„Von duftenden Obstblüten und dem satten Gelb der Rapsfelder!”, könnte man vermuten. Unsere Neugier führte uns zu Anne Kathrin Mohr, der wir beim schweißtreibenden Training auf dem Südfriedhof über die Schulter schauten. Imkern ist kein Honigschlecken.
Die Bienen summen in der Luft und der Bär probiert es mit Gemütlichkeit. So harmonisch sieht die Welt im Dschungelbuch aus. In Realität stemmt Anne Kathrin Mohr mehrmals täglich 20 Kilo Honigraum. Eine aufwendige, kräftezehrende Arbeit und nicht umsonst männerdominierte Branche, dieser Imker-Job – der sich deutlich an Anne Kathrins definierten Oberarmen abzeichnet. Seit sechs Jahren betreut sie an verschiedenen schönen Standplätzen im Leipziger Stadtgebiet zahlreiche Bienenvölker. Ein lautes Summen und vor allem munteres Treiben führt uns an einen idyllischen Ort ganz in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals, an dem sie uns mitsamt ihrer Bienen herzlich empfängt. Überall schwirrt und flattert etwas zaghaft an uns vorbei. Anne Kathrin legt bei der Selektion ihrer Bienen auch Wert auf die Friedfertigkeit, die überraschenderweise in den Genen verankert ist. Entspannte Bienen haben den Vorteil, dass sie weder die Imkerin noch vorbeigehende Besucher grundlos angreifen. Das erleichtert die Arbeit enorm. Zumal es sich ohne den klassischen Anzug und Handschuhe viel feinfühliger am Bienenstand arbeiten lässt. Ein kleiner Smoker und etwas Rauch reichen aus, um den Bienen einen Waldbrand vorzugaukeln, der sie im Nu dazu verleitet, sich auf eine mögliche Evakuierung vorzubereiten. Während sie mit dem Packen ihrer Honigvorräte abgelenkt sind, nutzen wir die Zeit, um zügig aber gewissenhaft die Bienenbehausung zu erkunden. An Brutwaben schließen sich Futterkränze an, welche die Brut und die Königin mit Vorräten versorgt. Überschüssiger Nektar landet in den Honigräumen, die je nach Bedarf auf den Brutkasten aufgesetzt werden. Kräftige Bienenvölker nutzen die Zeit des Überflusses, um sich zu teilen und so zu vermehren. Anne Kathrin erzählt uns, dass das Schwarmgeschehen ein natürlicher Vorgang ist, der aber im Interesse einer gelingenden Bienenhaltung und guter Nachbarschaft sinnvoll gelenkt und nicht einfach dem Zufall überlassen wird. Im Frühjahr und Sommer besucht sie einmal die Woche das Volk, um das Schwarmverhalten zu lenken und immer auch einen Blick auf mögliche Bienenkrankheiten zu werfen. Nur so kann jedes Volk gesund und stark in den Winter gehen.
Alles Bio-Honig oder was?
Nur bedingt Einfluss hat die Imkerin darauf, wo die Honigbienen ihre 30 Kilogramm Pollen (und den Honig) sammeln, die sie pro Jahr überwiegend für die Aufzucht der Brut und somit für den Fortbestand des Bienenvolkes benötigen. Da sich die kleinen Insekten locker bis zu fünf Kilometer vom Stand entfernen, kann niemand gewährleisten, dass sich ihre Tiere ausschließlich von Lindenblüten oder schadstofffreien Pflanzen ernähren. „Ich kann ihnen schwer verbieten, die attraktiv duftenden Felder der konventionellen Landwirtschaft weit außerhalb der Stadt anzufliegen. Bienen sind Rapsjunkies, denn der Raps bietet Nektar und Pollen im Überfluss. Trotzdem kann ich mich als Imkerin in der Stadt glücklich schätzen, dem Problem der Pestizidrückstände weniger ausgesetzt zu sein, da es den Bienen in Leipzig, aufgrund der vielen verschiedenartigen Flächen (Wald, Parks, Gärten, Balkone, Brachen) leichter fällt, Nahrung in extensiven und unbelasteten Trachten zu finden.“ Das Schöne am Naturprodukt Honig ist, dass kein Jahr dem anderen gleicht und Nektaranteile immer variieren. Zudem besitzt jeder Stadtteil seine eigene Zusammensetzung an Pflanzen, was zur Folge hat, dass die Honige an den verschiedenen Standplätzen jeweils eine eigene Geschmacksrichtung entwickeln.
Während wir uns neugierig und unaufmerksam auf die Honigverkostung stürzen, passiert es dann doch: Ein kurzer Schreck und schon entwickelt sich eine kleine rote Beule am Kinn. „Da hilft nur kühlen!“, erklärt uns die Imkerin und räuchert uns zum Schutz vor weiteren Stichen kräftig ein. Bienen riechen dreidimensional. Das heißt deutlich besser als wir. Bei einem Stich geben sie Alarmpheromone ab und alarmieren ihr Volk. Ein vermeintlicher Angreifer wird nicht nur gestochen, sondern auch als Unruhestifter markiert, was wiederum die Angriffslust anderer Bienen auslösen kann. Also verharren wir in aller Ruhe im Rauch, in der Hoffnung, dass uns die Honigbienen, die bewegte Gegenstände deutlich schärfer sehen als ruhende, aus Augen und Fühlern verlieren. Übrigens, Anne Kathrin isst ihren Honig – egal ob Frühlings-, Sommer- oder Götterbaum-Lindenhonig – am liebsten cremig feinsteif. In ihrer Honigküche in Großzschocher rührt sie den Honig so lange, bis er die gewünschte Konsistenz erreicht hat, um ihn dann, immer nach Standorten getrennt, in kleine Gläser mit dem jeweiligen Stadtteil-Etikett ausgestattet an Leipzigs Schleckermäuler zu verteilen.
Info: Die leckeren Bio-Honige, darunter die Frühlingsblüte vom Cospudener See und aus Lindenau, erhaltet ihr in zahlreichen Leipziger Bioläden. Weitere Infos unter imkerei-mohr.de