Eine Kirche für gute Musik Leipzigs Geschichte: Thomaskirche

Am Rande der Innenstadt von Leipzig steht eine Kirche, die besonders die musikalische Geschichte der Stadt geprägt hat. Die Kompositionen des ehemaligen Thomaskantors Johann Sebastian Bach sind für immer mit der Thomaskirche verbunden und ziehen bis heute ein weltweites Publikum an.

© Cindy Hiller

Mittelalterliche Anfänge

Bereits im 12. Jahrhundert gab es an der Stelle einen Kirchenbau. Aber erst mit der Stiftung des Thomasklosters für die Augustiner-Chorherren im Jahr 1212 entstand eine dazugehörige Klosterkirche. Gut zweihundert Jahre existierte dieses Gebäude, bis es Platz für einen Neubau schaffen musste. Denn die Stadt Leipzig war in der Zwischenzeit zu einem wichtigen Handels- und Messestandort geworden und wollte ihren Reichtum besonders durch die Anlage moderner Gebäude auch repräsentieren. So riss man die alte Kirche ab und errichtete von 1482 bis 1496 den spätgotischen Neubau, welcher in seinen Grundzügen bis heute erhalten geblieben ist. Die Hallenkirche wurde mit 76 Metern Gesamtlänge und einer Breite von 25 Metern in deutlich größe­ren Ausmaßen angelegt als ihre Vorgängerin. Eine Besonderheit stellt auch das Dach dar. Mit einem Neigungswinkel von 63° ist es eines der steilsten Giebeldächer Deutschlands.

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Zeitgeschmack und Kriegszerstörung

Doch nicht alles an der Thomaskirche, wie wir sie heute kennen, stammt noch aus dem 15. Jahrhundert. Um solche alten Gebäude über so einen langen Zeitraum zu erhalten, sind immer wieder Umbauten nötig. Manche Veränderungen hingen auch mit dem künstle­rischen Zeitgeschmack zusammen. So wurde die Kirche im 18. Jahrhundert außen und innen barock umgestaltet. Die Anbauten aus dieser Zeit wurden im 19. Jahrhundert schon wieder abgerissen. Denn zwischen 1884 und 1889 wurde das Gebäude ein letztes Mal umfassend umgestaltet. In dieser Zeit entstanden die heutige sehr gotisch wirkende Außenansicht der Kirche und auch der obere Teil des sechseckigen Turmes. Natürlich haben auch kriegerische Auseinandersetzungen ihre Spuren am und im Gebäude hinterlassen. Während der Völ­kerschlacht 1813 diente die Thomaskirche als Lazarett und beim Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 wurde die Turmhaube abgerissen. Sie wurde 1950 wieder­aufgesetzt.

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Bach und der Thomanerchor

In aller Welt bekannt geworden ist die Tho­maskirche besonders für ihren musikalischen Einfluss. Der berühmte Thomanerchor entstand bereits mit der Gründung des Klosters im Jahr 1212 und ist damit einer der ältesten Knabenchöre der Welt. Zur Mitgliedschaft im Chor gehört bis heute auch der Besuch der Thomasschule. Traditionell singt der Chor frei­tags und samstags die Motetten in der Thomaskirche. Eine Motette ist ein mehrstimmig gesungenes Musikstück, dessen Inhalt meistens auf biblischen Texten basiert. Dabei sind die Samstagsmotetten noch etwas Besonderes, denn seit 1992 werden dort nur Werke aus dem Kantatenzyklus von Johann Sebastian Bach (1685–1750) aufgeführt. Denn auch wenn es viele andere Thomaskantoren gab, hatte keiner so viel Einfluss auf die Kirchenmusik wie er. Dabei war er nicht die ers­te Wahl, als die Stelle des Thomaskantors frei wurde.Die Leipziger Bürger:innen bevorzugten zunächst Georg Philipp Telemann (1681–1767) und danach Christoph Graupner (1683–1760). Doch die beiden lehnten den Posten aus unterschiedlichen Gründen ab. So kam Bach schließlich an die Reihe und besetzte von 1723 bis zu seinem Tod die Stelle als Thomaskantor. Das Arbeitspensum war ziemlich hoch. Er war u. a. für die musikalische Leitung und Gestaltung der Gottesdienste in der Tho­maskirche und drei weiterer Leipziger Kirchen zuständig. Doch auch für nicht kirchliche Anlässe in der Stadt schrieb er Musikstücke und leitete die Aufführungen. Außerdem war vorgesehen, dass der Thomaskantor die Thomasschüler in Latein unterrichtete. Von dieser Aufgabe konnte sich Bach allerdings befreien. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören die Brandenburgischen Konzerte, die Matthäus-Passion und das Weihnachts­oratorium. Letzteres wird alljährlich in der Tho­maskirche aufgeführt.

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Nach seinem Tod gerieten Bach und seine Kompositionen in Vergessenheit und wurden erst im 19. Jahrhundert durch Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809–1847) wieder einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Heutzutage ist der Name Bachs untrennbar mit der Thomaskirche verbunden. Und zwar nicht nur, weil seine Gebeine 1949 aus der Johanniskirche (heute Grassi Museum) in die Tho­maskirche überführt wurden. Gerade das Bach-Fest zieht jährlich viele Musiker:innen und Publikum aus aller Welt an, die die Musik des Komponisten immer noch schätzen und neu interpretieren. Gegenüber der Kirche befindet sich im Bosehaus außerdem das Bach-Archiv mit dem Bach-Museum. Neben ei­ner umfangreichen Sammlung zur Geschichte der Familie Bach finden auch hier Konzerte im barocken Sommersaal statt. Und wer immer noch nicht genug von der Thomaskirche und seinem berühmtesten Kantor hat, findet im Thomasshop an der Kirche bestimmt das passende Souvenir.

Mehr Infos findet ihr unter: www.thomaskirche.org und www.bach-leipzig.de