Das Museum der bildenden Künste zeigt das beeindruckende Werk von August Sander, der Vorreiter für die moderne Portraitfotografie war. Wir haben einen Blick in die Ausstellung geworfen und uns von den atemberaubenden Bildern fesseln lassen.
„Das Wesen der gesamten Photographie ist dokumentarischer Art“, sagte August Sander in einem Vortrag, den er 1931 im Westdeutschen Rundfunk gehalten hat, und formulierte damit den Leitsatz, der maßgeblichen Einfluss auf seine gesamte fotografische Arbeitsauffassung hatte. Sander, der am 17. November 1876 in Herdorf als Sohn eines Grubenzimmerhauers geboren wurde, kam bereits als Heranwachsender in Kontakt mit der Fotografie. Nach seiner Zeit beim Militär folgte eine Ausbildung zum Fotografen in Trier mit anschließender Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Berlin, Magdeburg, Halle und schließlich auch nach Leipzig führte. Nachdem er mehrere Jahre in Österreich lebte und dort ein eigenes Fotografiestudio hatte, verschlug es ihn, nur wenige Jahre vor dem Beginn des ersten Weltkrieges, nach Köln, wo erste Arbeiten für sein späteres, monumentales Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ entstanden.
Sanders Anliegen war es, typische Repräsentanten der verschiedenen Berufsgruppen und gesellschaftlicher, sozialer Schichten mit seinen Fotos abzubilden. Dazu fertigte er über 600 Aufnahmen unterschiedlichster Menschen an, bei denen ihm der ästhetische Wert ebenso wichtig war, wie die dokumentarische Neutralität. Ausschnitte dieses Werkes wurden erstmalig 1927 in einer Kölner Ausstellung gezeigt und später wurde daraufhin der Bildband „Antlitz der Zeit“ veröffentlicht, der eine Vorschau auf „Menschen des 20. Jahrhunderts“ darstellte. Schon damals erregte das Werk großes Aufsehen, da es ihm gelungen war, ein Gesellschaftsportrait seiner Zeit abzubilden und es zugleich stilprägend für Portraitfotografie im Allgemeinen war. Nur wenige Jahre später wurde ihm ein Auslieferungsstopp des Buches erteilt und schließlich erfolgte die Vernichtung der Druckstöcke durch die Nationalsozialisten.Als August Sander 1961 einen Kulturpreis verliehen bekam, beschloss er zwei Jahre später, eine Auswahl von 70 Portraits zusammenzustellen und in vergrößerten Abzügen zu präsentieren.
Diese Portraits sind in der Ausstellung zu sehen und fesseln die Betrachtenden mit ihrer schonungslosen Ehrlichkeit gleichermaßen wie mit ihrer dokumentarischen Ästhetik.
Sei es des Bildnis des Studienrats von 1925, der typisch für Lehrer des frühes 20. Jahrhunderts mit einer Strenge daher blickt, oder auch die Fotografie des evangelischen Geistlichen von 1928, der mit Nickelbrille, Talar und ernster Miene fast einschüchternd wirkt – Die Fotografien zeigen Stereotype unterschiedlichster Menschen, unabhängig von gesellschaftlicher und sozialer Schicht und Religion, die teilweise an Aktualität nicht verloren haben. Besonders Eindrucksvoll sind die Bilder der „einfachen Leute“, wie zum Beispiel das eines Bauernpaars von 1912, das den Untertitel „Zucht und Harmonie“ trägt. Er, auf einem Stuhl sitzend und die Hände über einen Gehstock gefaltet, durchbohrt mit seinen hellen Augen gefühlt den Betrachtenden und die schmalen Lippen mit den leicht herabhängenden Mundwinkeln verleihen dem Gesicht eine Art von Mürrischkeit. Doch viel eindrucksvoller sind seine Hände, die von schwerer Arbeit gezeichnet sind und durch die dicken Gelenke fast eine karikaturistische Anmutung haben.
Solche Details, wie die Emotionen in den Augen, die massiven Falten in den Gesichtern oder auch die intuitive Körperhaltung der gezeigten Personen, sind das, was die Bilder von August Sander zu etwas ganz Besonderem machen. Alles ist unverfälscht und nichts wird beschönigt, was gerade im Kontext der Zeit, zu der die Bilder aufgenommen wurden, besonders interessant ist. Die Spuren des ersten Weltkriegs sowie der Weltwirtschaftskrise und der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit sind in manchen Portraits deutlich in den Gesichtern zu erkennen, ebenso wie die harte, körperliche Arbeit, die viele Menschen verrichtet haben und die damals vorherrschende Strenge.
Trotzdem haben die Bilder eben durch ihre Ehrlichkeit eine besondere Wirkung und die Charaktere und Gefühle der gezeigten Personen ist förmlich spürbar. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der die Portraitfotografie durch Instagramfilter, Photoshop und dem ständigen Drang zur Selbstoptimierung bestimmt wird, ist die Ausstellung ein Apell an die Authentizität und Ehrlichkeit der (Selbst)Darstellung in Portraits.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2.12. im Museum der bildenden Künste zu sehen | Tickets 10 €, ermäßigt 7 €