Gefährliche Gegend oder offenes Wohngebiet? Im Süden Leipzigs befindet sich der Stadtteil Connewitz und mittendrin die Bornaische Straße. Wir haben uns hier einmal genauer umgeschaut. Hood Check Bornaische Straße, man darf gespannt sein.
Der südlich gelegene Stadtteil Connewitz ist weit über Leipzig hinaus bekannt und landet immer wieder in den landesweiten Medien. Das Viertel gilt als Hochburg der linken Szene Leipzigs und wird in der Presse häufig als ein heruntergekommenes Wohngebiet dargestellt, in dem Gewalt und Sachbeschädigung zum Alltag gehören. Direkt im Herzen des Stadtteils beginnt am Connewitzer Kreuz die Bornaische Straße.
Die Bornaische Straße diente bereits 1891 vor der Eingemeindung nach Leipzig als Verbindung der vier Dörfer Dösen, Dölitz, Lößnig und Connewitz. Bis heute führt die ca. 7,5 km lange Straße durch die später eingegliederten Stadtteile und endet am Rande des Markkleeberger Sees.
„Alles, was man zum Leben brauchte, hat man hier bekommen.“
Neben der Wolfgang-Heinze-Straße ist die Bornaische Straße die belebteste im Viertel. Nicht umsonst siedeln sich hier zahlreiche Imbisse, Kneipen, Restaurants und Einzelhändler an. Wir treffen Christina, deren Familie bereits seit 67 Jahren
Der Zustand von ganz Connewitz war zu DDR-Zeiten besonders desolat, da nicht alle Schäden des Zweiten Weltkrieges behoben wurden. „Connewitz war schon immer ein rotes Viertel“, erinnert sich Christina. „Viele Arbeiter haben in der Bornaischen Straße gewohnt, da diese direkt zum Kraftwerk Connewitz führte. Nach der Wende kamen dann die Hausbesetzer.“ Vor allem Punks, Hippies und Künstler übernahmen günstig oder kostenlos die heruntergekommenen Häuser. 1990 wurde die Connewitzer Alternative e.V. gegründet, die es sich zur Aufgabe machte, den Wohnraum zu erhalten und sich gleichzeitig frei entfalten zu können. In der Stockartstraße, eine kleine Seitengasse der Bornaischen, ist ein Großteil der Häuser bis heute besetzt.
Essen, Spätis und Bier
Läuft man heutzutage über die Bornaische, begegnet man den unterschiedlichsten Menschen. Kristina eröffnete vor einem Jahr einen kleinen Späti an der Ecke zur Pfeffingerstraße. Zu Anfang fürchtete sie die große Konkurrenz, denn alle paar hundert Meter ist hier ein Kiosk zu finden. Heute ist sie anderer Meinung: „Die Bornaische ist einmalig. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich wurde sehr gut aufgenommen und herzlich begrüßt. Die Menschen hier sind so herzlich und ehrlich, egal ob jung oder alt. Sie binden sich nicht an einen Späti. Wenn sie merken, dass du korrekt und ehrlich bist, dann kommen sie zu dir und machen keinen Unterschied zu den anderen, sondern unterstützen dich. Sie sitzen auf der Straße und genießen es einfach, hier zu sein. Auch wenn man mit dem Kiosk kein Vermögen verdient, will ich nicht mehr weg.“
Neben den zahlreichen Spätis hat die Bornaische Straße gastronomisch gesehen noch einiges mehr zu bieten. Vor dem kleinen asiatischen Restaurant „Vegan Express“ sitzen die Gäste zufrieden in der Sonne, die Steinofen-Pizza von „Lamies“ ist weit über die Grenzen der Straße bekannt und die Jungs im „Willsons“ grillen das ganze Jahr über, was das Zeug hält. Das „Zest“ gehört zu den besten veganen Restaurants in Leipzig und wird für die kreativen, außergewöhnlichen Gerichte gefeiert.
Außer essen kann man auf der Bornaischen Straße eines besonders gut: Trinken! Laut geht es auf den breiten Bürgersteigen zu, wenn sich an warmen Abenden die verschiedensten Gruppen auf ein Bierchen treffen. Auch Kneipen wie die Zumutbar oder das neu eröffnete Pivo können sich nicht über Mangel an Gästen beklagen. Andreas ist in Leipzig bereits viel herumgekommen und betrieb unter anderem das „Waldfrieden“. Danach arbeitete er im Café des „Lofft“. Seit sechs Jahren gehört ihm nun das „Barabbas“, auch bekannt als „Kerzenbar“, „Vergebung“ oder „Wohnzimmer“. Die Kneipe war früher ein Floristikgeschäft. Heute verleihen die liebevolle Einrichtung, die vielen Pflanzen und das Kerzenlicht der Bar eine gemütliche Atmosphäre. Wir fragen ihn, weshalb er auf die Bornaische Straße zurückgekehrt ist: „Ich habe mir hier einen Ruf aufgebaut, den man eher schlecht als gut bezeichnen kann. Aber gerade deswegen wollte ich zurück. Aus diesem Grund habe ich die Kneipe „Barabbas“ genannt, nach dem Verbrecher aus der Bibel, der anstelle von Jesus freigelassen und nicht getötet wurde. In die Gastronomie rutschte ich eher zufällig. Nach der Wende kam ich nach Leipzig und arbeitete vorerst im sozialen Bereich. Das Barabbas soll meine letzte Station sein.“
Jeden Abend ist die Bar gut besucht, doch Andreas bemerkte im Laufe der Jahre einige Veränderungen, was das Nachtleben angeht. „Jetzt bediene ich zwar zu 100% das Klischee alter Leute, aber früher lief es hier viel besser. Es ist ruhiger geworden in der Bornaischen Straße und die Kneipen schließen viel früher. Auch die Menschen haben sich verändert. Klar war das hier schon immer ein Hau-drauf-Viertel, aber wenn ich mir jetzt einige junge Leute angucke, die in Adidas-Klamotten gegen den Kapitalismus brüllen, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Auch die Gewaltbereitschaft vieler stört mich. Wir sind alle gegen Rechts, also sollten wir nicht die Methoden der Nazis übernehmen und alles kurz und klein kloppen, was uns im Weg steht.“
Liebe zum Viertel
„Auf der Versammlung, wo die Umbauten vorgestellt und besprochen wurden, war es rappelvoll. Der Baum vor unserer Eisdiele soll gefällt werden, um Platz für eine Parkbucht zu schaffen. Ich musste gar nichts sagen, weil sich sofort alle Anwohner darüber beschwert und die Eisdiele erwähnt haben. Ich lebe schon sehr lange in Connewitz und seit 12 Jahren haben wir hier in der Bornaischen Straßen unsere Eisdiele. Es ist viel schöner als zum Beispiel in der Innenstadt, in der man jeden Tag fremde Gesichter bedienen müsste. Hier kenne ich meine Nasen.“ Auf die Frage, weswegen er sich gerade in der Bornaischen Straße so wohl fühlt, antwortet er: „Setzt euch einfach mal einen Nachmittag vor die Diele, esst ein Eis und beobachtet die Umgebung. Dann werdet ihr sehen, was so besonders an dieser Straße ist.“