Jahcoustix über Weltbürger-Klischees, Weiße in Jamaika und Swing Jahcoustix im Interview

Wer Reggae mag, sollte Jahcoustix auf seinem Roots-Radar haben. Im Interview erzählt er uns, wie Weiße mit Dreadlocks in Jamaika ankommen, warum der Begriff Weltbürger so klischeebeladen ist und was er mit Swing zu tun hat.

Wer Reggae mag, sollte Jahcoustix auf seinem Roots-Radar haben. Der Diplomatensohn, der seine Kindheit und Jugend u.a. in Mexiko, Liberia und Kenia verbrachte, feierte im letzten Jahr sein 10-jähriges Musikerdasein, in dem Zusammenarbeiten mit Shaggy, Gentleman und Apple Gabriel Platz fanden. Im Interview erzählt er uns, wie Weiße mit Dreadlocks in Jamaika ankommen, warum der Begriff Weltbürger so klischeebeladen ist und was er mit Swing zu tun hat.

© Veranstalter
Du hast letztes Jahr dein 10-Jähriges gehabt. Was hat sich vom ersten bis zum sechsten Release verändert?
Es passiert natürlich viel. Man macht eine Entwicklung durch, persönlich wie auch musikalisch. Das geht soweit, dass man sich teilweise in eigenen Texten nicht mehr unbedingt wiederfindet. Oder man kann die Texte, die man vor zehn Jahren geschrieben hat, völlig neu interpretieren aufgrund der neuen Erkenntnisse oder Lebenserfahrungen, die man eben gemacht hat. Wobei aber auch viel dabei ist, wo man sich schon manchmal wundert, wie man eigentlich schon vor zehn Jahren über Dinge gedacht hat. Musikalisch war es die letzten zehn Jahre nicht unbedingt so, dass ich das Bedürfnis hatte, mich mit jedem neuen Album neu erfinden zu müssen. Für mich war das nach dem 10-jährigen Jubiläum eher so eine Art Rückbesinnung. Deswegen habe ich auch so eine ziemlich kompromisslose Roots-Reggae-Scheibe gemacht, weil das meine Anfänge waren. Und Reggae ist nach wie vor einfach die Musik, die in mir am meisten bewegt.

Wie kommt es, dass du den Weg nach Jamaika erst vor vier Jahren gefunden hast?
Eigentlich wollte ich schon 2004 nach Jamaika. Aber dann hatte ich einen Tag vor Abflug einen krassen Autounfall. Ich habe mir da nicht viel getan, aber ich habe das irgendwie als Omen gewertet. Ich dachte mir: ‚Hm, irgendwas will dir das Leben gerade sagen, drück mal auf die Bremse’. Und dann bin ich nicht geflogen. Als ich dann das erste Mal 2009 da war, dachte ich mir, dass das vielleicht auch gar nicht so schlecht war, dass ich damals noch nicht hin bin. Wenn du als weißhäutiger Typ mit Dreadlocks nach Jamaika kommst, ist es schon was Spezielles. Wobei ich nie irgend welche rassistischen Ressentiment gespürt habe. Ich habe da zwar nicht nur positive Erfahrungen gemacht, aber die Leute testen natürlich auch. Die Jamaikaner sind Menschen, die ein sehr starkes Gespür dafür haben, was du bist und ob das jetzt aufgesetzt ist oder nicht. Da hatte ich dann auch sehr interessante Diskussionen, bei denen man auch gewappnet sein muss. Beispielweise warum ich als Weißer eigentlich Dreadlocks habe und was das für mich bedeutet.

Wie hast du die Jamaikaner kennengelernt?
Sie sind sehr forsch – im positiven Sinne – und sehr selbstbewusst. In Jamaika ist es so: Entweder du kannst was und hältst mit oder du kannst nach Hause gehen (lacht).

In einem Interview hast du gesagt, dass du in den nächsten zehn Jahren auch neue musikalische Wege gehen willst. Was heißt das?
Ich habe total viele Ideen. Ich glaube, die nächste Jahcoustix-Platte wird sich schon sehr stark an Reggae orientieren, weil die Musik mir persönlich einfach sehr viel gibt. Aber ich habe zwei weitere konkrete Ideen, die ich gerne noch verfolgen würde. Zum einen wäre das eine Platte, die ein bisschen reduzierter ist wie in Richtung The Police oder Red Hot Chili Peppers – also nur mit Bass, Schlagzeug und Gitarre. Und ein anderer Traum von mir ist, dass ich irgendwann eine richtig coole Swing-Platte mit Big Band mache. Das klingt jetzt vielleicht auch total bescheuert, aber ich habe immer das Gefühl, so eine richtig gute Swing-Platte kann ich erst machen, wenn ich Mitte 40 bin, weil mir das sonst auch keiner abnimmt (lacht).

Du bist in verschiedenen Ländern aufgewachsen. Würdest du dich, wie von dir und Shaggy besungen, als World Citizen bezeichnen?
Ja, total. Obwohl der Begriff Weltbürger ja schon ein sehr klischeebehafteter Begriff ist. Es gibt viele Leute, die etwas verwirrt sind, wenn jemand daher kommt und versucht, eine positive, idealistische Message zu verbreiten. Die Leute denken immer, der Typ muss vollkommen naiv sein (lacht). Aber ich habe auch die Erfahrungen gemacht, auch wenn die Leute von dem was ich singe kein Wort verstehen, erreicht man durch die Musik wahnsinnig viel.

Gibt es einen Ort, an dem dein Herz besonders hängt oder wo du dir vorstellen könntest, sesshaft zu werden?
Kenia spielt natürlich schon eine wichtige Rolle, weil dort auch alles entstanden ist. Da habe ich meine erste Gitarre bekommen und da habe ich meine ersten Songs geschrieben. Aber ich würde mich gar nicht auf einen bestimmten Ort beschränken. Wenn ich dir jetzt ein Land nennen würde, würde ich wahrscheinlich in fünf oder zehn Jahren ein anderes nennen.

Du trittst im Februar in Leipzig auf.
Ja, in der Halle D im Werk 2 war ich das letzte Mal auch schon. Ich bin damals durch Leipzig geschlendert und hatte das Gefühl, dass da in der Stadt echt etwas passiert. Als ich das erste Mal in Leipzig war, da haben irgendwie alle erzählt, die Stadt sei tot. Alles stehe leer und die Leute hauen ab. Das wirkte echt betrübt. Dann war ich das nächste Mal in Leipzig, ich glaube 2011, da ging es dann irgendwie echt ab. Da waren wir dann auch in so einem richtigen Künstlerviertel. Überall geilste Graffiti und kleine Cafés. Da hatte ich wirklich das Gefühl gehabt, die Stadt pulsiert.

Was können die Leipziger von deinem Konzert erwarten?
Wir haben erst einmal einen sehr heißen Support-Act dabei – die More Colors. Wir werden den Leuten eine sehr schöne energiereiche Reggae-Show bieten, viel vom neuen Album, aber auch alte Geschichten – einfach durch die Reihe der letzten zehn Jahre meines musikalischen Schaffens. Wir haben auch noch einen Special Guest dabei mit Commander Messiah, den habe ich auf meiner Westafrika-Tour in Ghana kennengelernt und der ist mittlerweile nach Deutschland gezogen und geht mit uns auf Tour. Es wird sich lohnen, vorbeizukommen. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, denn ich habe die Leipziger als ein sehr sympathisches und feierfreudiges Publikum kennengelernt.

Infos:

Jahcoustix tritt am 13. februar 2014 live im Werk 2 auf.
Zu Jahcoustix nach Hause kommt ihr hier.