"Enormes Potenzial" Bauprojekt: Eutritzscher Freiladebahnhof

Seit Jahren ist es im Gespräch, ein Masterplan bereits verabschiedet und auch die Bagger rollten bereits an, um das Gelände sprichwörtlich dem Erdboden gleich zu machen. Die Rede ist vom städtebaulichen Großprojekt Nr. 416 am Eutritzscher Freiladebahnhof.

Seit Jahren ist es im Gespräch, ein Masterplan bereits verabschiedet und auch die Bagger rollten bereits an, um das Gelände sprichwörtlich dem Erdboden gleich zu machen. Die Rede ist vom städtebaulichen Großprojekt Nr. 416 am Eutritzscher Freiladebahnhof. Wir waren vor Ort, um uns einen Eindruck von dem Gelände zu verschaffen und haben beim Leipziger Baubürgermeister Thomas Dienberg mal etwas genauer nachgefragt.

© Leipzig 416 Management GmbH
Auf diesem 25 Hektar großen Areal sollen in Zukunft bis zu 3.700 Menschen ein neues Zuhause finden.

Wer in letzter Zeit am Chausseehaus vorbeigefahren ist, mag sich gewundert haben, wo die Aral-Tankstelle und die übrigen Gebäude östlich der Eutritzscher Straße geblieben sind. Bereits im letzten Jahr wurden großflächige Abrissarbeiten auf dem Gelände durchgeführt. Nun türmen sich auf der 25 Hektar großen Brache Schuttberge auf. Bereits 2019 stimmte der Stadtrat dem Masterplan für das Bauprojekt Nr. 416 auf dem Gelände des ehemaligen Freiladebahnhofs Eutritzsch zu. Eigentümerin ist die österreichische Immobilieninvestment-Firma IMFARR. Auf dem innenstadtnahen Areal soll dabei gleich ein ganzer Stadtteil entstehen, der nicht nur den angespannten Leipziger Wohnungsmarkt entlasten, sondern ebenso sämtliche Bedürfnisse seiner zukünftigen Bewohner:innen abdecken soll.

Außerdem wird „mit der Umsetzung des Projektes entlang der Eutritzscher und der Delitzscher Straße, aber auch zur Theresienstraße und zur Berliner Straße die Öffnung und Belebung eines über Jahrzehnte als Bahnanlage, beziehungsweise als unübersichtliche, gewerbliche Fläche genutzten Bereiches erfolgen“, so Baubürgermeister Thomas Dienberg.

Boomtown leipzig

Derartige Erschließungen sind angesichts der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Bevölkerungszahl Leipzigs wohl auch erforderlich. Noch vor zehn Jahren zählte die Stadt rund 517.000 Einwohner:innen. Am 31.03.2021 waren es hingegen 605.203 Menschen mit Wohnsitz in Leipzig – ein Plus von 88.000 Personen und damit ein Anstieg um 17 Prozent in nur einem Jahrzehnt. Das geht aus dem statistischen Bericht der Stadt des ersten Quartals dieses Jahres hervor. Damit war Leipzig im vergangenen Jahrzehnt eine der am meisten wachsenden Großstädte in Deutschland. Dass all diese Menschen irgendwo wohnen müssen, liegt auf der Hand. Dass Wohnraum knapper wird, weil die Nachfrage steigt, haben viele bei der Wohnungssuche schon am eigenen Leib erfahren; von gestiegenen Mietpreisen ganz zu schweigen.

Wohnen und Gewerbe

Aufgrund dieser Entwicklungen wird zunehmend groß gedacht, so auch am Eutritzscher Freiladebahnhof. Dort sollen neben der Schaffung neuer Gewerbeeinheiten ca. 2.200 Wohnungen entstehen, in denen bis zu 3.700 Menschen ein neues Zuhause finden könnten. Laut Baubürgermeister Dienberg „gliedert sich das Gebiet von Westen nach Osten in überwiegend für Büros genutzte Abschnitte, einen Bereich, der in den Erdgeschossen gewerblich geprägt ist und in überwiegend zum Wohnen genutzte Gebiete.“ 30 Prozent der Wohnungen sollen dabei mietpreisgebunden sein. Konkret bedeute dies, so Thomas Dienberg, dass für die zukünftigen Vermieter:innen dieser rund 660 Wohneinheiten ein Zuschuss konzipiert ist.

„Dieser wird bei Neubau von Wohnraum beantragt, unter der Bedingung, dass der Wohnraum mindestens 15 Jahre und höchstens 20 Jahre lang Mietern mit Wohnberechtigungsschein für eine deutlich reduzierte Miete überlassen wird. Ziel ist eine Mietreduktion um bis zu 35 % (max. 3,80 Euro) je Quadratmeter“, so Dienberg.

Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass etwaige Eigentümer:innen diesen Zuschuss auch beantragen und sich den Bedingungen stellen müssen, denn nur dann sind die Mieten auch mietpreisgebunden.

Freizeit, Naherholung und soziale Einrichtungen

Damit sich das neue Stadtgebiet nicht zu einer sogenannten „Schlafstadt“, also einem Ort ohne gesellschaftliches Leben und ohne Möglichkeiten der Freizeitgestaltung entwickelt, soll das Gebiet beispielsweise durch drei Quartiersplätze und wohnungsnahe Freibereiche wie gastronomische Einrichtungen mit Freisitz aufgelockert werden.

Daneben wird die Gemeinde zwei Kitas mit je 150 Plätzen sowie eine Grund- und eine Oberschule samt Sportanlagen für den Innen- wie Außenbereich errichten. Auch ein fünfeinhalb Hektar großer Quartierspark für die Naherholung ist vorgesehen. Der erhaltene und denkmalgeschützte Verladeschuppen soll außerdem für „gemeinbedarfsorientierte Einrichtungen“ genutzt werden, sodass ein „enormes Potenzial für die Entwicklung eines vitalen Quartiers“ bestehe. Genauere Pläne dazu gebe es bisher nicht. Sicher sei dabei nur, dass dieser in das Eigentum der Stadt übergehen werde, so Dienberg.

Fest steht allerdings, dass der bis dato dort beheimatete TV-Club in näherer Zukunft nach über 20 Jahren vom jetzigen Standort in der Theresienstraße ins sogenannte „Gleisdreieck“ umziehen wird, und dass das ehemalige So&So dem Großprojekt bereits zum Opfer fiel. (Anm. d. Red.: Mehr Informationen zum Gleisdreieck erhaltet ihr in unserem im April erschienenen Artikel auf www.urbanite.net). So wichtig die Schaffung neuen Wohnraums auch ist, vor allem dann, wenn es um die Erschließung ungenutzter Flächen geht, so hat Positives meist auch seine Schattenseiten, wie sich zeigt. Das potenzielle Ansteigen des Mietspiegels im Bezirk Mitte durch den Bau tausender Neubauwohnungen könnte eine solche sein. Auch bleibt zu hinterfragen, ob ein durchschnittliches Einkommen später ausreichen wird, sich die 70 Prozent nicht mietpreisgebundener Wohnungen im neuen Stadtteil überhaupt leisten zu können.

Wann geht’s los?

Aus kommunaler Sicht stehen dem Projekt keine Hürden mehr im Weg. Baubürgermeister Thomas Dienberg erklärt, dass „das, was in den kommenden Monaten und Jahren zu tun ist, die Klärung von Fragestellungen auf dem Weg zur Baurechtschaffung ist. Hier gilt es, Antworten zu finden – auf die Anregungen aus der Bevölkerung, von Umweltverbänden, aus der Politik.“ Vonseiten der Stadt gehe man frühestens von einem Baubeginn im Jahr 2024 aus. Zuvor muss für den Bebauungsplan Nr. 416 ein Satzungsbeschluss vorliegen. Ebenso ist „zwischen Vorhabenträger und Stadt ein städtebaulicher Vertrag abzuschließen, der ebenfalls durch den Stadtrat bestätigt werden muss. Dies bildet die Grundlage für die Bearbeitung der Bauanträge“, so Thomas Dienberg.

Mehr Infos zum geplanten Stadtteil gibt es unter www.leipzig416.de