30 Jahre WGT & "Dark Star" Interview: Deine Lakaien

Alexander Veljanov und Ernst Horn, besser bekannt als „Deine Lakaien“, spielten auf dem diesjährigen 30. Wave-Gotik-Treffen (WGT). Das Set aus ihrem ebenfalls seit 30 Jahren bestehenden Album „Dark Star“ liegt ganz im Zeichen der Liebe und Erinnerung an die Anfänge. Wir haben mit beiden vor ihrem Auftritt gesprochen.

© Joerg Grosse-Geldermann

Wann seid ihr angereist und das wievielte WGT ist es für euch?

Alexander: Wir sind gestern angekommen, haben davor noch ein bisschen in München geprobt. Das wievielte WGT es für uns als Deine Lakaien ist, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Das sechste oder auch schon achte, wir waren auch immer mal mit anderen Projekten hier, es ist jedenfalls nicht das erste und hoffentlich auch nicht das letzte Mal.

Zu eurer Kennlern-Geschichte über eine Zeitungsannonce, wurdet ihr sicher schon sehr oft gefragt, aber was war damals der Beweggrund in eine andere musikalische Richtung zu gehen?

Ernst: Für mich war es immer so, dass ich an verschiedenen Genres interessiert war, in der der Rock Pop Szene, konnte ich, mich ausprobieren und empfand die Möglichkeiten darin als fortschrittlicher. In der Konsequenz habe ich meinen damals festen Job als Kapellmeister in Karlsruhe einfach aufgegeben und gedacht, ich fange jetzt mal etwas Eigenes an. Es gab damals bereits viele Duos wie zum Beispiel Depeche Mode und inspiriert davon, suchte ich als Synthesizer-Spieler einen passenden Sänger. Da es in München im Vergleich zu anderen Städten nicht so eine große Szene gab, war es für mich naheliegend eine Anzeige zu setzen und Alexander dadurch kennenzulernen.

Habt ihr euch auf Anhieb gut verstanden?

Alexander: Es ging eigentlich erstmal nicht ums Verstehen, wichtiger war, dass man bei den Vorstellungen, worum es gehen soll, einen gemeinsamen Nenner findet. Das war anfangs nicht offensichtlich, da ich als völlig unerfahrener Abiturient nach München zum Studieren kam, also noch im ersten Semester war. Ernst hatte bereits jahrelang als Berufsmusiker Erfahrung und war auch anders musikalisch geprägt in seiner Jugend. Er, sozialisiert in den Sechzigern und ich in den späten Siebzigern, Achtzigern, konnten wir dennoch gemeinsame Vorlieben feststellen. Bei den ersten Versuchen ging es um ein reines Studioprojekt, es machte uns Spaß und weckte die Neugier auf Weiteres. Ein Lied folgte dem anderen und zufälligerweise hatten wir dann irgendwann sogar Erfolg damit und so kommt es, dass wir nach all den Jahrzehnten immer noch zusammenarbeiten, weil immer wieder was passiert ist, das spannend war.

Ernst: Ja, es war ein ähnlicher Geschmack den wir hatten und wir haben einfach angefangen. Es gibt Leute mit denen fängst du dann sofort zum Streiten an, weil die mit nichts zufrieden sind und das war in unsererm Fall nicht so.

Welche Rolle spielen optische Elemente wie dein Styling?

Alexander: Naja ich war damals schon ziemlich Post-Punk und Dark vom Styling her und Ernst eben gar nicht, aber er war niemand, der Menschen nach seinem Äußeren kategorisiert hat und so passte das gut.

Habt ihr die letzten Jahre durchgängig gemeinsam Musik gemacht?

Alexander: Wir arbeiten seit dem ersten Album, das 1986 erschienen ist, im Eigenvertrieb ohne Unterstützung einer Plattenfirma oder einem Label. Es gab aber auch immer mal verschiedene andere Projekte. Ernst hat Hörspiele gemacht etc. und es war uns auch wichtig, dass man sich nicht nur auf ein Projekt begrenzt, denn das kann oft auch schiefgehen. Diese Freiräume haben wir auch immer wieder als neue Energiequelle für Deine Lakaien genutzt.

Was verbindet ihr mit dem WGT ?

Alexander: Wir haben bereits die Anfangstage mitbekommen, obwohl wir selbst erst Jahre später mit Deine Lakaien auf dem WGT aufgetreten sind. Denn irgendwie hat das vorher nicht geklappt, aber wir kannten bereits viele Kollegen, die schon bei den ersten WGT’s in den Neunzigern dabei waren, als es noch ganz klein war. Da wir aber auch schon oft Konzerte in Leipzig gespielt haben damals, war uns die Stadt schon immer ziemlich nahe. Sie war schon immer vorneweg, auch schon in der ehemaligen DDR ein Zentrum für neugierige Musikliebhaber.

Und das WGT ist einfach ein unvergleichliches Event und kein normales Festival. Die ganze Stadt wird bespielt, nicht nur mit Musik, es gibt Lesungen, es gibt Mode, es gibt Performance alles Mögliche. Und das tagelang immer an Pfingsten, in der ganzen Stadt, von kleinsten Veranstaltungsorten bis hin zur riesigen Agrarhalle und ich glaube diese Einzigartigkeit, die ist es, was die Leute fasziniert aus der ganzen Welt anreisen lässt. Ich glaube, dass das WGT weiter hin bestehen wird, weil es kaum etwas Vergleichbares gibt.

Ernst: Ja also ich kannte das eben nur so vom Hörensagen erstmal und auch dieses Durcheinander der Anfänge. Da gab es schon viele Debatten um Satanismus-Vorwürfe und rechtsradikale Bands und alles, was so mit der Szene am Anfang irgendwie noch verbunden worden ist von Leuten, die das nicht mochten. Leipzig fand ich bereits in der DDR spannend. Ich arbeitete am Theater, und das war schon damals der Ort, an dem Künstler noch am ehesten mal die Grenze überschreiten durften. Das heißt, wir hatten am Theater und auch in der Oper immer wieder mal Regisseure, Sänger usw. aus der DDR und vor denen hatte man erst mal Respekt, weil sie handwerklich gut ausgebildet waren. Ich fand die Kommunikation mit Sachsen immer ganz wunderbar, ich weiß nicht warum, es ist einfach so etwas Chemisches.

© Joerg Grosse-Geldermann

Meinst du, die anfänglichen, kritischen Debatten sind jetzt nicht mehr da?

Ernst: Nicht mehr in dem Maße. Anfangs war es neu und es gab immer ein paar, die mit besonders radikalem Benehmen oder Image irgendwelche Quoten erreichen wollten und sich damit profilieren. Aber einiges ist schon lange vorbei. Gott sei Dank.

Bleibt ihr übers gesamte Festival hier?

Alexander: Wir sind gestern aus München angereist, heute ist Auftrittstag und morgen werde ich mir noch ein bisschen was anschauen, in die Atmosphäre eintauchen und bei dem schönen Wetter einen angenehmen Ausklang genießen.

Ernst: Es ist auch schön hier, ich habe mir gestern Qntal angeschaut, das ist ja auch eine alte Verbindung von mir. Es hat mich sehr gefreut, dass es bei denen so gut klappt und die Sängerin, die lange Zeit krank war, jetzt wieder so wunderbar auf der Bühne singt. Das war sehr schön.

Welche weiteren Konzerte stehen noch an?

Ernst: Wir spielen in Polen in Bolkóv und auf dem Amphi Festival, dann in Vierer-Besetzung mit Band.

Alexander: Zusätzlich sind gegen Ende des Jahres noch Akustik-Auftritte im Planetarium in Berlin geplant.

Wie groß ist eure Fangemeinde in anderen Ländern?

Alexander: Wir haben das mal aufgelistet bekommen, wir haben in circa 30 Ländern gespielt, in ganz Europa, in Russland, China, Mexiko also wir haben überall Menschen, die unsere Musik mögen.

Habt ihr eine besondere Erinnerung an eines eurer Konzerte?

Ernst: Ich bin immer mit meiner Technik verheiratet auf der Bühne und da bleibt mir meist in Erinnerung, wenn irgendwas kaputtging oder vielleicht, auch wenn mal alles einwandfrei läuft.

Alexander: Oftmals ist es die positive Energie drumherum. Auch Veranstalter, die nicht nur zum Konzert einladen, sondern auch drumrum einen kennenlernen wollen, dir die Stadt zeigen und einfach diese Gastfreundschaft ist prägend. Ob das in Moskau oder Mexiko City und Athen war, es ist dann gleich ein bisschen wie Urlaub.

Vor allem unser letzter großer Trip in Mexiko letztes Jahr, nach der Corona-Pause, war umso schöner. Diese Euphorie im Publikum … Dann weißt du, warum du immer noch nach so vielen Jahren und Jahrzehnten auf der Bühne stehst.

Wie war für euch die Coronazeit?

Alexander: Wir wurden mitten in der Produktion des letzten Albums „Dual“ erwischt. Die Hälfte war aufgenommen und sollte 2020 zum Abschluss kommen, aber dann mussten wir natürlich erst mal eine Pause machen und abwarten. Unsere Tournee wurde verschoben, nochmal verschoben, dann gab es Einzelauftritt ohne Publikum nur mit Kameras und solche Sachen. Da hat man auch Erfahrungen gesammelt, die kurz interessant sind, aber die ich nicht wiederholt haben möchte. Umso schöner war es jetzt endlich diese Dual Tour zu spielen, vor Publikum, auf Tour zu sein und im Nightliner von einer Stadt zur anderen zu fahren. Einiges, was vor der Pause zur Routine gehörte, hat auch wieder eine neue Qualität gefunden.

Ernst: Ja, das war eben eine Zeit wo man zu Hause blieb und sich überlegt hat das Studio zu putzen. Für mich war es ok, aber ich habe natürlich Mitgefühl mit Menschen, denen es schlechter ging. Firmen sind pleitegegangen und so weiter.

Wie hat sich das WGT mit den Zeiten so verändert?

Alexander: Mir ist aufgefallen, dass sich die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verändert hat. Es ist inzwischen ein gesellschaftlich weit akzeptiertes Event, ein Festival, das jeder kennt. Die Stadt unterstützt es seit Jahren schon. Die paar Medien, die früher nur sensationsheischend über Gothics als sogenannte „Sarg-Schläfer“ und „Friedhofswandler“ schrieben, sind jetzt breiter gefächert, etablierte Medien, wie die ARD und Privatsender sind dabei und berichten positiv. Man akzeptiert das Wave-Gotik-Treffen als DAS Leipziger-Event an Pfingsten! Man spürt, dass es von den Leipzigern angenommen wird, als etwas, das die Stadt auch besonders macht und ihr sehr viel Geld in die Kassen spielt. Das muss man auch mal so sehen, denn all die Besucher sorgen dafür, dass Leipzig natürlich unterstützt wird.

Was wünscht ihr euch für eure Zukunft?

Alexander: Wir haben so viel erreicht und freuen uns immer, wenn sich was Neues und Schönes ergibt. Wie zum Beispiel jetzt im Berliner Großplanetarium zu spielen. Da hat der Chef des Planetariums eine besondere Installation entwickelt, weil er wohl von Jugend an ein Lakaien-Fan war. Mit einer neuen 4 D Technik wird dieser Abend visuell erarbeiten in Absprache mit uns und wir werden unsere Musik dazu spielen dürfen. So kann es weiter gehen.

www.deine-lakaien.com | Instagram: @deinelakaienofficial