News: „einfach machen“: Ausstellungseröffnung in der Galerie für Zeitgenössische Kunst

Wer kennt es nicht? Perfektionistische Ansprüche, externe Erwartungen, Funktionieren nach Plan. Das sind wahre Dämpfer kreativer Prozesse, aber auch Komponenten der Lebensrealität von Menschen mit Behinderung – auferlegt durch die vorherrschenden Werte unserer Gesellschaft. Eben jene Menschen wissen am besten, wie damit umzugehen ist, werden aber selten nach ihrer Perspektive gefragt. „einfach machen, Ideen für eine offene Kunstpraxis“ ist die neuste Ausstellung in der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK), die das Kennenlernen von unterschiedlichen Wahrnehmungen und Bedürfnissen in den Fokus rückt.

© Sophia Heinl
Juliana Ortiz bringt Entscheidungen zwischen Optionen auf die Leinwand

Nach der feierlichen Eröffnung am 08. September lädt die GfZK vom 09. September 2023 bis zum 07. Januar 2024 dazu ein, die eigene Perspektive zu wechseln und andere Lebensrealitäten gemeinsam zu erleben. Entstanden durch einen kollektiven Schaffungsprozess werden hier Werke von Künstler:innen mit und ohne Behinderung ausgestellt. Der Neubau der Galerie ist gut bestückt: Hinter jeder Wand wartet ein neues künstlerisches Werk mit Themen wie Gemeinschaft, persönlicher Ausdruck, Entscheidungen und Wahrnehmung. Barbara Antal, Paula Gehrmann, Ella Grzesiak, Michael Grzesiak, Michael Hahn, Bea Meyer, Juliana Ortiz, Steven Solbrig, Katja Schwalenberg, Studierende der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Schüler:innen der Werkstufe der Karl Schubert Schule Leipzig, sowie Schüler:innen der Biesalski Schule Berlin zeigen ab sofort ihre künstlerische Interpretationen.

einfach machen – Ideen für eine offene Kunstpraxis

Die zentrale Botschaft der Ausstellung findet sich dabei unübersehbar im Titel wieder: einfach machen. „Es wird immer etwas Kleber herausquetschen“, so Katja Schwalenberg über Imperfektion im künstlerischen Schaffen. Um ein perfektes Ergebnis geht es hier nicht. Das sieht Bea Meyer ganz ähnlich: Ihr Arbeitsprozess ist vor allem spontan und intuitiv, so auch bei der Herstellung ihrer Knoten. „Manche Sachen wollen auch nicht zusammen. Das ergibt ganz interessante Formen“, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeit. Das Thema „Zusammenführen“ zieht sich von der Vorbereitung, über die Darbietung, bis hin zum Erleben der Ausstellung.

© Sophia Heinl
Bea Meyer sammelt seit ihrer Jugend Material für Kunst. Ein Teil davon wird nun in ihrer fortlaufenden Knoten-Reihe präsentiert

Was braucht eine Familie, um glücklich und zufrieden zu sein? Mit seiner Bude zeigt Michael Grzesiak ein Stück Lebensrealität direkt aus dem eigenen Alltag. In einer künstlerischen Weise hat er damit die konfliktären Bedürfnisse seiner Tochter nach Privatsphäre und gleichzeitigem familiären Zusammensein erfüllt, und einen Raum im gemeinsamen Raum zum Lesen, Schlafen und Musik hören geschaffen. Sein Markenzeichen, die Arbeit zwischen experimenteller Architektur und Kunst, fügt sich dabei nahtlos in die Bedürfnis- und Wahrnehmungs-Perspektiven der Ausstellung ein.

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Michael Grzesiak zeigt sein Werk von allen Seiten

„Ich höre seit 20 Jahren anders.“ beschreibt Michael Hahn seine Lebensrealität, die er mit dem Werk „Bubbles“ an die Galeriebesucher:innen weitergeben möchte. Die Sprechblasen aus Trittschalldämmung werden begleitet von einer Audiodatei mit Ausschnitten der in Deutschland üblichen Hörtests. Was für manche nach einem Wort klingt, ist für andere ein unverständliches Logatom. Mit der multi-sensorischen Darbietung öffnet der Künstler seine Welt des Hörens für Menschen mit anderer Wahrnehmung.

© Sophia Heinl
Michael Hahns „Bubbles“ in der „einfach machen“ Ausstellung

Kunst einfach selber machen

Durch die ganze Ausstellung hinweg fordert „einfach machen“ das traditionelle Kunstverständnis heraus. Ein Kollaborationswerk zwischen Bea Meyer und Ella Grzesiak wurde dabei ganz bewusst nicht eingerahmt, um den lebhaften Schaffensprozess bis in die Ausstellungsräume zu führen. Abwechselnd und gemeinsam haben beide Künstler:innen Linien gezogen, immer nach Ellas kreativer Regie, die bald ein augenscheinliches Eigenleben entwickelt haben. Wer selbst in diesen Prozess eintauchen will, ist in der Galerie am richtigen Ort: Die Ausstellung umfasst einen Atelierraum, der Besucher:innen mit unterschiedlichen körperlichen Bedürfnissen eine Möglichkeit zum eigenen Schaffen und Ausstellen bietet. Gelegentlich werden finden hier auch Workshops statt, wie zum Beispiel für Beas und Ellas Zeichenmethode.

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Bea Meyer erklärt den gemeinsamen Schaffensprozess mit Ella Grzesiak

Für unterstützte Menschen ist es schwierig, eine Arbeit außerhalb der Werkstatt zu finden. „einfach machen“ legt daher ein besonderes Augenmerk darauf, dass alle Menschen zu vielem fähig sind – immer mit dem Hintergedanken, dass trotz des Titels nichts, womit sich in der Ausstellung auseinandergesetzt wird, einfach ist.

Diese und viele andere Werke gilt es noch bis Anfang Januar im Neubau der GfZK zu erleben.