leicht, unbeschwert, traurig und melancholisch Interview: Juli

Mit ihrer Musik erschaffen “JULI” Gefühlswelten, welche die Hörer:innen nach nur wenigen Sekunden tief erreichen, um sie dann ungefragt mit einer fröhlichen und energiegeladenen Melancholie zu erfüllen. Nach längerer Pause sind sie jetzt mit dem neuen Album “Der Sommer ist vorbei” zurück. Wir haben mit Frontfrau Eva Briegel über den Schaffensprozess, Veränderungen und Zukunftswünsche gesprochen.

© Amélie Sigmund

Wie geht es dir?

Vielen Dank, mir geht´s ganz gut. Ein wenig müde bin ich, da der Wecker schon früh um 5.30 Uhr geklingelt hat für das ZDF Morgenmagazin.

Mit eurer aktuellen Tour kommt ihr morgen, am 9. Mai, auch nach Leipzig. Wie ist die Stimmung?

Wir waren schon sehr oft in Leipzig und haben im Täubchenthal gespielt, welches übrigens eine richtig tolle Location ist, und freuen uns natürlich darauf. Vielleicht kennt der ein oder andere auch die vielen Fotos, die wir oben auf der Empore im Täubchenthal schon gemacht haben. In Leipzig ist man schnell von Berlin aus, und es ist ja auch nur ein bisschen mehr als eine Zugstunde entfernt, daher waren wir schon öfters in der Stadt unterwegs, haben dort viele schöne Abende verbracht. Auch das Leipziger Nachtleben haben wir nach unseren Auftritten kennengelernt. Früher, als Kind, war ich oft im Zoo Leipzig. Ich verbinde also viele schöne Erinnerungen hier.

Wie ist es jetzt, nach einer längeren Pause zurückzukommen und was hat sich deiner Meinung nach verändert?

Für uns fühlt es sich natürlich gut an, zurück zu sein. Gefühlsmäßig waren wir nie richtig weg, weil wir nach der letzten Platte “Insel” eigentlich immer unterwegs waren, entweder auf Tour oder bei Festivals im Sommer. Danach haben wir uns ein bisschen ausgeruht und dann haben wir uns relativ früh wieder zusammengesetzt, angefangen Lieder zu schreiben, haben viele davon nicht fertig gemacht, und zusammen ausprobiert, verschiedene Arten von Musik zu produzieren. Heute hat sich vieles ein wenig geändert: Als Band nimmt man weniger im Tonstudio auf, als mit einzelnen Produzenten oder Musikern am Laptop in deren Studio, oder sogar in deren Küche oder gemieteten Räumen. Wir haben das eine Zeit lang so ausprobiert und dabei festgestellt, dass wir lieber im Studio während eines begrenzten Zeitraums all unsere Lieder einspielen, aufnehmen, einsingen, fertigmachen, mischen und mastern – dann ist das gut. Dieser Prozess hat länger gedauert. Die erste Single “Fahrrad” der neuen Platte kam ja schon 2019 raus und dann wurden wir, wie alle Künstler, ausgebremst durch Corona. In der Zeit sind neue Lieder entstanden, weil wir uns viel getroffen haben und uns gegenseitig als Kontaktpersonen ausgesucht haben; unsere “Knuddelperson”, wie es in Dänemark hieß. Das war auch nochmal ein Beschleuniger und so kam es dann zu diesem neuen Album.

Was hat euch beim Schreiben der Titel inspiriert? Wir sind großer Fan von “Traurige Lieder”.


Das ist ein Stück, welches im Proberaum entstanden ist. Ein Kumpel von uns war noch mit dabei, Joe. Im Austausch miteinander kamen wir darauf, dass es heute im Radio sehr viele positive Lieder gibt. Auch von der Plattenfirma hatte uns jemand darauf hingewiesen, wir bräuchten eine positive Beziehungsnummer. Dabei ist uns aufgefallen, dass uns diese Nummern gar nicht so liegen und wir die traurigen Lieder im Radio vermissen. Wir kommen alle aus den 90ern und sind mit dem Grunge groß geworden, der kein bisschen fröhlich war oder optimistisch. Das ist ein Grund, weswegen wir damit mehr connecten. Wenn Lana del Rey im Taxi läuft, fühle ich mich da besser aufgehoben, als bei irgendeiner happy Nummer. Das war der Anstoß dafür, und jeder Song hat so seine Geschichte. Wir schreiben auch zu dritt die Texte. Simon und Jonas haben dieses Mal viel geschrieben. Meistens kenne ich die Geschichte dahinter, zumindest so ein bisschen; entweder das Ereignis oder den Auslöser, oder auch das Gefühl, welches wir teilen. Bei “Fette Wilde Jahre” ist es ein Bandgefühl, das wir alle teilen. Entweder steuern wir dann noch einzelne Teile dazu oder es ist perfekt und genauso, wie ich es auch kenne, und bin dann ganz froh, dass jemand es so für mich in Worte gefasst hat. “In Unseren Händen” ist ein Stück von Simon, bei dem wir viel darüber gesprochen haben, dass wir viel zu verlieren haben, und genau das schön ist.

Ist es interessant zu sehen, wie jemand anderes ein bestimmtes Ereignis verarbeitet?

Manchmal ist es ein wenig kryptisch. Bei “Wolke” sind die Strophen von mir und in der zweiten Strophe ist viel von Jonas geschrieben, der Refrain ist von uns beiden. Wir hatten ein gemeinsames Gefühl und dabei von früher bestimmte Personen im Kopf. Es stecken dann wirklich einzelne drin, die wir beide kennen, aber neulich sagte Jonas zu mir “du steckst da auch mit drin”. Das fand ich total süß, dass er über mich schreibt und ich über ihn und die anderen in der Band. Da kommen, wie beim Tagebuch schreiben, Sachen ans Licht, wo man durchaus überrascht ist.

Da wir bei Liedern sind: Der Titel “Irgendwann” erinnert uns sehr an “Geile Zeit”, fast wie ein spiritueller Nachfolger. War das Absicht?


Vom Thema ist es relativ ähnlich, was uns nachher aufgefallen ist. Aber die Art, mit Sprache umzugehen, ist anders. In “Geile Zeit” ist es, wie wir in unseren Zwanzigern gedichtet haben. “Hast du geglaubt? Hast du gehofft?” – und jetzt sind es eher konkrete Bilder. Aber es ist interessant zu sehen, wie es am Ende dasselbe Gefühl ausdrückt. Jetzt ist es eben konkreter, weil wir uns wirklich an diese Zeit erinnern und damals waren wir Mitte Zwanzig und haben von der guten alten Zeit gesungen, die es noch gar nicht zu vermissen gab, weil wir super jung waren. Jetzt ist es wirklich länger her und wir denken darüber nach, wieviel sich geändert hat und wie wenig sich geändert hat in dem, was wir fühlen. Ganz viel ist so geblieben. Das ist eine lustige Erkenntnis, wenn man älter wird. Ich bin immer noch dieselbe, obwohl ich früher gedacht habe, man ist später eine andere Person. Wenn ich jetzt daran denke, dass ich irgendwann mal neunzig bin, habe ich die Vorstellung, ganz anders zu sein, aber höchstwahrscheinlich bin ich genau dieselbe wie jetzt, nur sehe ich anders aus.

Du sagtest, ihr habt Lieder angefangen, aber nicht beendet. Wann ist der Punkt erreicht, zu sagen “Ich glaube, wir werden damit nicht fertig”?


Meistens haben wir Parts, bei denen wir denken, es ist eine gute Strophe oder ein Pre-Chorus, irgendwie aber fehlt noch etwas. Oder es gibt ein, zwei Sätze, in denen eine ganze Geschichte steckt, und dann gelingt es nicht, einen Song daraus zu machen. Es bleibt flach und banal. Wir hatten auch schon Songs fertig, aber emotional passierte da bei uns nichts beim Spielen. Dann verschwindet es von selbst.

Finden sich Bruchteile davon in anderen Liedern wieder?


Ja, zum Beispiel der Chorus von “Geile Zeit” war ursprünglich der Pre-Chorus von einem anderen Stück, das wir 2001 geschrieben haben. Wir fanden das Lied nicht gut, Simon meinte aber dann, der Pre-Chorus wäre super.

Euer neues Album heißt “Der Sommer ist vorbei”. Was hat euch dazu bewegt, diesen Track auch als titelgebenden Song zu wählen?


Der lässt so viel Interpretation zu (lacht). Und wir haben ihn irgendwie gefühlt, also wir haben das Artwork gesehen und dann steht da JULI und “Der Sommer ist vorbei”, was super zusammen passt, weil es eben eine Stimmung beschreibt. Auch die Bilder, die wir in Lanzarote gemacht haben; es ist ja nicht ganz klar, ob es Hochsommer ist, oder den Abschied vom Sommer darstellt. Ist etwas vorbei? Und das schwingt bei JULI immer mit: Der Sommer, aber auch die Vergänglichkeit vom Sommer. Aber auch das Vertrauen darauf, dass die Erde sich weiter dreht und der nächste Frühling wieder kommt. Es passte halt gut zu uns. Wir sind eine Band, die für den Sommer abonniert ist. Alle empfinden uns als leicht, unbeschwert und sommerlich, und das ist eine Facette, aber es gibt auch eine traurige, melancholische Seite.

Hast du persönliche Lieblingsstücke auf dem Album?


Ja. Eines meiner Lieblingsstücke ist auf jeden Fall “Der Sommer ist vorbei”, weil das Ende für mich der absolute JULI-Sound ist. Da könnte ich meine Sachen packen und mit den Vögeln übers Meer fliegen. Ich mag auch “In unseren Händen” sehr gerne, weil ich stolz auf die Chöre bin, die ich im Song gemacht habe. Die Chorarrangements zu machen und einzusingen ist ein kleines Hobby von mir. Ich liebe auch “Fahrrad”, selbst wenn es klanglich ein bisschen rausfällt. Und bei “Irgendwann” mag ich besonders die erste Strophe, weil ich noch die Erinnerung daran habe, was dort erzählt wird.

Was habt ihr an Hoffnungen und Wünsche als Band für die Zukunft?


Kurzfristig gesehen wünsche ich mir, dass die Tour schön wird. Die Leute sollen gerne kommen, es wird eine Clubatmosphäre geben und ich hoffe, dass wir an unsere erste Tour anknüpfen werden können, bei der wir mördermäßig viel Spaß hatten und ganz nahe mit den Leuten waren. Für die weitere Zukunft hoffe ich natürlich, dass es nicht wieder neun Jahre dauern wird, bis wir ein neues Album herausbringen werden, aber wir sind eine Band, die auch Zeit braucht. Wir können nicht wie junge Künstler alle vier Wochen einen Hit bringen. Wir machen alles selbst und ohne viel Nachbearbeitung. Auch wünsche ich mir, dass die Leute wieder mehr auf Konzerte gehen. Nach Corona gab es einen Knick. Ich kann das gut verstehen, auch ich bin wahnsinnig gerne zu Hause. Jedoch glaube ich, wir sollten wieder mehr rausgehen. Das ist gut für die Gesellschaft.

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Am 09.05. könnt ihr JULI im Täubchenthal erleben!