Nach knapp zehn Jahren ist „Die Sonne ist ein Zwergstern“ euer erstes gemeinsames Album nach deinem Ausstieg. Was war das für ein Gefühl, das du bei der Fertigstellung der Platte hattest? War es anders?
Das war tatsächlich ganz, ganz anders. Zum einen war ich bei der kompletten Produktion vom letzten Album „Das Gegenteil von Allem“ und auch danach krank. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, da das wirklich ein Kampf war. Ich war auch mit vielen Sachen unzufrieden, mit meinen Texten, meiner Performance als Sänger. Das war alles nicht so, wie ich es gern gehabt hätte. Wir waren damals drei Monate im Studio, was wirklich lang war. Dieses Mal hatten wir dann die ganz schlaue Idee, 2019 die Band neu zu formieren, und wollten 2020 mit den News raus, unseren ersten Auftritt spielen. Dann kam der März, Corona und der Drops war gelutscht.
Genauso kann man sich die Produktion vorstellen. Wir haben angefangen, Songs zu schreiben, aber unter merkwürdigen Umständen. Sascha in Hamburg, ich in Münster und mit viel Remotegeschichten. In vielen Dingen ist das praktisch, aber wenn man sich gemeinsam was ausdenkt, erarbeiten möchte, ist es in Präsenz und mit körperlicher Nähe was ganz anderes. Wir sind Typen, die sich zusammen hinsetzen, Texte schreiben, den Song aufnehmen und schauen, ob er funktioniert. Wenn nicht, ändern wir etwas und nehmen ihn erneut auf. Dementsprechend hat das dieses Mal alles länger gedauert. Als die Platte endlich fertig war, nachdem wir mehrfach die Veröffentlichung geschoben haben, habe ich so große Kreuzzeichen wie noch nie in meinem Leben gemacht. (lacht)
Das Reunion-Album habt ihr ohne großes Label, lieber selbst und mit einem Crowdfunding produziert. War das ein bewusster Weg zu mehr Freiheit?
Es war wirklich toll, zu sehen, wie viele Menschen uns unterstützen und Bock auf diese Platte hatten. Das hat uns eine ganz neue Motivation gegeben. Wir sind ein bisschen ins Blaue gestartet, haben gesagt „Hey, wir sind zurück“. Dann sind sehr viele Leute gekommen, haben uns im Vorfeld Geld gegeben, damit wir überhaupt aufnehmen konnten. Ohne Label gibt es mehr Selbstbestimmtheit. Wir hatten aber auch viel mehr zu tun als gewöhnlich, was sonst ein Team von bis zu 20 Leuten auffängt. Dieses Mal mit dem Mini-Team Sascha, unser Manager und ich. Dazu kam ein Produktmanager, weil wir ihn für Organisation und Controlling der Kartons und Platten brauchten.
2019 fandet ihr zu euch zurück. Wie kam es dazu und wer hat den ersten Schritt gemacht?
Es war fast gruselig! Eine Art Vermittler zwischen uns war Robert, unser Mercher und Tourmanager, der schon seit 2004 bei Jupiter Jones dabei ist. Also ein wirklich alter Freund und Weggefährte. Er hat schon immer gestichelt, wie es mit einer Reunion aussieht. Dann habe ich das wirken lassen und Sascha an einem Abend einfach mal eine Nachricht geschrieben, ob wir uns mal treffen und an einen Tisch setzen wollen. Ich konnte seine Nummer immer noch auswendig. Darauf antwortete er: Gruselig, ich wollte dir auch gerade schreiben.
Dann bin ich nach Hamburg gefahren und habe acht Stunden mit Sascha gequatscht, gegessen und alte Freunde getroffen. Wir haben uns über die fünf Jahre ausgetauscht und gemerkt, da gab es sehr viele Parallelen. Sascha und ich sind uns viel, viel näher und ähnlicher, als wir es vorher waren. Erst am Ende, kurz bevor ich in den Zug steigen musste, meinte Sascha, ob wir denn nicht wieder Musik machen sollten.
Wie war die Zwischenzeit ohne den anderen für euch? Gab es Situationen, bei denen ihr gern eher wieder Kontakt aufgenommen hättet?
Ich hatte zwischendurch die Band von Brücken. Das war ganz toll mit den Leuten zu schreiben, aber auch komplett anders als mit Jupiter Jones. Ich konnte zum Beispiel Melodien und Ähnliches mit dem Mund vormachen und sie haben es eins zu eins in Musik umgesetzt. Auch mit vielen anderen Leuten habe ich Texte geschrieben, aber alles hat sich irgendwie komisch angefühlt. Das lag auch an meinen Komplexen, manchmal habe ich mich etwas dumm gefühlt, da ich „nur“ Texte schreiben kann. Mit Sascha ist das anders. Wir sind einfach eine Gurkentruppe, beide in der theoretischen Musik keine Profis. Wir setzen uns hin, machen das so lange, bis es funktioniert. Das hat mir gefehlt. Wir haben dann in drei Stunden den ersten neuen Song geschrieben.
Als Freunde geht man durch gute und schlechte Zeiten. Wie hat sich eure Freundschaft zu der von früher verändert? Gibt es Sticheleien?
Das konnten wir schon immer gut, auch immer scherzhaft. Die Schwächen des anderen werden schon immer für Witze genommen. Wir sind seit gut 20 Jahren auf Klassenfahrt, da lässt sich das nicht verhindern. Mittlerweile passen wir viel, viel besser aufeinander auf als früher. Also auf uns selbst und auf unser Gegenüber. Das ist richtig toll. Wir haben uns und da spreche ich auch für Sascha, weil ich weiß, dass er es genauso sieht, zwischendrin echt verheizt.
Nach dem großen Erfolg direkt weiterzumachen, obwohl es mir so dreckig ging und alle echt fertig waren, das war dumm. Aber wir hatten auch Angst, in dieser schnelllebigen Industrie sofort weg zu sein, wenn wir nicht direkt was nachlegen. Jetzt geht es uns zumindest mental besser und wir versuchen es noch mal in einer noch schnelllebigeren Zeit. Wir sprechen über alles und hängen richtig gern zusammen rum, was früher am Ende dann nicht mehr so war.
Die neue Etappe von „Jupiter Jones“ beschreitest du zu zweit mit Sascha Eigner. Bassist Andreas Becker und Schlagzeuger Marco Hontheim sind nicht mehr dabei. Der Name blieb, bewusst?
Auf jeden Fall! Wir haben auch mit den anderen beiden geprobt. Für diese hat sich aber herausgestellt, dass ihr neuer Lebensentwurf mit Festanstellung, Hobbybands und Familie nicht passt. Das verstehe ich auch total. Jupiter Jones war schon immer eine Ganztagsaufgabe. Wir haben uns 2002 gegründet und 2004 hatten alle schon jeden Tag mit Jupiter Jones zu tun. Dann war klar, dass wir das so nicht können, und ich hielt das für eine vernünftige Entscheidung. Wir haben uns friedlich und im Guten getrennt.
Die Aufgaben in der Band sind aber ähnlich geblieben, weil Sascha immer noch zum allergrößten Teil die Musik schreibt und produziert, und ich schreibe alle Texte und die Gesangsmelodien. Die zwei waren natürlich mit dabei, aber die Texte kamen von uns. Somit blieb der Name, denn wir wollen ja auch die alten Songs spielen. Es ging nicht darum, dass wir einfach wieder Musik machen wollen, sondern darum, dass die Geschichte von Jupiter Jones noch nicht zu Ende erzählt ist. Als der neue Sänger kam, blieb der Name auch. Was uns allerdings klar war, dass wir nicht bei irgendwelchen Möbelhauseröffnungen spielen wollen. (lacht) Wir wollten mit einer Band auf Tour gehen.
Macht es das Tour- und Bandleben einfacher, wenn man zu zweit unterwegs ist?
Wir sind zu fünft unterwegs. Mit Hannah, Alex und André. Zumindest ist die Entscheidungsfindung einfacher. Wir waren immer eine demokratische Band, es gab keinen Chef. Wenn du zu zweit bist, dann geht das schon flotter. Ich freue mich jedoch jedes Mal, wenn wir in großer Besetzung auf Tour sind. Es fühlt sich langsam wieder wie eine Band an.
Im Januar wart ihr auf einer Zwergtour im kleinen Kreis in vier Städten. Wie war es für euch, wieder auf der Bühne zu stehen und diese intimen Momente mit euren Fans teilen zu können?
Das war richtig stark. Zum einen ist es das, womit wir mehr oder weniger angefangen haben. Auf der anderen Seite sind die Menschen, die wir endlich wieder sehen konnten und die auch immer noch alle Texte auf dem Schirm haben. Das waren wirklich schöne, echte Clubkonzerte. Es hat mich sehr gefreut und es hat sich wie früher angefühlt, minus die Angst. Eine gute Zeit.
Im Mai folgt nun Teil zwei der Tour, bei der ihr am 20. Mai auch in Leipzig im Täubchenthal zu Gast seid. Welche Erinnerungen hast du an unsere Stadt?
Da muss ich mich jetzt erst mal blamieren, weil ich überhaupt nicht auf dem Schirm hatte, mit Von Brücken bereits im Täubchenthal gespielt zu haben. Das muss mir aber niemand übel nehmen. Ich erkenne teilweise Menschen nicht, die ich schon seit Jahren kenne. Was das angeht, habe ich einfach ein unfassbar schlechtes Gedächtnis. Das Einzige, was ich mir merken kann, sind sinnlose Fakten und Songtexte. Leipzig als solches ist mir natürlich ein Begriff und eine Stadt, in die ich sehr gerne reise, weil hier meine Freunde Sandra Strauß und Schwarwel leben. Sie haben kürzlich ein Buch über mentale Gesundheit herausgebracht, bei dem ich etwas beitragen durfte. Meines Wissens nach habe ich einmal in Leipzig gespielt und es war bestimmt wunderschön. (lacht)
Wir können uns noch gut an Konzerte im Werk 2 und an eine übervolle Lesung von Nicolas im Alten Rathaus erinnern …
Das stimmt! Das Werk 2. Da hat auch die „Talkshow des Todes“ stattgefunden und ich dachte, das kommt mir irgendwie vertraut vor. (lacht) Das ist mir immer unglaublich peinlich, aber das ist nicht böse gemeint. Die Lesung habe ich tatsächlich noch auf dem Schirm.
Der Ausstieg von dir war damals nötig, um mit der Angst leben zu können. Wie sieht das heute, auch nach den ersten Liveauftritten, aus? Hattest du ein gutes Gefühl bei allem?
Mir geht es gut damit. Das betone ich auch immer, sonst würde es die Band gar nicht geben. Es hat sich damals gezeigt, dass jeder versucht, das zu unterdrücken und zu tun, als wäre alles okay. Das war das Dümmste, was ich machen konnte. Als ich damals ausgestiegen bin, hatte ich das große Glück, was andere Menschen nicht haben, für einen kurzen Moment finanziell gesichert genug zu sein und so lange Pause zu machen, bis ich wieder fit bin. Das ist ein riesiger Luxus und Privileg. Dann war es aber noch nicht zu Ende.
Ich würde sagen, dass ich erst 2018/19 an dem Punkt war, zu sagen, dass Panikattacken nicht mehr da sind. Hin und wieder bin ich noch etwas der Hypochonder oder in gewissen Situationen noch etwas nervöser als andere. Aber es schlägt nie in eine krankhafte Ausprägung um. Das war für mich und ich glaube auch für Sascha die Voraussetzung, überhaupt weiterzumachen. Was immer noch da ist, sind depressive Phasen. Meistens gibt es dafür aber einen Auslöser, sie kommen nicht mehr aus dem Nichts. Es ist kein formloser Gegner mehr.
Konntest du all das in der Musik verarbeiten?
Voll. Gerade im ersten Song „Überall waren Schatten“. Es sind auf dem Album auch wirklich die klarsten Lieder drauf. Es sind viele, viele Erlebnisse aus den letzten Jahren in diese Platte gewandert. „Der Nagel“ wurde bereits 2017 geschrieben und in der Zwischenzeit sind viele Menschen gekommen, viele gegangen. Es ist viel passiert. Ich habe mir auch große Mühe gegeben, dieses Mal Texte zu schreiben, bei denen Menschen nicht drei Tage duschen und auf Toilette müssen, um die Erleuchtung zu kriegen, sondern schon beim vielleicht zweiten Hören wissen, ach, davon spricht der Typ.
Was denkst du, hält die Zukunft für euch bereit?
Ey, das ist eine hervorragende Frage. Ich kann dir unsere Wünsche nennen. Wir haben gerade erst angefangen, würden gern noch weitermachen. Beide sprechen schon vom nächsten Album und auch mit Menschen über das nächste und übernächste Album. Wir wollen Touren spielen und abwarten, bis wieder wirklich Normalität eingekehrt ist, um dann auch wieder Festivals zu spielen, auch gern in der gleichen Frequenz wie früher. Was wir nicht brauchen, aber [wogegen] wir uns auch nicht wehren, ist dieses Tamtam, das eine Zeit lang um uns gemacht wurde. Es war schön und toll, aber auch sauanstrengend. Am Ende hat es uns im Leben auch nicht weitergebracht. Ich zehre von ganz anderen Dingen. Wir wollen es einfach nicht mehr so weit kommen lassen, dass wir nicht mehr wissen, wo uns der Kopf steht. Wenn wir das einhalten, sind wir ganz glücklich mit unserer Zukunft.
Für alle, die euch nicht kennen: Wie würdest du eure Musik in drei Worten beschreiben?
Popmusik früher Punkrock.
Schnelle Fragen
Instagram: @jupiterjones
Am 20. Mai ist die Band im Täubchenthal zu sehen und urbanite verlost die passenden Tickets an euch!