Wo Vergangenheit und Gegenwart sich die Hand reichen Ausstellung: „Re-Connect.“

Bis zum 10. September zeigt das MdbK eine Sonderausstellung zur Einwanderungsge­schichte der DDR und den damit verbundenen Folgen. In drei Teilen verarbeitet „Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland“ Zuwanderungserfahrungen in die DDR, Familiengeschichten und die immer noch aktuelle Debatte um Rassismus im Osten.

© Alina Simmelbauer

Nachdenklich und Schwermütig

Die Treppen nach unten, dann betreten die Besucher:innen die neue Ausstellung des Museums für bildende Künste. Bei Re-Connect werden die weißen Wände des Gebäudes belebt durch insgesamt 80 Werke. Im ersten Teil findet man Künstler:innen aus der ehemaligen DDR. Dank der damaligen Kulturpolitik studierten viele von ihnen an Kunsthochschulen, unter anderem in Leipzig. Andere Künstler:innen flüchteten aus ihren Heimatländern und fanden Zuflucht in der DDR. Unter ihnen auch Mona Ragy Enayat. Die in Kairo geborene Künstlerin studierte im Rahmen eines Auslandsstipendiums Malerei, Grafik und Buchillustration an der HGB in Leipzig. Ihre Werke, die bei Re-Connect zu sehen sind, beschäftigen sich eindrucksvoll mit Heimatgedanken und dem Ich. Titel wie „Ich bewege mich – Was ist normal?“ und „Ich weiß, dass ich ohne Heimat bleibe. Ich weiß, dass ich mein eigenes Schicksal bin.“ regen mit kraftvoller Darstellung und Dynamik zum Nachdenken an.

© Mona Ragy Enayat

Nicht weit von ihren Werken wird Solomon Wija ausgestellt, dessen Lebenslauf viele Ähnlichkeiten aufweist. Der heute freischaffende Künstler floh in den 80ern vor der kommunistischen Militärdiktatur in Äthiopien und landete eher zufällig in Leipzig. Seine Werke in Re-Connect sind expressiv und abstrakt; vor allem das Gemälde „Erster Sein“ beschwört eine beinahe bedrohliche Einsamkeit herauf. Wija selbst sieht sich in keiner künstlerischen Tradition, tatsächlich erinnert er sich an seinen Werdegang in der DDR wie folgt: „Ich habe mich weit wegbewegt vom sozialistischen Realismus. Als Ausländer hat man mich in der DDR zum Glück in Ruhe gelassen. Es konnte kaum einer etwas mit mir anfangen.“

In einem weiteren Ausstellungsraum widmet sich das MdbK der künstlerischen Nachwuchsförderung. In dieser Gruppenausstellung präsentieren sich junge Kunstschaffende mit (post-)migrantischen Biografie-Bezügen zur DDR. Arbeiten wie „12 Prozent“ von Minh Duc Pham und „Gariás Tochter“ von Alina Simmelbauer versuchen, verlorene und vergessene Erinnerungen in das Jetzt zu tragen. Es entsteht ein schwermütiges Gefühl, verweilt man vor den Schwarz-Weiß-Fotografien, welche versuchen, mit bunten Bildern zu verschmelzen; die Vergangenheit und Gegenwart Hand in Hand und trotzdem getrennt durch den Rahmen der Zeit.

Im Osten nichts Neues

© Mahmoud Dabdoub

Für den dritten Teil der Ausstellung sollte man sich Zeit nehmen. Hier wird mittels Videomaterial aus dem Archiv und Fotografien von Mahmoud Dabdoub durch das Thema Rassismus und Lebensverhältnisse der Vertragsarbeiter:innen in der DDR geführt. Auf Plakaten und in Interviews erzählen ehemalige Gastarbeiter:innen vom ersten Eindruck im neuen Land, von Erwartungen und Träumen, aber auch von Enttäuschungen. Einschlägig behandelt Re-Connect hier die Zwischenfälle vom September 1991 in Hoyerswerda, bei denen es zu rassistisch motivierten Angriffen auf ein Vertragsarbeiterheim und ein Flüchtlingsheim kam. Darüber hinaus kristallisiert sich das Unverständnis über das „Weggeschoben-Werden“ in unzähligen Interviews heraus und Zuhörer:innen können deutliche Parallelen zur heutigen Asylpolitik ziehen.

Gleichzeitig geht es aber auch um das Aufwachsen in der sächsischen Provinz, erzählt von BIPoC. Wie beeinflusste das Bildungssystem der DDR die heutigen Sichtweisen auf das Selbst und dessen Philosophie? Bleibt die Identität weiterhin geprägt durch ein nicht mehr bestehendes System? Wo liegt der Schnittpunkt zwischen den Feminismus-Diskursen der DDR und des heutigen Gesamtdeutschlands? Bei den hier gezeigten Debatten gibt es meist keine einfachen Antworten. Alles, was die Besucher:innen tun können, und was die Ausstellung fördern möchte, ist, zuhören und eine neue Verbindung zur Vergangenheit schaffen.

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