Leipzigs Geschichte: naTo

Kaum ein Bezirk wächst so stark an Popularität wie Leipzig Süd. Hier gibt es das alternative Connewitz, das wohnliche Dölitz-Dösen, Lößnig mit Ostblock-Charme, das idyllische Marienbrunn und die kultige Südvorstadt. Im Rahmen unseres Süd-Spezials, das ihr in unserer September-Aufgabe findet, erzählen wir euch mehr über die Geschichte der naTo:

Die naTo
© naTo

Klub an der Ecke

Dort wo sich die Körnerstraße und die von vielen Leipziger:innen geliebte Karl-Liebknecht-Straße a.k.a. Karli kreuzen, steht ein eingeschossiger Flachbau an der Ecke. Es ist die naTo, die nicht erst seit gestern als soziokulturelles Zentrum den Süden Leipzigs prägt.

Das Gebäude, das damals den Namen Kulturhaus der Nationalen Front trug, gibt es seit 1956. Die Nationale Front war der Zusammenschluss aller Parteien der DDR und ihrer verschiedenen Massenorganisationen und zuständig für die Organisation und Durchführung der Wahlen. Das Kulturhaus diente ihr als Versammlungs- und Veranstaltungsort. Doch bis in die 1970er Jahre wurden die Veranstaltungen immer seltener und beschränkten sich auf Schachzirkel, Tanzabende und die Sprechstunden mit den örtlichen Beamten. In der Zwischenzeit hatte sich im Leipziger Süden eine alternative Kunst- und Kulturszene entwickelt, die jedoch kaum genug Raum fand. Und so kam es zu Planungen, den in die Jahre gekommenen Flachbau an der Karli wiederzubeleben. Am 7. Mai 1982 fand im häufig ungenutzten Saal des alten Kulturhauses ein erstes Konzert statt, das vom Hausmeister Götz Lehmann und der Jugendklubhausleiterin Brigitte Schreier-Endler organisiert wurde. Nach weiteren Konzerten im Jahr 1983 gründete Lehmann den Klub an der Ecke.

die naTo früher
© naTo

Kunst unter staatlicher Kontrolle

Mit Unterstützung des aus zehn Mitgliedern bestehenden Klubrates und vielen ehrenamtlichen Helfer:innen und Künstler:innen gab es nun Raum für Jazz-, Rock- und Punkkonzerte, experimentelle Kunstprojekte und Theatervorstellungen. Dieser Raum war aber nicht frei von Kontrolle. Die alternative Kulturszene und besonders der Punk, der sich langsam in der DDR entwickelte, waren bei der Staatssicherheit nicht gern gesehen. So kam es vor, dass das Ministerium für Staatssicherheit oft Mitarbeiter:innen zur Sichtung der verschiedenen Darbietungen vorbeischickte. Die ersten Programmeinschränkungen erlebte der Klub an der Ecke dann jedoch von einer ganz anderen Seite. Im Jahr 1986 fiel die Heizung aus und der Betrieb konnte nur in den Sommermonaten fortgesetzt werden. Im Winter fanden die Veranstaltungen in Ausweichquartieren, wie der Moritzbastei oder der Schauburg, statt. Die Reparaturarbeiten dauerten von September 1987 bis zum November 1989 und zogen eine komplette Schließung des Ortes mit sich.

Ein neuer alter Name

Die Wiedereröffnung fiel in eine Zeit des politischen Umbruchs. Der Klub an der Ecke entstand im Jahr 1990 fast ganz neu als Kultur- und Kommunikationszentrum naTo e.V. Der Name naTo wurde schon seit der Mitte der 1980er Jahre im allgemeinen Sprachgebrauch für das Kulturzentrum benutzt. Es ist ein Kürzel und verweist auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes durch die Nationale Volksfront. Nicht nur der offizielle Name war nun ein anderer. Nach Lehmann übernahm Paul Fröhlich die Leitung und organisierte bis zu seinem unerwarteten Tod im Jahr 2009 viele Veranstaltungen, die bis heute das Profil der naTo ausmachen. Die 1990er Jahre waren für das Haus eine Zeit der Experimente und neuen Herausforderungen. Erneute Umbauten wurden erforderlich. Es wurde über eine Aufstockung des Gebäudes und einen kompletten Standortwechsel nachgedacht. Beide Ideen wurden letztendlich nicht verwirklicht. Dafür entstanden neue Veranstaltungsreihen und das Kulturangebot wurde internationaler. Auch ein gewisser Olaf Schubert soll 1995 hier seinen ersten Auftritt absolviert haben. Heute versteht sich die naTo als soziokulturelles Zentrum, dessen Programm sich hauptsächlich aus Musik, Theater, Filmkunst, Literatur und Veranstaltungen zu politischen Themen zusammensetzt.

Saal der naTo
© naTo

Prix de Tacot

Doch die naTo ist nicht nur auf ihre Heimstätte in der Karli beschränkt. Denn seit dem Jahr 1992 veranstaltet sie den Prix de Tacot, auch bekannt als Seifenkistenrennen. Dabei stürzen sich mutige Menschen in selbstgebauten „Wagen“ den Fockeberg hinunter und hinauf. Beim Bau des Fortbewegungsmittels sind der eigenen Fantasie keine Grenzen gesetzt, solange nichts auseinanderfällt. Nach dreijähriger Pause kann dieses spezielle Event am 3. September 2023 endlich wieder stattfinden. Neben drei verschiedenen Rennen wird ein Bühnenprogramm und buntes Markttreiben entlang der Fockestraße geboten.

Seifenkistenrennen naTo
© Clarissa Seidel

Website www.nato-leipzig.de | Instagram nato.leipzig