„Astrologie ist ein zweischneidiges Schwert“ Interview: Liv Strömquist   

In ihrem neuen Buch „Liv Strömquists Astrologie“ stellt die beliebte Comiczeichnerin die Welt der Sterne auf den Kopf. Für Horoskopfans und Astrologieskeptiker:innen lässt die Feministin Sternzeichen auf die Realität treffen und fragt nach den gesellschaftlichen Phänomenen hinter der Faszination. Am 28. April ist sie mit dem neuen Buch auf der Leipziger Buchmesse unterwegs und abends bei der „Nordischen Lesenacht“ im Werk 2 dabei. Wir haben mit der Zeichnerin über das Buch und über Selbstreflexion gesprochen.

© Emil Malmborg
Liv Strömquist, serieskapare

Dein neues Buch beschäftigt sich mit Astrologie und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Was ist dein Sternzeichen?

Wassermann.

Was kann das vielleicht über dich als Menschen aussagen?

Nach meinem eigenen Buch bedeutet es, dass ich eine Art seltsame Besserwisserin bin. Also jemand, der denkt, dass er alles wüsste.

Du bist vor allem für Graphic Novels bekannt, die sich mit feministischen Themen auseinander­setzen. Wie kam es dazu, dass du dich nun ausgerechnet mit Astrologie befasst?

So vor 15 Jahren begann mein Interesse daran. Eine Freundin von mir besaß ein Astrologiebuch und wir lasen uns sehr viel in das Thema rein, redeten und scherzten darüber. Es begann wie eine Art Witz, dann bemerkte ich, wie ich langsam mehr und mehr begann, jeden Menschen nach seinem Sternzeichen zu beurteilen und mir Vorurteile aufzubauen. In dem Moment entschied ich, mit dem Thema insgesamt aufzuhören. Denn eigentlich hatte ich gedacht, dass ich damit humorvoll umgehen könnte. Doch ich merkte, dass es mir aus dem Ruder lief und mich zu sehr beschäftigte. Also hörte ich erstmal komplett auf mit dem Nachdenken über Astrologie. So vor ungefähr drei Jahren machte ich dann eine Performance,bei der ich auf einer Bühne über meine Comics sprach. Ich machte den Witz, vielleicht mal ein Astrologie-Comic zu machen. Den Menschen gefiel die Idee sehr und ich begann auf Instagram kleine Sketche über die unterschied­lichen Sternzeichen zu machen. Die Leute waren begeistert und forderten mich immer mehr dazu auf, ein Comic über Astro­logie zu veröffentlichen. Also entschied ich mich, ein lustiges Buch darüber zu machen. In der nun erscheinenden Ausgabe habe ich dann zu den vorher allein erschienenen Horoskop-Comics einen kritischeren Teil hinzugefügt, denn ich wollte Astrologie kritisch diskutieren, sodass die Leser:innen zu ihren eigenen Schlüssen kommen können.

Warum glaubst du, glauben so viele Menschen an Horoskope und die Kraft der Sterne?

Ich glaube, dafür gibt es viele Gründe. Die Basis für ein Interesse an Astrologie kommt von einem Grundinteresse an Menschen, wie sie sind, wie man selbst ist. Darüber denken wir fast immer nach: Warum handelt meine Mutter so? Warum bin ich, wie ich bin? Warum ist mein Partner, wie er ist? Wir wollen Antworten zu diesen Fragen und die Astrologie kann uns einen Weg bereiten, darüber zu sprechen. Ich glaube, dass viele Menschen, die ein Interesse an Astrologie haben wissen, dass das nicht auf Wissenschaft fußt. Es ist aber eine Art, Sinn in sinnlosen Vorgängen oder Situationen zu finden. In den letzten paar Jahren hat die Astrologie besonders im Internet wieder an Bedeutung gewonnen, wie beispielsweise auf Dating-Apps oder ähnlichen Plattformen. Diese Welt ist voll von menschlichen Beziehungen, doch diese Beziehungen sind mit der Zeit unsicherer geworden. Man weiß nicht genau, mit wem man online Verbindung aufbaut. In diesem Fall kann die Astrologie, auch wenn es eine Lüge ist, eine Art von Hilfe sein, die Person besser zu verstehen.

© Liv Strömquist/avant-verlag

Also gibt es auch gute Seiten, an Astrologie zu glauben? Zum Beispiel, um an Sicherheit im Umgang mit anderen zu gewinnen?

Ich glaube, dass es gute Seiten daran geben kann, aber eher nicht um Sicherheit zu gewinnen. Ich denke, dass wir es lieben, Menschen zu kategorisieren. Wir haben heute so viele Persönlichkeitstests, Neurodiversitäts- oder Genderspektren und vieles mehr. Wir haben generell gesteigertes Inter­esse an den Fragen „Wer bin ich“ und „Wer bist du“, und daran, diese Dinge zu verstehen. Ich denke, dass Astrologie genau in dieses Muster passt. Fakt ist, dass wenn du durch die Herangehensweise der Astrologie über jemanden oder über dich selbst diskutierst, dass du dann immer noch Dinge über andere oder dich selbst herausfinden kannst, auch wenn die Astrologie nicht auf wissenschaftlichen Fakten basiert. So kann sie dir auch Wege zu einem tieferen Verständnis eröffnen. Ich glaube, dass jeder, der Astrologie mag, das versteht und anerkennen kann. Denn was du am Ende erfährst, kann tatsächlich auch richtig sein. Du kannst etwas von einer Seite betrachten, die dir vorher nicht in den Sinn gekommen wäre. Das ist die kleine positive Seite. Aber natürlich hat das Ganze auch negative Seiten, dass man Menschen zum Beispiel vorverurteilt oder Handlungen und Gesagtes missinterpretiert. Die gefährliche Seite ist, dass angenommen wird, man sei unveränderbar. Menschen könnten sich nicht entwickeln und seien, wie sie sind aufgrund eines bestimmten Sternzeichens. Die Astrologie ist ein zweischneidiges Schwert. 

Was ist dein gesellschaftliches Ziel? Glaubst du, wir sollten uns vom Glauben an diese Dinge langfristig emanzipieren?

Ich glaube nicht, dass wir den Glauben an Übernatürliches loswerden sollten oder überhaupt können. Das können wir nicht selbst entscheiden. Ich beo­bachte die Tendenz, Wissenschaft wie Religion zu behandeln. Die Idee, dass es die eine einzige Wahrheit gäbe. Wir wissen niemals die gesamte Wahrheit. Mein Ziel ist nicht, den Glauben an Übernatürliches beiseitezuschieben.

Dein Ziel ist es also, mit diesem Buch Menschen zur Selbstreflexion anzuregen?

Vor allem den ersten Teil des Buches kann man zur Unterhaltung und zum Spaß lesen. Doch ich glaube auch, dass es dann interessant ist, tiefer zu reflektieren; darüber nachzudenken, was die Vor- und Nachteile der Astrologie sind. Ich finde den wachsenden Glauben an Astrologie sehr interessant, denn ich glaube, dass das etwas über die Gesellschaft aussagt, in der wir heute leben. Dass sich unsere Welt sehr chaotisch anfühlt und die Suche nach einem Sinn schwer geworden ist.

INSTAGRAM leifstromquist

Wer Liv Strömquist live erleben möchte, kann das am 28. April auf der Buchmesse: 11:30 Uhr in Halle 5(Stand D313) und 15:30 Uhr in Halle 4 (Stand C310). Außerdem ist sie am Abend ab 19 Uhr im Werk 2 für eine Lesung zu Gast.