„Ich bin froh, dass ich mein Studio aufgelöst habe.“ Schiller über Häkchenmachen, Zukunft und sein mobiles Einsatzkommando

Wir fragen Schiller im Interview nach seinem neuen Album, der Zusammenarbeit mit Sharon Stone und nach seiner Zukunft.

Schiller gilt als einer der bekanntesten Elektronik-Pop-Künstler Deutschlands, der mit seinen Klangwelten international begeistert und schon mit verschiedenen renommierten Künstlern gemeinsam gewirkt hat. Wir fragen Schiller im Interview nach seinem neuen Album, der Zusammenarbeit mit Sharon Stone und nach seiner Zukunft.

Dein Album heißt „Future“ und du lebst aktuell aus Koffern, ohne einen richtigen Wohnsitz. Wie stellst du dir deine eigene Zukunft vor?

Ich glaube, dass eine Zukunftsplanung oder eine wirkliche Vorstellung davon gar nicht immer hilfreich ist. Deswegen habe ich auch keine. Ich versuche das eher in einer Gefühlswelt zu verorten und meine eigene Zukunft möglichst positiv zu gestalten und abwechslungsreich. Also eher Zukunft mit Adjektiven zu verbinden als einen Plan aufzustellen, wie so eine Art Einkaufsliste, wo man dann Häkchen macht. Ich bin kein guter Häkchenmacher. Weil man sich damit zu vieler Spontanitäten beraubt. Dabei muss ich sagen, ich bin eigentlich gar kein spontaner Typ. Ich versuche mich selber in so einem Schwebezustand zu halten, weil es mir so einfacher fällt, vom Weg abzukommen. Damit das noch einfacher wird, nehme ich mir erst gar keinen wirklichen Weg vor. Ich versuche dieser Unbekannten immer sehr viel Platz in meiner eigenen Lebensgleichung einzuräumen. In meiner kleinen Schiller-Welt entstanden bisher die schönsten, interessantesten und am Ende auch nachhaltigsten Dinge, sowohl akustisch als auch visuell oder im Live-Bereich immer dann, wenn ich halt mal nicht aufgepasst habe.

Welche Faktoren bzw. welchen Kosmos benötigst du, um Musik machen zu können?

Ich brauche das Gefühl, dass das, was ich mache, keine Arbeit ist. Denn es ist de facto keine Arbeit, sondern eine Leidenschaft. Deswegen habe ich keine Feierabende und reagiere leicht unruhig, wenn ich gefragt werde, was ich denn mache, wenn ich keine Musik mache. Dann reagiere ich immer ratlos, weil es nichts gibt, außer dass ich gerne mal ins Kino gehe oder vier Stunden vor Netflix sitze. Ich bin auch sehr froh, dass ich mein Studio aufgelöst habe. Ich habe nun so ein kleines, mobiles Einsatzkommando, mit dem ich überall gut komponieren und aufnehmen kann. Weil alleine schon in ein Studio zu gehen, das hat so ein Werkstattcharakter und erzeugt bei mir zumindest schon gleich einen gewissen Ergebnisdruck.

 

© Philip Glaser

Du hast lange Zeit in Berlin gelebt. Was hast du jetzt für ein Gefühl von und in Berlin?

Berlin ändert sich ja immer. Ich hab mich auch geändert. Die Stadt ist gar nicht daran schuld, dass ich Berlin nach 15 Jahren verlassen habe. Es sind eher die vielen Möglichkeiten, die man in einer Großstadt hat. Ich konnte mich meistens nicht entscheiden, was ich machen soll, und blieb dann einfach zu Hause. Dann kann das, was die Großstadt ausmacht, schnell umkippen. Das fängt dann an zu stören. Auf einmal ist es dann zu viel von allem und man denkt, eigentlich brauche ich das gar nicht. Dann ist es vielleicht an der Zeit mal dahin zu gehen, wo man draußen nichts hat. Daher habe ich immer wieder versucht auszubrechen und mich in andere Gebiete zu begeben. Oftmals dahin, wo nicht viel war.

Vor fünf Jahren war es die Expedition auf dem Polarstern. Da habe ich einen Monat auf dem Schiff verbracht. Einen Monat lang kein einziges Mal Land gesehen und das Ganze noch auf dem Weg zum Nordpol im Juli, als die Sonne nicht unterging – umgeben vom Eis. Etwas ähnliches habe ich jetzt in der Wüste noch einmal erlebt, auch noch länger und mit einem gewissen Alltag. Das war sehr archaisch, diese ganze Umgebung. Aber als Parallelentwurf oder als diametrales Gegenteil zur Urbanität, war das toll.

Der Text zum Song „For You“ stammt von Sharon Stone. Die Zusammenarbeit hat dich selbst überrascht. Wie kam es dazu?

Ich habe mich schon eine ganze Weile in Kalifornien aufgehalten und war immer wieder in Los Angeles, um da mit meinen musikalischen Gästen zu arbeiten. Los Angeles war im Prinzip eine riesengroße Künstler-Titanic, mit Schauspielern, Songschreibern, Sängern und Künstlern aller Art. Es kommen viele Leute, die zum Teil elektronische Musik machen und das wahrscheinlich besser als ich es jemals könnte. Weil alle in einem Boot sitzen, erzeugt es ein ganz diffuses, merkwürdiges Wir-Gefühl. So habe ich Menschen kennengelernt, die normalerweise mit dem Elektroniker aus Deutschland niemals etwas gemacht hätten, weil sie selber genug haben oder weil sie die Musik gar nicht mögen oder nicht kennen.

Irgendwie hat Sharon Stone bzw. ihr Agent davon Wind bekommen, dass ich als Elektronik-Wicht aus Deutschland angefangen habe in Los Angeles zu wildern. Das hat sich dann herumgesprochen und ich weiß bis heute nicht, über welche Ecken das ging. Am Ende ist diese große Stadt da wieder sehr klein. Ich wurde vom Agenten von Sharon Stone gefragt, ob ich nicht einen ihrer Texte vertonen wollte. Was an sich schon etwas obskur war, weil ich nicht wusste, dass Sharon Stone textet. Ich habe natürlich sofort ja gesagt, weil ich den Text in seiner bestechenden, mutigen Schnörkellosigkeit sehr stark fand. Wir haben uns nie getroffen und es blieb bei diesem Austausch. Als es dann fertig war, habe ich ihr über ihren Agenten einen Youtube-Link geschickt. Am nächsten Tag kam von ihrem Agenten die Mitteilung „Sharon loves it“, was dann für mich toll war, weil es ihr gefiel. Damit war die Episode für mich abgeschlossen.

Deine Songs haben oft etwas Filmisches. Hast du selbst schon einmal daran gedacht, einen Soundtrack für einen Film zu komponieren?

Ja da habe ich schon oft daran gedacht. Ich warte noch auf die richtige Gelegenheit. Ich kenne viele Filmmusik-Komponisten. Wenn man Filmmusik komponiert, steht der Film im Vordergrund und die Musik hat dem Film zu dienen, was völlig okay ist. Ich habe schon zwei Mal ein bisschen was gemacht, nicht einen ganzen Film, aber einzelne Szenen und man muss da sehr, sehr stark sein. Der Handwerksanteil, der ohnehin beim Musik machen vorhanden ist, der wird rapide größer bei Filmmusik, weil sich ständig immer alles ändern kann, im Entstehungsprozess. Szenen fallen weg, werden kürzer gemacht, Szenen lösen sich anders auf. Diese Handwerksattitüde, dass es einem egal ist, die habe ich nicht. Deswegen muss es ein Film sein, in dem die Musik eine andere Rolle spielt als bloßer Stimmungsverstärker.

Tipp: Am 13. Oktober 2016 könnt ihr Schiller um 20 Uhr live in der Arena Leipzig erleben.