Aus der Reihe "Ein Tag mit ...": Chauffeur der Nacht
Eine Nacht im Taxi
23.11.2015
Lucas Böhme
Taxifahrend durch die Nacht! Wir haben den Leipziger Taxifahrer Jens Altmann auf einer seiner Schichten begleitet.
Kulturliebhaber, Partyvolk, Verrückte, Promis – Jens Altmann kennt sie alle. Seit vielen Jahren chauffiert er seine Fahrgäste im Taxi sicher durch die Leipziger Nacht und weiß genau, worauf es in seinem Beruf ankommt. Und das ist einiges mehr als stupides Lenken einer Maschine. Wir begleiteten ihn auf eine seiner Schichten.
Nach einer Phase der Selbständigkeit führte Altmanns Weg mit Anfang 30 geradewegs ins Taxigeschäft. Die Vielseitigkeit seines Jobs macht für ihn den großen Reiz aus, erzählt er, während der Bordcomputer die nächste Tour vermittelt. Nie weiß man, wie die Nacht verläuft, wo es einen hin verschlägt, wer als nächstes zusteigen wird. Man hilft den Menschen, indem man sie sicher von A nach B kutschiert, und für manch älteren Mitbürger wird der Chauffeur zum Seelsorger. Altmann erinnert sich an eine betagte Dame, die er vom Krankenhaus abholte, in dem ihr Mann gerade verstorben war. „Ältere Fahrgäste sind so dankbar, wenn du einfach mal zuhörst und einen Tipp gibst. Das ist auch etwas, was ich sehr gern mag an dem Job.“ Inzwischen steigen die nächsten Leute in Kleinzschocher ein. Es geht Richtung Zentrum. Altmann plaudert angeregt mit dem netten Pärchen auf der Rückbank, es wird viel gelacht. Seine locker-freundliche Art scheint bei den Kunden gut anzukommen. Das ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Gerade bei Jüngeren hat der Respekt extrem abgenommen, hat der Routinier beobachtet. Es geht beim ungefragten Duzen des Fahrers los –„Dir wird dann eine Adresse an den Latz geknallt, ohne ‚Guten Abend‘ oder ‚Danke’“ – und geht bis hin zu aggressiven Diskussionen um die kürzeste Strecke. Doch Gefahr für Leib und Leben blieb Altmann in seinen vielen Nachtdiensten bisher erspart. Das Äußerste waren drei oder vier Fälle, in denen Fahrgäste die Tür aufrissen und ohne Bezahlung die Beine in die Hand nahmen. „Aber da rennst du nicht hinterher. Du weißt nie, ob irgendwo noch einer lauert. Lieber verzichtet man auf die 15 Euro.“
„Im Zweifel verzichte ich lieber mal auf eine Fahrt“
In der Dunkelheit kommen wir auf die Kehrseite des Taxigewerbes zu sprechen. Altmann erzählt von ignoranten Wildparkern in der City, rücksichtslosem Straßenverkehr, massivem Schwund von Kodex, Kollegialität und Zusammenhalt innerhalb seiner Zunft, „schwarzen Schafen“ mit ihren fragwürdigen Mauscheleien bei der Abrechnung. Und reich wird man in seiner Branche sowieso nicht. Je nach gefahrenen Stunden erzielt man ein Nettogehalt „um die 1.000 Euro“, dazu kommen Trinkgelder. Aber auch hier geizen die Leute zunehmend, im Extremfall garniert mit der Begründung „Sie kriegen doch jetzt Mindestlohn!“ Bei solchen Sprüchen muss Altmann an sich halten. Denn in früheren Zeiten stand er mit Provisionen mitunter deutlich besser da, konnte seine Arbeitszeit zudem flexibel an der Nachfrage ausrichten. Dem Sozialleben tut der Arbeitsrhythmus des Taxifahrers sowieso nicht unbedingt gut.