Herr Tedesco, nach Schalke und Moskau wechselten Sie nach Leipzig. Ein Verein ohne lange Traditionsgeschichte. Spielten solche Fakten eine Rolle für Ihre Entscheidung?
Ich durfte 2015 schon einmal bei RB hospitieren. Dadurch habe ich den Verein schon etwas kennengelernt. Auch wenn es RB Leipzig noch nicht so lange gibt wie andere Vereine, so spürt man die Identifikation der Menschen in der Stadt sehr und ich kann Ihnen auch nach meinen aktuellen Eindrücken versichern: Es ist unseren Fans alles andere als egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Neben der Emotionalität gibt es noch weitere Faktoren, die wichtig bei meiner Entscheidung waren: Wie ist ein Verein aufgebaut? Wie ist der Kader? Wie sind die Strukturen, wie der Staff und wie können wir im Trainerteam arbeiten? Das sind alles Dinge, die hier in Leipzig auf einem extrem hohen Niveau gegeben sind.
Nun sind Sie seit Anfang Dezember Cheftrainer bei RB Leipzig. Sie sind das beste Rückrunden-Team und konnten die Saison auf dem 4. Tabellenplatz abschließen. Wie fassen Sie die Leistung Ihrer Jungs zusammen?
Was die Ergebnisse betrifft, bin ich natürlich sehr zufrieden. Nach der Hinrunde standen wir noch auf dem 10. Tabellenplatz und haben uns nun für die Champions League qualifiziert. Das zeigt, wie hart wir gearbeitet haben.
Sie sind mittlerweile ein halbes Jahr in Leipzig. Wie gefällt Ihnen die Stadt? Haben Sie bereits einen Ort, an dem Sie am liebsten essen gehen oder einfach abschalten können?
Ich habe mich hier in Leipzig von Anfang an wohlgefühlt. Viel Zeit gab es durch unseren engen Spielplan leider noch nicht, die Stadt zu erkunden. Aber ich war mit meiner Familie bereits im Leipziger Zoo, der wirklich schön ist, und den einen oder anderen guten Italiener haben wir hier zum Glück auch schon gefunden (lacht).
Ist der Kader nach Ihrer Meinung breit genug aufgestellt? Wie werden Sie für die nächste Saison auf dem Transfermarkt agieren?
Wir haben einen super Kader, mit richtig guten Jungs! Wir können jederzeit rotieren, ohne einen Qualitätsverlust zu haben. Unsere sportliche Führung hat die Augen immer offen und kennt den Markt ganz genau. Ich denke aber nicht, dass es einen großen Umbruch bei uns geben wird.
Auf Schalke haben Sie keinen schönen, aber dafür effektiven Fußball gespielt und waren damit erfolgreich. Allerdings haben Sie im zweiten Jahr dann Kritik erfahren. Wie gehen Sie mit dieser Erfahrung an ihren neuen Job hier in Leipzig heran?
Zunächst möchte ich betonen, dass ich im Profibereich vor Schalke bei Erzgebirge Aue als Trainer arbeiten durfte und zwischen Schalke und Leipzig eine wahnsinnig intensive und auch erfolgreiche Zeit bei Spartak Moskau verbracht habe. Beide Stationen werden in der Bewertung immer mal wieder vergessen und ebenfalls, dass wir jeweils attraktiven Fußball gespielt haben. Gemeinsam mit meinem Trainerteam versuchen wir grundsätzlich die Taktik an die Qualitäten des Kaders anzupassen und mit den verfügbaren Spielern den besten Ansatz zu finden. Das hat auf Schalke zur Vizemeisterschaft und zum Pokal-Halbfinale geführt. Der Kader von RB Leipzig bietet viele Möglichkeiten, sodass wir uns sehr variabel auf unsere Gegner einstellen können.
Die bevorstehende Weltmeisterschaft in Katar dieses Jahr steht schwer in der Kritik. Wie wichtig finden Sie es, als Fußballnation ein Zeichen zu setzen?
Ich laufe nicht mit Scheuklappen durch die Welt und kann verstehen, dass die Vergabe kritisch diskutiert wird.
Sie haben am 21. Mai Geschichte geschrieben und mit ihrer Mannschaft den ersten Titel für RB Leipzig geholt. Was bedeutet Ihnen der DFB-Pokal-Sieg persönlich?
In erster Linie freut es mich für die Spieler, die eine wahnsinnige Willensleistung gezeigt haben. Aber auch für die Fans, den Verein und die Stadt. Es war und ist immer noch ein unbeschreibliches Gefühl!
Können Sie zusammenfassen, was in Ihrer Zeit als Cheftrainer für RB Leipzig alles passiert ist?
Ich habe es immer wieder betont: Als wir hergekommen sind, haben wir eine intakte Mannschaft vorgefunden. Ich bin erst seit fünf Monaten da und ich kann nur sagen, dass es extrem viel Spaß macht. Ich freue mich auf jede Einheit, auf jedes Spiel, die Jungs performen zu sehen. In den fünf Monaten ist viel passiert. Wir waren die erfolgreichste Mannschaft der Rückrunde, haben uns für die Champions League qualifiziert und standen im Europa-League-Halbfinale. Als krönenden Abschluss gab es dann den ersten Titel der Vereinsgeschichte. Da ist ganz schön viel passiert in diesen fünf, sechs Monaten (lacht).
Wie sieht ein Abend nach so einem dramatischen Triumph aus?
Wir haben den Titel am selben Abend noch mit über 300 Mitarbeitern in einem Berliner Club gefeiert. Das ist auch ein Sieg für alle Mitarbeiter bei uns im Verein.
Es war ebenfalls der erste Titel in Ihrer noch jungen Karriere. Wie haben Sie die Feierlichkeiten erlebt? Wie kann man sich dieses Gefühl vorstellen?
Es war eine große Freude und eine große Ehre, den Pokalsieg in Leipzig mit all den Menschen gefeiert zu haben. Es war Wahnsinn, was da los war. Wir sind durch die Stadt gefahren worden und ich muss sagen, das war „Gänsehaut-Feeling“. Es ist der erste Titel der noch so jungen Vereinsgeschichte. Das ist Geschichte, das ist Historie und es erfüllt mich mit Stolz, da dabei gewesen zu sein. Das kann uns allen niemand mehr nehmen.
Die neue Saison hat gestartet und die Titelverteidigung für den RB Leipzig hat begonnen. Das erste Spiel der Hauptrunde findet am 30. August Auswärts beim FC Teutonia 05 Ottensen in Dessau statt. Seit mit dabei und unterstützt Trainer Domenico Tedesco und sein Team live vor Ort. Die Tickets findet ihr hier: FC Teutonia