„Ich will zeigen, dass ich nicht nur der Joel mit den Balladen bin.“ Interview: Joel Brandenstein

Joel Brandenstein hat eine Stimme, die unter die Haut geht. Der Sänger hat 2011 das aufstrebende Social-Media-Zeitalter perfekt genutzt. Dank YouTube konnte er sich mit gefühlvollen Balladen in die Ohren seiner Fans singen. Heute begeistert Joel Brandenstein mehr als eine Millionen monatliche Hörer:innen  auf Spotify und spielt ausverkaufte Konzerte in ganz Deutschland. 2023 bringt er mit “Schwarz & Bunt” sein neues Album raus, auf dem wir eine ganz andere Seite des Künstlers kennenlernen dürfen. Wir haben mit ihm über seine Anfänge und die neue Musik gesprochen.

Nach fast zweieinhalb Jahren bekommen wir am 3. Februar endlich ein neues Album „Schwarz & Bunt“. Was hat es mit dem Namen auf sich?

Das ist jetzt mein drittes Album und bei dem war es mir wichtig, auch mal eine neue Seite zu zeigen. Schwarz steht für die organischen Balladen, für die ich bekannt bin. Emotionale und tiefgründige Songs, die in erster Linie mit Klavier, Cello und Geige eher minimalistisch gehalten sind. Die bunte Seite steht für alles andere, da sind auch Songs dabei, die man so von mir wahrscheinlich eher nicht erwarten würde. Ich finde, gerade beim dritten Album ist es wichtig, sich auch als Künstler zu überlegen, welche musikalische Seite man noch nicht gezeigt hat. Und das habe ich, glaube ich, ganz gut geschafft. So ist dann der Name entstanden. Deswegen ist das Album Cover in eine schwarz-weiße und eine bunte Seite geteilt. Das gibt, denke ich, das Thema des Albums ganz gut wieder.

Joel Brandenstein
© Vincent Franken
Selten ist der Ausnahme Künstler ohne sein Markenzeichen unterwegs: Die Kopfbedeckung.

Bunt steht quasi für das Neue, das du musikalisch ausprobiert hast?

Ja, genau. Da sind Songs dabei, die vom Arrangement fast in die Richtung Hip-Hop gehen oder auch Dance-Elemente haben. Einfach mal ein bisschen weg von den reinen Balladen. Mein Herz schlägt aber weiterhin für Balladen, die sind schließlich mein Steckenpferd. Aber natürlich kann ich auf einem Konzert von zwei Stunden nicht nur traurige Balladen spielen. Das wäre auch für mich als Künstler nicht befriedigend. Gerade als ich anfing live zu spielen, habe ich das gemerkt. Damals hatte ich vielleicht zwei Songs, die so ein bisschen nach vorne gingen. Da ist mir aufgefallen, wie wichtig das ist und auch mehr und mehr meine Leidenschaft für schnellere Songs entdeckt. Mit Schwarz & Bunt habe ich, denke ich, einen ganz guten Kompromiss gefunden. Mit der schwarzen Seite bleibe ich mir und den Balladen treu. Die bunte Seite ist etwas Neues. Ich will zeigen, dass ich nicht nur der Joel mit den Balladen bin. Einer, der eben nicht nur in eine Schublade passt.

Es sind bereits fünf der Tracks vom Album veröffentlicht worden, werden wir noch weitere vor dem 3.2. zu hören bekommen?

Ja, der Plan ist, dass im Januar noch eine Single kommt und dann zur Albumveröffentlichung ebenfalls noch eine. Also, zwei Singles sind noch geplant.

Was hat dich zu Schwarz & Bunt inspiriert?

Als mein letztes Album rauskam, musste ich die Tour mehrfach verschieben. Bis auf einmal hatte ich nie die Möglichkeit, das Album live zu spielen. In der Pandemiephase habe ich dann die Zeit genutzt: War viel zu Hause und im Studio, um Songs zu schreiben. Beim späteren Anhören habe ich gemerkt, wie unterschiedlich die Songs sind. Da habe ich lange nachgedacht, wie ich das am besten unter einen Hut bekommen soll. Dabei ist der Gedanke der zwei Seiten entstanden. Als Künstler sollte man immer darauf bedacht sein, dass alles, was das Album betrifft, einen roten Faden hat. Da habe ich festgestellt, dass es für mich der beste Weg wäre, allen Songs den Raum zu geben, alle Songs, die ich am meisten gefeiert habe, aufs Album zu packen. Es bunt zu gestalten. Dieses Konzept quasi als Überschrift zu nehmen, damit die Leute verstehen, was es damit auf sich hat. Wenn man das Album einfach so durchhören würde, wüsste man, glaube ich, nicht genau, wie es einzuordnen ist. So habe ich dem ganzen einen guten Rahmen gegeben, dass verstanden wird, was mir bei dem Album wichtig ist.

Wie war der Schaffensprozess des Albums und wie lang hat es gedauert, bis du dein fertiges Werk in den Händen hattest?

Das war schon ein Zeitraum von über zweieinhalb Jahren, in dem die Songs entstanden sind. Bis es dann zur finalen Produktion ging, hat es auch noch mal gedauert. Ich habe bei diesem Album mit komplett neuen Produzenten gearbeitet. Was mir wichtig war, um auch mal aus meiner Komfortzone herauszugehen.

Deine bisherige Karriere war nicht immer leicht. Du bist ein SelfmadeKünstler und hast nichts geschenkt bekommen. Gehen wir mal ganz an den Anfang: Wie kamst du überhaupt zur Musik?

Also damals, so mit 6/7, hatte ich Klavierunterricht und war auch super happy damit. Ich hatte eine ganz tolle Lehrerin. Da ich eher so ein autodidaktischer Typ bin, also ich habe es schon in der Schule gehasst, nach einem Buch zu arbeiten. Ich habe eher so mein eigenes Ding gemacht und viel gezeichnet. Meine Lehrerin hat das verstanden. So habe ich nie nach Noten gespielt, sondern sie hat es mir vor- und ich ihr nachgemacht. Als ich einen neuen Lehrer bekommen habe, bei dem nur nach Buch gearbeitet wurde, habe ich schnell abgeschaltet. Dank dem Verständnis meiner Mutter konnte ich dann mit dem Unterricht aufhören. Zu Weihnachten hatte ich einmal ein Keyboard bekommen, auf dem ich immer mal wieder rumgeklimpert habe. Doch das ist dann irgendwann im Keller verschwunden. Ungefähr 2006 habe ich dann mit meiner Ausbildung zum Industriekaufmann begonnen, die ich mehr schlecht als recht hinter mich gebracht habe. Hat sich aber trotzdem gut angefühlt, weil ich meiner Mutter sagen konnte, dass ich meine Ausbildung abgeschlossen habe. Doch wurde ich von meinem Betrieb nicht übernommen und war erst einmal arbeitslos. Da habe ich mir die Frage gestellt: Soll ich jetzt Bewerbungen schreiben und irgendwo im Büro sitzen oder stell ich mir lieber die Frage, was ich überhaupt mit meinem Leben anfangen möchte, was mich beruflich gesehen glücklich machen würde?

Joel Brandenstein
© Silvana Madamski

Und wie ging es dann weiter?

Dann lief alles ganz natürlich. Ich habe mein Keyboard wieder aus dem Keller geholt, in mein Zimmer gestellt und wieder angefangen, zu spielen. Irgendwann habe ich angefangen, zu einer Melodie zu singen und erste Texte zu schreiben. Das war für mich so ein magischer Moment, in dem ich gemerkt habe, da passiert irgendetwas mit mir. Dann habe ich mir eine Kamera gekauft und mein erstes Video online gestellt. Als ich gemerkt habe, dass es den Leuten gefällt, was ich da mache, habe ich einfach immer weitergemacht. Ohne dabei zu überlegen, wo das hinführen könnte. Ich habe gar nicht gemerkt, wie meine Fanbase von Woche zu Woche größer wurde. Irgendwann habe ich mich dann mit dem Traum auseinandergesetzt, dass ich davon leben könnte, ohne dabei auf das Geld von meiner Mutter angewiesen zu sein. Sie war diejenige, die mich immer supportet hat. Sie hat mir Geld geliehen, damit ich mir ein vernünftiges Mikrofon und eine Kamera kaufen konnte. Ohne meine Mutter wäre es echt schwierig geworden, sie hat mir immer den Rücken freigehalten. Ich habe einfach gemacht, ohne groß nachzudenken.

2011 hast du deine Karriere auf YouTube gestartet. Wie bist du von den Coversongs zu deinen eigenen Songs gekommen?

Es war mir immer wichtig, die Songs so zu ändern, dass sie für mich gepasst haben. So habe ich es geschafft, dass die Leute mich nie als Cover-Sänger wahrgenommen haben. Als ich meinen ersten eigenen Song rausgebracht habe, ist der direkt in die Charts eingestiegen. Er hat alle Rekorde gebrochen, die ich selbst mit meinen Covers nicht geschafft habe. Obwohl ich da auch schon super Zahlen bei YouTube, Facebook und so hatte. Das war für mich wie ein Ritterschlag. Es hat mir gezeigt, dass ich auch mit meiner eigenen Musik weitermachen und erfolg­reicher werden kann. Irgendwann war einfach der Moment gekommen, an dem die Leute meine Musik wollten.

Wie lief der Start ins Musikgeschäft für dich ab?

Viele sind auf mich aufmerksam geworden, weil ich auf einmal in den Charts war. Dann habe ich mich mit allen großen Labels getroffen, bin aber ohne Vertrag nach Hause gefahren. Ich wollte erst einmal ohne Label weitermachen. Als es dann mit der ersten Tour und dem Album losging, kam ich um diesen Schritt jedoch nicht herum. Damit fingen dann auch die ersten Probleme an. Wie jeder junge Künstler unterschreibt man einen Vertrag, liest sich den noch nicht mal richtig durch. Stellt dann aber fest, dass man gar nicht glücklich werden kann, da Verträge einen in seiner Freiheit einschränken können. Mit viel Glück habe ich es geschafft, da rauszukommen und mein eigenes Label zu gründen. Den Support übernimmt Sony, aber ich kann alles komplett selbst entscheiden. Konnte ich damals auch schon, zumindest was die Musik betraf. Aber andere Sachen haben mich zu sehr eingeschränkt, auch vom Kopf her. Am besten funktioniere ich, wenn ich komplett frei bin. Wenn ich frei nach Bauchgefühl Entscheidungen treffen kann.

Was würdest du anderen raten, die überlegen, es dir gleich zu tun?

Den besten Ratschlag, den man geben kann, ist natürlich immer auf sein Bauchgefühl und sein Herz zu hören. Das zu tun, was einem unglaublichen Spaß macht, wie es bei mir mit dem Singen und Klavierspielen war. Wenn es raus muss, dann zeig’ es der Welt. Sei dein eigener Fan und mach etwas, das du gerne tust. Einfach machen und schauen, was passiert. Es gibt viele gute Musiker: Die einen schaffen es mit dem einen Song zur richtigen Zeit; andere, manchmal sogar bessere, haben vielleicht nie diesen einen Song der Türen öffnet. Das hat viel mit Glück zu tun. Einfach immer weitermachen und nicht aufgeben. Bis zum Erfolg kann es manchmal Jahre dauern. Am Anfang sollte man nicht zu hohe Erwartungen haben. Meine ersten Videos haben auch nur ein paar Hundert Leute gesehen, aber das hat mir gereicht weiterzumachen. Der Antrieb sollte nie sein, der eine große Star zu werden, sondern eher, dass man das, was man selber liebt, den Menschen da draußen zeigen will.

Am 25. Februar kommst du mit deiner Tour nach Leipzig ins Haus Auensee. Gib uns mal eine kleine sneak peak, worauf können sich deine Fans freuen?

Wir haben auf jeden Fall eine komplett neue Show geplant und sind auch grad schon mitten in den Proben. Es wird alte Songs und neue vom Album Schwarz & Bunt geben. Was ich auf jeden Fall verraten kann, ist, dass jeder, der schon mal auf einem Konzert von mir gewesen ist, danach sagt, es war anders, aber trotzdem auch vertraut. Es wird den Leuten sehr gefallen, was wir auf die Beine gestellt haben. Im Haus Auensee bin ich tatsächlich 2017 schon mal gewesen. Es ist eine tolle Location und ich freue mich wahnsinnig darauf. Leipzig ist allgemein eine Stadt, in der ich sehr gerne gespielt habe und in der ich viele tolle Fans habe.

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