Ein Raum, um sich geerdet und entspannt zu fühlen Interview: Tina Dico

Die dänische Musikerin, Komponistin und Singer-Songwriterin Tina Dico kehrt im Herbst 2023 auf die deutschen Bühnen zurück! Wir haben mit ihr gesprochen – über die letzten Jahre, neue Musik und das Schreiben von melancholischen Liedern.

© Helgi Hrafn Johnsson

Du kommst im Herbst nach Deutschland. Hast du einen Bezug zum Land?

Ich spiele seit langem immer wieder in Deutschland und spüre immer eine große Verbundenheit zum Publikum. Es ist ein Vergnügen, an diesen schönen Orten aufzutreten und die Reaktionen zu sehen. Auch die Interviews sind immer sehr herzlich.

Was genau können die Fans von der Tour erwarten?

Ich habe mich entschieden, eine Tour mit meinen Favoriten und den Favoriten des Publikums zu machen. Es ist bestimmt auch interessant für das Publikum zu sehen, welche meine Lieblingssongs sind. Die Shows werden aber auch aus Songs bestehen, die alle kennen und lieben. Das ist das Gefühl, was ich vermitteln möchte. Ich vermisse die Nostalgie und Verbundenheit, die damit einhergeht.

Siehst du einen Unterschied zwischen deinen Lieblingssongs und denen des Publikums?

Von Person zu Person und von Land zu Land. Wenn ich auf Facebook nach Wünschen frage, bekomme ich bestimmt hunderte verschiedene. Das finde ich schön, denn es zeigt, wie jeder mit anderen Songs verbunden ist. Ein Lied wie „Count to Ten“ ist in Deutschland natürlich beliebt, weil ich es auch mit Ina Müller gesungen habe.

Dein letztes Album war komplett in Dänisch. Wirst du es auch in Deutschland spielen?

Ich werde es im Gepäck haben, aber wahrscheinlich nicht spielen. Ich hätte nie erwartet, dass deutsche Fans sich das unbedingt anhören würden. Aber ich kenne Leute, die sagen mir: „Ich verstehe zwar nicht, was du singst, aber ich verstehe es“ – wegen der Stimmung und der Melodie.

Wenn du auf deine Alben zurückblickst, welche wiederkehrenden Themen erkennst du?

Zeit ist ein großes Thema und alles, was damit zu tun hat. Das Konzept vom Altern und von der Vergänglichkeit, das Beste aus allem zu machen. Ich versuche, das in meinen Songs widerzuspiegeln, sich so lange wie möglich lebendig zu fühlen. Ich möchte über die menschliche Natur reflektieren. Im dänischen Album geht es zum Beispiel um Covid, aber auch um die Krise, in der sich die Menschen befinden. Sehnsucht ist auch ein Thema für mich, denn das Leben ist voller Gegensätze und Dinge, die keinen Sinn ergeben. Aber in der Musik ergibt alles Sinn. Man kann alles in ein Lied packen und plötzlich funktioniert es.

Gibt es auch kleinere Momente, die dich beim Schreiben inspirieren?

Ja, ich habe oft kleine Momente, die mir den Funken für Songs geben. Es ist im Moment aber nicht einfach zu schreiben, denn es ist schwer, die Welt widerzuspiegeln. Wie bricht man sie auf dreieinhalb Minuten Reim und Melodie herunter? Den Prozess der Inspiration werde ich nie verstehen. Ich denke immer, nun bin ich alt genug, aber es bleibt ein Mysterium.

Haben sich deine Texte und Musik im Laufe deiner Karriere verändert?

Ja, sehr. Als ich angefangen habe, hatte ich vieles, was aus mir raus wollte. Als ich inmitten eines Gefühls war, musste ich es sofort aufschreiben. Es war sehr emotional. Jetzt mache ich alles bewusster. Ich möchte nicht mehr mitten in einer Emotion sein, wenn ich schreibe. Ich möchte es gefühlt haben und rückwirkend eine Geschichte erzählen, die für Menschen greifbar ist. Ich drücke es ihnen nicht auf, es ist sehr klar und ehrlich.

Kannst du uns noch mehr über die Musik erzählen, die du im Moment produzierst?

Es ist noch ziemlich frisch und roh. Die Songs versuchen wiederzugeben, wo ich in der Welt stehe. Es sind auf jeden Fall keine Liebeslieder. Es gibt ein Lied, das von den Frauen handelt, die vor mir kamen und auf deren Schultern ich stehe. Da gibt es auch Songs über Freude und darüber, sie sich selbst in schweren Zeiten zu erlauben. Und menschliche Dekadenz: Was tun wir hier gerade? Wieso können wir uns nicht kontrollieren? Die Höhen und Tiefen des Lebens eben.

Wenn du sagst, man solle sich Freude erlauben, ist es dann ein Problem für dich, wenn du melancholische Lieder schreibst und performst?

Das war nie ein Problem für mich. Für die meisten, die melancholische Musik genießen, ist es nicht wirklich traurig, sondern introspektiv. Es ist ein Raum, den man betreten kann, um sich geerdet und entspannt zu fühlen. Man kann ruhig und ehrlich reflektieren. Diese Musik macht mich nicht weniger glücklich, es ist eher, als wäre das Glück auf etwas Solidem aufgebaut.

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