Dass das Theater der Jungen Welt (TdJW) in dieser Spielzeit seinen 70. Geburtstag feiert, wird dem Leipziger durch verschiedene Jubiläumsveranstaltungen und -stücke kaum entgangen sein. Zu diesem Anlass wird aber auch das Buch „70 Jahre Zukunft“ herausgegeben, in dem die Geschichte des TdJW mit seinen Erfolgen und Rückschlägen bildhaft dargestellt wird.
Genau wie die Geschichte des Theaters der Jungen Welt ist auch das Buch in vier größere Abschnitte geteilt. Begonnen in der Kongresshalle am Zoo in der Nachkriegszeit, musste sich das Theater nach dem Brand 1989 nach einer neuen Spielstätte umschauen und sich gegen Schauspiel und Oper behaupten. Als Übergang dienten provisorische Orte. Langsam begann das TdJW auch das Jugendtheater, das zu DDR-Zeiten durch die auferlegte Altersgrenze ausgeschlossen werden musste, für sich zu entdecken. 2003 zog das Theater dann an den Lindenauer Markt, wo es gemeinsam mit dem LOFFT eine Theater-WG gründete.
Inzwischen ist das älteste Kinder- und Jugendtheater Deutschlands nicht nur national anerkannt, sondern hat sich auch über die Landesgrenzen hinaus durch verschiedene Gastspiele und Kooperationen einen Namen gemacht. Neben den geschichtlichen Punkten wurden auch Grußworte wichtiger Persönlichkeiten und Interviews u.a. mit dem Intendanten Jürgen Zielinski abgedruckt, zehn besondere Inszenierungen besonders hervorgehoben und auch der Theaterpädagogik wurde ein eigener Platz eingeräumt.
„70 Jahre Zukunft“ arbeitet viel mit Szenenfotos einzelner Aufführungen, die den Hintergrund oder den Rand einer Seite schmücken. Die Texte sind nicht zu lang und erschlagen nicht, außerdem sorgen Grafiken mit bspw. einer Übersicht der Spielorte und Gastspiele für ein besseres Verständnis. Das macht das Lesen einfach, was bei der Thematik nicht unbedingt zu erwarten war. Die einzelnen Epochen der Entwicklung des Theaters werden zusätzlich durch Comics dreier Leipziger Illustratoren verbildlicht.
„Mama, schau mal, der Geist pupst den Nebel!“
Am spannendsten sind die sogenannten „Zwischenrufe“, die nach jedem Kapitel aufgeführt werden. Darin schreiben Personen aus verschiedenen Berufsgruppen von ihren Erinnerungen an das TdJW. So berichten u.a. Lehrer, Schauspieler, Dramaturgen, Erzieher und Journalisten von ihrer ersten Begegnung mit dem Kinder- und Jugendtheater und bestimmten Inszenierungen, die sie in irgendeiner Weise beeinflusst haben. Dabei taucht die eine oder andere witzige Anekdote auf, die oft von Kindern aus dem Publikum geliefert wird – Wie 2002 zur Aufführung von „Ronja Räubertochter“, bei der die „Unterirdische“ im Nebel auftritt und ein Kind: „Mama, schau mal, der Geist pupst den Nebel!“ ruft. Aber auch Pannen, wie eine Vase, die auf der Bühne einfach nicht zerbrechen will, machen das Theater und die dazugehörigen Schauspieler für den Laien menschlich und greifbar.
Natürlich finden sich darunter kaum kritische Anmerkungen, wer sollte es einem Jubiläumswerk auch verdenken. Umso überraschender ist es, wie erstaunlich ehrlich über Jürgen Zielinski geschrieben und seine z.B. manchmal „knarzige und ungeduldige“ Art benannt wird. In „70 Jahre Zukunft“ wurden unter Fleißarbeit Erinnerungen, Aussprüche und geschichtliche Artefakte wie historische Zeitungsartikel oder Bilder zusammengetragen. Interessant, für den Laien vielleicht gelegentlich etwas zu tief in der Materie, aber für Theaterbegeisterte durchaus lohnenswert.
INFOS: Verlag Theater der Zeit • 15€ • ISBN: 978-3-95749-075-9