aufspielen will.

Wenn du einen Song schreibst, ist von Anfang an klar, dass es ein Thees-Song oder ein Tomte-Song wird?
Ja, das ist schon klar. Man setzt sich hin und weiß, was es wird. Ich mach dann auch nicht viel nebenbei. Ich habe jetzt auch seit insgesamt zwei Jahren keinen Tomte-Song mehr geschrieben, weil ich jetzt die ganze Zeit am Klavier schreibe, und das Klavier ist halt Thees Uhlmann.

Ist das der große Unterschied zwischen Tomte und Thees Uhlmann?
Der große Unterschied ist, dass Tomte eine Proberaumband ist. Ich denke mir sozusagen eine Unplugged-Variante zuhause aus, schreib dann dazu was auf, dann geht’s in den Proberaum und dann wird daraus ein Song gearbeitet. Und bei Thees Uhlmann ist es so, dass ich Klavier spiele und dann denke ich irgendwann: ‚Oh das ist eine hübsche Melodie’, dann arbeite ich das weiter aus – gehe mit Tobias ins Studio und dort basteln wir mit Gitarren und vorm Computer was zusammen.

Du bist sehr gut befreundet mit Tocotronic, die auf ihrem neuesten Album bemerken: „Hey, jetzt sind wir alt“. Ist das fortschreitende Alter eigentlich Thema bei dir?
Also der Wechsel von 29 zu 30 hat mir wesentlich mehr ausgemacht als jetzt von 39 zu 40. Weil mit 29 bist du am Nachdenken: ‚Hast du in 10 Jahren noch Lust das zu machen? Gibt’s dich dann überhaupt noch? Interessiert sich noch jemand für den Scheiß, den du tust?’ Und jetzt mit 39 Jahren bin ich schon sehr in mir angekommen. Ich bin mir selber auch nicht mehr so wichtig. Mit 29 war ich quasi fast das einzige Thema, worüber ich gesungen habe. Das ist ziemlich gewichen, das hat auch etwas damit zu tun, dass ich Vater geworden bin und man sich dann auch nicht mehr so ernst nimmt mit seinen eigenen Nöten.

Warum ist Hamburg das Singer/Songwriter-Mekka?
Es hat auf jeden Fall etwas damit zu tun, dass Mitte der 80er Jahre kein Schwein in Vierteln wie St. Pauli oder das Schanzenviertel wohnen wollte. Und wer zieht als erstes in kaputte Viertel ein? Das sind immer Künstler! Ich glaube, dass sich die Leute getroffen und gesagt haben: ‚Ey, wir machen Musik und auch noch auf deutsch, was eigentlich so ein bisschen uncool ist – ja dann müssen wir uns halt zusammenreißen, damit das cool wird.’

Es ziehen auch viele Musiker extra nach Hamburg.

Manchmal kommt es mir so vor, dass die Leute echt lieber in Leipzig bleiben sollten. Die ganzen Viertel kann sich ja niemand mehr leisten. Wenn ich jetzt 18 wäre, würde ich einfach sagen: Ach, fuck auf Westdeutschland, ab nach Leipzig. Weil mir das so vorkommt, dass es in Leipzig noch Viertel gibt, wo man sich mit, sagen wir mal, 600€ im Monat eine halbwegs passable Wohnung und 4 Pakete Toastbrote leisten kann.

Was verbindest du mit Leipzig?
Ich finde das City-Hochhaus, was wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht, wunderschön. Ich war beim Bruce-Springsteen-Konzert im Stadion – das fand ich richtig gut. Ich kann wirklich sagen, dass ich auch als Westdeutscher bei jeder Diskussion aufstehe und rumschreie, wenn sich jemand über den Dialekt lustig macht, weil ich finde, dass sächsisch auch nicht schlimmer ist, als bayerisch oder norddeutsch. Ich finde das eigentlich immer ganz gut, wenn man merkt, in welcher Region des Landes man sich aufhält. Und wenn man davon ausgeht, dass wir eine bier- und rumhäng-affine Band sind, findet man immer noch 3 Typen, die nach dem Konzert sagen: ‚So, alter Mann aus dem Westen, geh mal Bier holen!’ Das geht in Leipzig immer und ich finde das eine sehr unterstützenswerte Einstellung.

Du bist ja im November in Leipzig, auf was kann sich das Leipziger Publikum einstellen, außer dich Bier holen zu schicken?
Demütigende Westdeutsche auf Tour! (lacht) Wir sind einfach nur eine Band, die ihre Songs spielt. Bis auf Weiteres haben wir kein Konfekt dabei. Manchmal kommt mir das vor, dass wir Musik machen für 15-Jährige, die zu schwach für Pogo sind und für über 35-Jährige, die sich einmal im Monat für ein Konzert rausschälen, weil sie oft einfach keine Zeit für so was haben (lacht).

Infos:

Thees Uhlmann tritt am 6. November 2013 im Werk 2 auf. Tickets kosten im VVK 23€.

Zur Homepage von Thees Uhlmann kommt ihr hier.