Buchladenbesitzer Kosai über Plagwitzes ehem. tote Hose, "Das Kapital" und über Sklaven der Maschinen 7 Fragen an Kosai von der „Buch & Antik Volksbuchhandlung“

Die meisten Bücher gibt’s bei Kosai für 1€. Kosai ist der Ladeninhaber des „Einmal-eingetreten-und-Stunden-den-Kopf-versunken“-Ladens in Plagwitz. Wir sprachen mit ihm über Plagwitzes ehemalige tote Hose, „Das Kapital“ und über Sklaven der Maschinen.

© Carolin Schreier
 „Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele“ – das verlautet die Fassade der Buch & Antik Volksbuchhandlung auf der Karl-Heine-Straße. Und dieser Buchladen hat Seele! Bücher, Seiten, Sätze und Buchstaben soweit das Auge reicht. Die meisten Bücher gibt’s bei Kosai für 1€. Kosai ist der Ladeninhaber des „Einmal-eingetreten-und-Stunden-den-Kopf-versunken“-Ladens in Plagwitz. Wir sprachen mit ihm über Plagwitzes ehemalige tote Hose, „Das Kapital“ und über Sklaven der Maschinen. 

Steckbrief: Kosai Abd Alrahman 

Geburtstag: fast am Anfang der Zeit

GEBURTSORT Hama, Syrien 

BERUF Ladenbesitzer „Buch & Antik Volksbuchhandlung“

Ladenadresse 
Karl-Heine-Straße 44, 04229

  

  1. Wie verschlug es dich nach Leipzig?

    Ich kam Ende 1985 aus Syrien in die DDR, um zu studieren. Das habe ich auch gemacht – und kann nun auf ein abgeschlossenes Studium der Elektrotechnik zurückblicken. Und nun sieh mich an: Sitzt vor dir nicht ein herrlicher Elektrotechniker? (lacht) Ich wollte, um ehrlich zu sein, nicht als Sklave der Maschinen enden. Und das war nun mal die Entwicklung in eben diese Richtung. Als ich das beschloss, habe ich verschiedene Dinge getan, bis ich irgendwann entschied, meinen Kindheitstraum zu verwirklichen. Und darin sitzen wir nun! Ich wollte schon immer einen Buchladen eröffnen und habe dies 2005 in Plagwitz eben auch getan. 

  2. Plagwitz 2005 vs.
    Plagwitz 2014:

    Wir alle wissen ja um den Hype bescheid. Für mich bedeutet dies natürlich mehr Laufkundschaft. Es kommen halt einfach mehr Leute nach Plagwitz. Vor 10 Jahren noch war hier einfach Tote Hose. Jetzt ist hier mehr Bewegung. Aber diese Tendenz ist natürlich nicht ausschließlich positiv. Indem hier alles gepusht wird, drückt das auch die Mieten nach oben – soweit nach oben, dass du das als normaler Ladenbesitzer kaum bezahlen kannst. 

  3. Hype – Leipzig generell oder gerade Plagwitz?

    © Carolin Schreier
    Ich denke, es ist ein Gesamtleipziger Problem, doch hier ist es momentan extrem. Plagwitz wird hochgepusht in Richtung Kunstszene – und so stromern hier auch viele Touristen lang. Das steht ja sogar in manchen Reiseführern „Geheimtipp Plagwitz“. Ich denke mir immer nur so: ‚Was sucht ihr denn? Hier ist doch eigentlich nichts zum Bestaunen.’ Man muss es leben oder erleben. Vor 10 Jahren war Plagwitz eine richtig spannende Ecke. Erst war es fast leer und dann hat es sich mit vielen jungen, spannenden Menschen – gierig nach Leben und allem – gefüllt. Naja, und diese Studenten und so können sich das hier einfach kaum mehr leisten. Momentan ist für Zuzügler wie vor 10 Jahren kein Platz mehr. Nicht hier. 

  4. Und du? Kannst du das noch halten?

    Bis jetzt geht es noch. Ich habe einen netten Eigentümer, doch weiß ich nicht, wie lange er da mitmacht und diese Immobilie vielleicht nicht an den Höchstbietenden verkauft. Sollte das der Fall sein, bin ich raus. Die zwei- oder dreifache Miete kann ich mir nicht leisten – und das ist Gang und Gebe. Einen Plan B? Gibt’s nicht. Das darf einfach nicht passieren. Es benötigt einfach so viele Jahre, Kundschaft aufzubauen. Mittlerweile kommen Leute von weit weg zu mir, weil sie wissen, bestimmte Bücher gibt es nur bei mir. 

  5. Welche Bücher sind das?  

    Ich habe ein tolles Repertoire an Büchern aus DDR-Zeiten, u.a. Schul- und Kinderbücher  und auch Marxismus-Leninismus Bücher. Wonach auch immer gefragt wird, ist „Das Kapital“ von Marx. Diese Nachfrage besteht seit der Finanzkrise (lacht). Auch biete ich ja viele fremdsprachige Bücher an – russisch, französisch, arabisch … Die Bücher in meinem Laden habe ich von Händlern gekauft, auf Flohmärkten, aber auch durch Kundschaft. Außerdem findet man die eine oder andere antike Kleinigkeit – meiner Meinung nach Kulturgeschichte – und Platten gibt’s bei mir auch. 

  6.  Kannst du dich noch an das erste Buch erinnern, welches du bewusst gelesen hast?

    © Carolin Schreier
    Das war ein arabisches Buch. Und das war eine Art „Die Abenteuer des Till Eulenspiegel“. Da war ich in der zweiten Klasse und habe nun gerade das Lesen gelernt und mir vom ersten Taschengeld dieses Buch gekauft.

  7. Hat das Buch noch Zukunft?

    Ein Buch in der Hand zu haben, wird immer seinen Wert haben. Ich glaube, das Buch wird ewig bleiben.