Itchy Poopzkid sind Sibbi, Panzer und Max. Die Punkrockband hat nicht nur ihr sechstes Album („Six“) veröffentlicht. Die drei haben sich auch der Frage gewidmet, wie man so als Rockband über die Jahre überlebt. Heraus kam der nicht ganz ernstgemeinte, aber durchaus hilfreiche Ratgeber mit dem Titel – wie sollte es auch anders sein – „How To Survive As A Rockband“. Wir sprachen mit Panzer u.a. über die drei wichtigsten Survival-Tipps, negative Kritik, verloren gegangenen Rock‘n‘Roll und Alexander Zorniger.
Wie beschreibst du „Six“?
Hervorzuheben ist, dass wir das Album, im Gegensatz zu den Vorgängern, ganz simpel aufgenommen haben. Bei früheren Alben hatten wir auch schon mal Synthies oder Klavier im Studio dabei. Dieses Mal wollten wir es einfach so aufnehmen, wie wir als Band im Proberaum funktionieren: Also Gitarre, Schlagzeug, Bass und zwei Gesänge. Und mehr sollte auch nicht passieren. Es sollte diese Rock’n’Roll-Attitüde haben. Und so haben wir das dann auch gemacht: Die simplen Sachen herausgehoben und versucht, trotzdem melodische Songs zu schreiben. Und trotz der Tatsache, dass es sehr vielseitig ist – es gibt härtere Songs und ruhigere Nummern – haben wir es dieses Mal geschafft, einen roten Faden durchzuziehen. Und ich kann mir die Platte auch jetzt nach einem halben Jahr immer noch anhören und dahinterstehen.
War das mal anders?
Wenn ich mir jetzt alte Sachen anhöre, dann denke ich mir oft: „Hmmm ok, das hätte man anders machen können“. Aber das ist ja immer so bei Sachen, die länger zurückliegen. Man denkt, man hätte eher den Song draufnehmen sollen oder den weglassen können. Es ist tatsächlich so, dass ich zum ersten Mal mit dem Album zu 100% mit mir im Reinen bin. Das ist ein schönes Gefühl.
Es kommt von Kritikern immer mal wieder der Vorwurf, dass ihr typischen Poppunk ohne Überraschungen macht. Nervt das?
Ich muss zugeben, als wir 2005 unser erstes Album herausgebrachten, habe ich mir wirklich alle Rezensionen durchgelesen. Die positiven haben mich natürlich sehr gefreut. Die negativen habe ich dann tatsächlich auch persönlich genommen. Aber mit den Jahren wird man dann etwas altersweise (lacht) und nicht mehr so angreifbar. Das Ding ist, dass wir drei einfach die Musik machen müssen, die uns gefällt. Und wenn wir uns die Platte, die wir gemacht haben, anhören und das Ergebnis super finden, dann ist es genau das, was es sein soll. Außerdem finde ich, dass es gar nicht so ein typischer Poppunk ist. Wir klingen jetzt nicht unbedingt wie Blink-182.
Komischerweise bleiben auch immer die negativen Sachen im Gedächtnis und man macht sich über die viel mehr Gedanken – das ist völlig blödsinnig: Wenn von 10 Rezensionen 9 gut sind und nur einer schreibt, dass es die letzte Scheiße sei, dann liegt man abends im Bett und denkt drüber nach, dass es der eine nicht gut findet. Und das ist doch totaler Unsinn.
Mit jedem Album habt ihr mehr Erfolg gehabt. Wie erklärt ihr euch, dass es so lange gedauert hat?
Wir sind so eine Band, die nie von irgendjemanden oder irgendwas von 0 auf 100 geschleudert wurde. Sondern wir sind eine Band, die stetig in kleinen Schritten gewachsen, und die immer ein paar Treppen nach oben geklettert ist. Wir arbeiten hart für unsere Band – das ist auch einfach unser Baby, das wir jetzt seit 15 Jahren versuchen großzuziehen.
Als wir mit dem Album auf Platz 5 eingestiegen sind, das muss ich zugegeben, hat uns das sehr gefreut, weil wir in der Vergangenheit bei einem großen Plattenlabel waren – da gab es gute, aber auch schlechte Zeiten und wir haben uns von denen dann getrennt. Seit drei Alben haben wir jetzt unsere eigene Plattenfirma und machen alles komplett selber. Und dass wir es damit geschafft haben, die Top 10 zu entern, ist wirklich krass. Wir lagen uns in den Armen und haben uns totgelacht, dass das wirklich funktioniert hat.
Was ist der größte Vorteil, auf eurem eigenen Label zu releasen?
Ganz klar, dass wir selber entscheiden können und nicht noch mit jemand Viertem diskutieren müssen, ob dieses oder jenes ok geht. In der Vergangenheit gab es mit unserem früheren Label Gespräche, die einfach ganz schrecklich waren. Da gab es völlig unterschiedliche Vorstellungen und auch Vorschläge von deren Seite, was wir machen sollten, in welche Richtung wir uns entwickeln sollten, wie unsere Videos auszusehen haben. Wir fanden das meistens fürchterlich. Da gab es auch ganz schlimme Diskussionen und Streitgespräche.
Für uns ist es so einfach die allerbeste Lösung mit dem eigenen Label. Klar, hat man da nicht das Budget zur Verfügung, um Promo und Aufnahmen zu machen wie vorher. Da war natürlich viel mehr Geld da, jetzt müssen wir finanziell alles selber stemmen, aber das gibt uns trotzdem ein viel, viel besseres Gefühl. Vielleicht in einem scheinbar kleineren Rahmen erst mal, aber es funktioniert ja trotzdem, und da sind wir auch stolz drauf.
Warum braucht es dann überhaupt noch Major Labels – nur für die ganz Großen?
Wir hatten auch nicht nur schlechte Zeiten bei unserem Label. Es kann auch ein großer Vorteil sein, wenn bei einer jungen Band ein Major Label mitmischt: auf einmal stehen Türen offen, die vorher geschlossen waren. Und auf einmal ist auch Geld da, um Werbung zu machen und die Kontakte, um ins Radio zu kommen. Es kann unglaublich helfen, um auf der Erfolgswelle nach oben zu kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch viele negative Aspekte: Jeder will natürlich auch überall mitverdienen und überall mitsprechen. Das hat uns dann im Endeffekt zu sehr gestört.
Euer Song „The Living“ wurde 2011 Titelsong einer Fernsehwerbungs-Kampagne für eine Automarke. Gab es denn Kritik von euren Fans?
Das haben wir natürlich befürchtet – als Punkrockband machst du sowas ja eigentlich nicht (lacht). Wir haben gedacht, dass da ganz viele Sellout-Vorwürfe kommen. Aber es ist nichts passiert. Es gab eigentlich überhaupt niemanden, der irgendwas zu uns gesagt hat – das hat uns fast schon geärgert (lacht). Nee, aber wir haben darüber beraten, ob wir das machen oder nicht und haben dann nichts Verwerfliches daran gefunden. Hätte ich jetzt für ein Frauenparfüm oder Babywindeln Werbung machen müssen, wäre mir das deutlich schwerer gefallen als für ein Auto.
Ihr habt das Buch geschrieben „How To Survive As A Rock Band“. Nenn‘ mal die drei wichtigsten Punkte, wie man als Rockband überlebt.
Der erste Punkt ist auf jeden Fall, nicht unbedingt auf Teufel komm raus erfolgreich sein zu wollen und das allzu verbissen zu sehen. Das ist der allergrößte Fehler, vor allem bei einer Punkrockband. Man sollte einfach Spaß haben. Natürlich muss man verbissen arbeiten, um Erfolg zu haben, aber man muss auch Spaß dabei haben. Wenn man keinen Spaß hat, kann man es gleich knicken.
Der zweite Punkt ist, sich seine Bandkollegen gut auszusuchen. Man sollte unbedingt miteinander befreundet sein. Wenn man nur eine Zweckgemeinschaft ist, um Musik zu machen, dann wird man es wahrscheinlich nicht schaffen, mehr als ein paar Jahre zusammen aufeinander zu hängen. Und man hängt sehr viel aufeinander. Also ich sehe meine Bandkollegen leider öfter als meine Freundin (lacht).
Und der dritte Punkt ist: Erst Rockstar werden und sich dann wie einer aufführen und nicht andersrum. Das machen viele junge Bands auch falsch (lacht).
Führt ihr euch jetzt wie Rockstars auf?
Ich glaube nicht. Noch nicht. Wir lachen eher über die Bands, die das tun. Wir haben vor kurzem am Bodensee auf einem großen Festival mit Kings of Leon gespielt. Da musste man etwa 30 Meter vom Backstage bis zur Bühne laufen. Und dafür haben die sich schwarze Limousinen kommen lassen, damit die jemand da hinfährt und nach dem Konzert von der Bühnenkante wieder abholt. Wenn du diesen Punkt erreicht hast, weiß du, dass in deinem Leben irgendwas verkehrt läuft. Das finden wir nicht so cool.
Ist es enttäuschend, wenn du z.B. eine Band cool findest, und du merkst, dass die die Bodenhaftung verloren haben?
Ja, teilweise schon. Im Großen und Ganzen waren die meisten Erlebnisse mit Stars, also Leute, von denen wir auch Platten im Regal stehen haben, total positiv. Das sind nach wie vor coole Typen und die sind auch immer noch total nett und freundlich. Nur einmal ist es mir bisher passiert, dass ich enttäuscht war: In der Schweiz haben wir mit Social Distortion gespielt. Das ist eine Band, die ich seit Kindheitstagen höre und von der ich früher auch riesiger Fan war. Da war es auch so, dass die den ganzen Tag nicht da waren und der Sänger Mike Ness wirklich zwei Minuten vor der Show auch mit der schwarzen Limousine an die Bühnenseite gefahren wurde, ausstieg und direkt auf die Bühne lief. Ich kann mir das halt nicht vorstellen. Das hat für mich mit Rock’n’Roll auch nichts mehr zu tun. Das fand ich schon enttäuschend.
Ihr seid große Fußballfans, du insbesondere vom VfB Stuttgart. Was sagst du zur aktuellen Situation? Glaubst du noch an Trainer Alexander Zorniger oder nicht mehr?
Als VfB-Fan muss man an alles glauben, was sich so bietet. Unser Schlagzeuger Max und ich sind richtig harte VfB-Fans. Es ist manchmal echt schwierig, wenn wir uns nachmittags noch das Spiel anschauen und abends auf die Bühne sollen und so tun sollen, als wären wir heute gut drauf. Das ist gar nicht so einfach. Aber man ist als Stuttgartfan in den letzten Jahren ja leidensfähig geworden. Ich glaube schon daran, dass es mit dem Zorniger gut klappen kann. Dauert halt wieder ein bisschen lange … (lacht). So wie immer alles bei uns. Wir werden uns wahrscheinlich wieder in letzter Sekunde vor dem Abstieg retten. Aber wenigstens ist es bei uns spannend. Unser Gitarrist Sibbi ist Bayernfan und da denke ich mir: Wie langweilig ist das überhaupt? Jedes Wochenende weiß man doch, dass die eh schon wieder gewinnen und es nur noch darum geht, wie hoch die gewinnen. Das ist doch total öde.
Zorniger ist schon ein spezieller Typ, er sagt auch alles, was ihm gerade in den Kopf kommt. Wie kommt er so bei dir an?
Ich muss sagen, ich finde es total gut, wenn es in der Bundesliga auch mal so Typen gibt, die den Mund aufmachen und vielleicht auch mal was sagen, was in der ersten Sekunde nicht so clever ist und vielleicht auch aus einer Emotion heraus gesagt ist. Ich finde diese Typen, die Dinge tun, die andere halt nicht tun, total wichtig für die Liga. Diese antrainierten Interviewantworten, die es nach jedem Siel gibt, bei denen man denkt, der hat einen Zettel und liest grad runter, sind doch langweilig. Ich finde das ganz fürchterlich. Ich freue mich über jeden, der den Mund aufmacht und auch mal was Unbequemes in der Öffentlichkeit sagt. Zorniger ist auf jeden Fall sympathisch und ich bin froh, dass wir ihn haben. Ich fände es aber gut, wenn wir mal ein Spiel gewinnen würden (lacht).
Stichwort RB Leipzig: Was ist deine Meinung?
Das sehe ich schon bedenklich. Das ist einfach nicht cool, wenn sich so große Investoren reinkaufen und einen Club aufpäppeln. Ich finde es total schön für Leipzig und ich finde auch, dass Leipzig es absolut verdient hat, einen erfolgreichen Fußballclub zu haben. Aber die Art und Weise ist nicht schön. Es ist wie mit Hoffenheim – ich finde, das ist kein cooler Verein. Und für mich ist es spannender ins Stadion zu gehen und man spielt gegen einen traditionsreichen Verein wie Mönchengladbach als gegen RB Leipzig.