Einer muss es ja machen Bauvorhaben Markthalle

Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz soll eine Markthalle entstehen. Fatih Demirbas (Renkli) will dieses Bauvorhaben verwirklichen.

Seit fast 80 Jahren liegt der Wilhelm-Leuschner-Platz brach. Bereits 2017 verabschiedete die Stadt Leipzig einen Masterplan für die Gestaltung des Areals, der auch den Bau einer Markthalle vorsieht. Einer, der schon lange von solch einer Markthalle in Leipzig träumt, ist Fatih Demirbas (Inhaber vom Renkli). Der Gastronom hat lange an einem ökologischen, urbanen Konzept getüftelt und könnte schon bald vom Visionär zum Bauherren werden.

© Anne-Katrin Hutschenreuter | Robert Strehler

Fatih Demirbas ist 32 Jahre alt und in Quedlinburg aufgewachsen. Nach der Schule studierte er Weinwirtschaft und arbeite anschließend in Hamburg für einen Weinversand-Händler. Dort wurde ihm jedoch schnell klar, dass er sich selbst nicht in der Rolle eines kleinen Zahnrädchens eines großen Konzerns sieht, dass er sich stattdessen selbst verwirklichen muss und eigene Konzepte braucht. 2015 zog Fatih schließlich nach Leipzig. Ein Jahr später eröffnete er am Anfang der Karli das Renkli, denn „wer nichts wird, wird Wirt“, so Fatih. Vier Jahre lang war er selbst Dreh- und Angelpunkt im Renkli, das bereits von mehreren Gourmet-Magazinen zu den besten Weinbars in Deutschland gezählt wurde, war gute Seele, Kellner und Inhaber in einem – ein waschechter Wirt eben. Nicht zuletzt deshalb ist Fatih in Leipzig mittlerweile wohl so bekannt wie ein bunter Hund, oder besser gesagt wie ein renkli Hund (renkli ist türkisch und bedeutet bunt bzw. farbenfroh).

Seit geraumer Zeit schon feilt Fatih nun an einer neuen Idee, denn Projekte treiben ihn an und sind für ihn wie der Wein in seinen Adern. Seinen Posten als Betriebsleiter des Renklis hat er kürzlich an seinen Gründerkollegen Younis abgetreten, um Platz für frischen Wind zu schaffen und um sich künftig größeren Projekten widmen zu können. Das Renkli soll jedoch auch weiterhin sein Wohnzimmer bleiben, verrät er uns; und Inhaber bleibe er ohnehin, so Fatih.

Im Blickfeld des Gastronomen steht seit einiger Zeit der Wilhelm-Leuschner-Platz. Als Fatih 2015 nach Leipzig zog, wunderte er sich über diese riesige Brachfläche im Zentrum der Stadt und war fasziniert von der Idee, den Platz mit einer Markthalle wiederzubeleben. Damals wusste er noch gar nicht, dass dort einst eine historische Markthalle gestanden hatte, welche im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist. Abgesehen vom Neubau der Propsteikirche St. Trinitatis und der S-Bahn-Station vor wenigen Jahren, ist dort seit Jahrzehnten im Grunde genommen nicht viel passiert, doch das soll sich nun ändern. Bereits 2017 hat die Stadt einen Masterplan für die Bebauung des Areals bestätigt. Jener Plan sieht insgesamt drei Baufelder u.a. für die Errichtung von Wohn- und Geschäftseinheiten, eines 55 Meter hohen Hochhauses, Passagen und Grünflächen sowie den Bau einer Markthalle vor.

„Ich mach’s jetzt aber einfach“ 

Im Zuge dieses Bauvorhabens will Fatih Demirbas nun seine Vorstellungen einer Markthalle realisieren. Lange Zeit haderte er noch mit sich und der Idee, da er sich, nach eigener Aussage, nicht in der Lage fühlte, solch ein Mammutprojekt zu koordinieren und das Projekt tatsächlich anzugehen. „Ich mach’s jetzt aber einfach“, so Fatih im Gespräch mit urbanite. Eine Machbarkeitsstudie seitens der Stadt sei bereits durchgeführt und als positiv bewertet worden sein. Sobald die öffentliche Ausschreibung raus ist, will Fatih perfekt vorbereitet mit seinen Markthallen-Visionen zur Stelle sein. Deshalb hat er bereits ein Team von Expert:innen um sich geschart, ist mit Fachleuten, dem Stadtrat und Architekten im Gespräch, ließ Gutachten erstellen, suchte Investoren und ist gerade dabei, ein detailliertes Konzept auszuarbeiten, dass er der Stadt im Sommer präsentieren will.

Wir waren mit Fatih im Gespräch, um herauszufinden, wie man vom Wein-Wirt zum Markthallen-Bauer wird und um mehr über sein Konzept zu erfahren.

  

Fatih, das Renkli ist ja über die Grenzen Leipzigs hinaus bekannt, wie erklärst du dir diesen Erfolg, was machst du anders?

Ich glaube das liegt daran, dass Wein lange Zeit auch für mich irgendwie spießig behaftet war. Ich habe Wein aber für mich immer anders verstanden. Wein war für mich immer etwas sehr gesellschaftliches und etwas lockeres und ich wollte diese Vision ausleben und die bedeutete, eben nicht so aristokratisch ranzugehen, sondern locker und easy peasy damit umzugehen, um den Leuten auch die Angst zu nehmen und sie in die Welt des Weins zu inkludieren statt sie zu exkludieren. Ich glaube, dass das den Leuten gezeigt hat, dass Wein ja auch einfach was ganz Normales sein kann und dass man auch mit Freund:innen Wein trinken kann, ohne krasse:r Weinkenner:in zu sein. Leuten Wein näher zu bringen, das war vielleicht einfach das Erfolgskonzept.

Deinen Job als Betriebsleiter hast du an deinen Kollegen Younis abgegeben, wieso das?

Diesen Schritt habe ich schon länger vorbereitet. Mir ist aufgefallen, dass ich, je mehr ich gekellnert habe und je mehr Aufgaben ich übernommen habe, desto weniger konnte ich meine Stärken ausspielen, was den freien Geist und die Ideenauslebung betrifft. Es war einfach an der Zeit, dass ich weiter an neuen Projekten schraube und auch der richtige Move, dass Younis, mit dem ich das Renkli aufgebaut habe, dann einfach das Zepter übernommen hat. Mit mir wäre das Renkli einfach nicht mehr besser geworden, denn irgendwann braucht es auch einfach einen neuen Geist, neue Impulse, neue Schritte und Wege, die mit mir nicht mehr passiert wären. Der Laden verdient, dass er weiterlebt und sich selbst auch nochmal neu erfindet. Ich suche immer neue Herausforderungen, das hält mich irgendwie lebendig und das finde ich auch schön. Das Renkli ist immer noch mein Wohnzimmer und jetzt kann ich mich wieder fernab von Arbeit mit meinen Gästen verbinden.

 

© Anne-Katrin Hutschenreuter

Du bist ja eigentlich Gastronom, scheinbar aber auch ein Großdenker. Wie kam es dazu, dass ausgerechnet du eine Markthalle für die prominenteste Brache der Stadt planst?

Ich lebe ja fürs Essen und fürs Trinken und fürs Knutschen und die Markthalle ist für mich eigentlich gar nicht so fernab davon. Ich will einfach nur einen neuen Ort schaffen, wo meine verfressene Art und Weise wieder neuen Raum finden kann und ich glaube, es gibt ganz viele Verfressene so wie mich, und ganz viele Leute, die knutschend und betrunken und schmausend den Abend verbringen wollen.

Wie entstand die Idee zu der Markhalle?

Witzigerweise wusste ich gar nicht, dass dort früher schon eine Markthalle draufstand. Es war einfach ein Initial­gedanke, als ich 2015 dort vorbei ging. Mein Gedanke war nur: Boah was ist das denn für ein geiler Platz, warum ist der nicht belebt und wie geil wäre eine Markthalle. Das war tatsächlich das erste, was ich mir gedacht habe, ohne den Gedanken vorerst zu vertiefen. Irgendwann erst hat sich das dann manifestiert.                

Was versprichst du dir von dem Projekt?

Das Projekt ist auch eine Selbstverwirklichungs­geschichte. Ich sehe mich nicht als Projektentwickler oder als Bauherren, sondern tatsächlich würde ich mir wünschen, Stadtentwicklung zu betreiben. Ich möchte irgendwann da lang fahren und sagen: Ey guck mal, das ist doch was Geiles für die Stadt Leipzig geworden und ein Leuchtturmkonzept. Ich habe tolle Leute mit ins Boot geholt, darunter zwei weltweit führende Architekten für Holzbau. Die Markthalle soll ein komplett CO2-neutrales Gebäude werden und (abgesehen vom Fundament) komplett aus Holz gebaut werden, mit vielen Grünflächen auf dem Dach und drumherum. Ich versuche auch, den Naturschutz mit einzubeziehen, und will keinen 0815-Investoren-Betonklotz dahin stellen, sondern wirklich ein positives Beispiel dafür schaffen, wie Stadtentwicklung gehen kann. Und irgendwer muss es ja machen.

Gibt es schon konkretere Pläne?

Ich träume von einem Dreierlei-Konzept – also drei Hallen in einer. Einmal ein klassischer Marktstand, wo lokale Erzeuger:innen ihre Produkte anbieten können, von Wurst über Käse bis hin zu Obst und Gemüse – so wie man sich einen Markt zum Durchschlendern eben vorstellt. Ich möchte damit auch gar nicht den Markt angreifen, der in Leipzig existiert, die machen einen super Job und das würde sich auch gar nicht wegkannibalisieren. Es soll ein neuer Vertriebsweg für lokale Produkte sein. Zum anderen Teil soll die Halle eine gastronomische Stätte mit einer schönen Bar und mit ein paar Restaurants sein, die ganztägig geöffnet sind. Der dritte Teil soll eine Art „Indiehalle“ werden (so nenn ich das immer gerne), wo es keine bindenden Mietverträge gibt, sondern ein Ort, wo Pop-up Geschichten stattfinden, wo Handwerker:innen und Künstler:innen sind oder wo Musik gemacht werden kann – eine Kreativhalle quasi.

© Marius Mechler

Mit welchen Hürden siehst du dich noch konfrontiert?

Es gibt viele Hürden, die nach und nach bearbeitet werden müssen. Es stehen Gespräche mit der Stadt an, die zum Teil auch schon waren. Es ist eben ein langer Weg, gerade weil die Fläche schon seit 1943 leer steht. Der Platz ist ein hohes Gut mit vielen verschiedenen Interessen. Es gibt verschiedene kritische Punkte, die man auf jeden Fall in Betracht ziehen muss und an denen gemeinsam gearbeitet werden muss.

Und wie geht es jetzt weiter?

Es gibt auf jeden Fall Ende März mit den Architekten und mit verschiedenen Leuten aus der Politik ein Treffen, wo geschaut wird, was sich die Stadt tatsächlich wünscht, sodass meine Architekten das alles auch bestmöglich miteinbauen können, und ich denke, dass ich mit meiner Projektvorstellung samt Visualisierungen und Baukörperstudie etc. bis August 2021 dann fertig werde.

Möchtest du zum Abschluss noch etwas loswerden?

Ich will nen Ort schaffen zum Essen, Trinken und Knutschen, das ist mir das wichtigste für Leipzig.

Nähere Infos zum Masterplan findet ihr hier