… so trägt er in diesem Jahr wahrscheinlich zur Verbreitung einer globalen Pandemie bei. Das Coronavirus hat uns gehörig einen Strich durch die Urlaubsrechnung gemacht, und wer verantwortungsbewusst reisen will, der bleibt in diesem Jahr besser im Inland. Inspiration für Weltreisen in Deutschland gibt’s in „Hiergeblieben!“ von Jens von Rooij.
Schwer vorstellbar, dass ein Buch besser in den Corona-Sommer passen könnte als dieses: Festivalpläne fallen ins Wasser, Flüge werden gestrichen, Grenzübertretungen finden fast nur noch metaphorisch statt. Der GU Verlag hat mit „Hiergeblieben!“ einen Reiseführer veröffentlicht, der Abhilfe schaffen möchte: Der Autor Jens van Rooij vergleicht internationale Hotspots mit Orten in Deutschland, die man alternativ besuchen kann. Also: Rhön statt Dartmoor, Walhalla statt Akropolis und Schwarzwald statt Smoky Mountains.
Irgendwo zwischen Anklam und Zella soll es für fast jedes Urlaubsziel ein deutsches Äquivalent geben: Die Saarschleife (Foto) scheint genau so schön wie der norwegische Geirangerfjord zu sein, und Kunstinteressierte können sich nicht nur im französischen Reims, sondern auch in Mainz Chagall-Fenster anschauen. Die Hängebrücke an der Rappbodetalsperre (Foto) streitet sich zwar mit der Charles-Kuonen-Brücke um den Titel der längsten Hängebrücke der Welt, der Ausblick auf den Oberharz kann aber auf alle Fälle mit der Schweizer Brücke mithalten – Schwindelfreiheit vorausgesetzt. Wer Shopping mag, kann den einzigen Ableger der Pariser Galerie Lafayette in Berlin besuchen und in Bad Frankenhausen steht ein Turm, der sogar schiefer ist als der in Pisa. Vor dem posieren auch garantiert weniger Touris ungelenk so, als würden sie ihn mit den Händen ins Lot rücken.
Zugegeben: Nicht alle Reisevorschläge in diesem Buch sind Geheimtipps. Bei einer Hamburg-Reise liegt eine Elbrundfahrt nahe, und die Wartezeit vor dem Miniaturwunderland lässt vermuten, dass auch diese Idee nicht allzu individuell ist.
Gerade für Leipzigerinnen sind die vier Seiten, die unsere (Wahl-)Heimat beschreiben, natürlich nicht neu. Am ehesten überrascht noch die Empfehlung der russischen Gedächtniskirche im Südosten. Ein schönes Gefühl ist es trotzdem, zu lesen, wie „Hiergeblieben“ Leipzig auf vier Seiten abfeiert: Ist das dieses „leben, wo andere Urlaub machen“?
Wem die Stadt doch mal zu voll wird, der findet im Reisebuch auch Ausflugsziele in Leipzigs Umgebung: Wandern auf dem Lutherweg gehört genau so dazu wie ein Besuch von Sachsens schönster Ritterburg bei Waldheim. Gut, Steine und Kilte tragen, Baumstämme werfen und Whiskyfässer rollen sind wirklich eher Special Interest Themen. Trotzdem müssten wir dafür nicht nach Schottland reisen, denn in Trebsen gibt’s einen Ableger der International Highland Games – übrigens nur einen Steinwurf von Leipzig entfernt.
Die ganze Recherche nimmt einem „Hiergeblieben!“ also nicht ab, Inspiration für Reisen hierzulande bietet es aber allemal. Der Hype um den Deutschland-Urlaub ist schließlich auch ohne ganz unabhängig vom Coronavirus absolut berechtigt: Hierzulande gibt es viel mehr als Nord- und Ostsee, die Urlaubsziele sind oft nicht so überfüllt und wer weniger weit reist, schützt ganz nebenbei die Umwelt. Am Ende ist die Botschaft des Buches: Warum in die Ferne schweifen? Und das unterstützen wir allemal.
Das Buch Hiergeblieben! 55 fantastische Reiseziele in Deutschland von Jens van Rooij stammt aus dem Gräfe und Unzer Verlag und ist unter der Marke: Holiday erschienen & umfasst 240 Seiten | ISBN: 978-3-8342-3121-5, 24,99 €