Seit 2000 gibt es die Opferberatung des RAA, die mittlerweile in ganz Sachsen tätig ist. „Unser Ziel ist es, Betroffenen bei der Bewältigung zu helfen. Wir möchten erreichen, dass sie wieder Lebens- und Alltagsautonomie erlangen. Und im Idealfall, dass sie das Vertrauen in die Gesellschaft nicht ganz verlieren“, so Eichhorn. Die Opferberatung Leipzig bietet Entlastungsgespräche an, gibt rechtliche Informationen, hilft bei Anträgen an Behörden und stellt auch finanzielle Mittel zur Verfügung. Betroffene werden ebenso zu Anwälten und Gerichtsverhandlungen begleitet. Bis zum November dieses Jahres war Eichhorn bei 44 rechtsmotivierten und rassistischen Gewalttaten tätig. Ein Großteil der Betreuung erstreckt sich über mehrere Jahre. Dabei versucht sie auch das soziale Umfeld miteinzubeziehen. Was sie in Gesprächen hört, ist erschreckend. Von Mord, schweren Misshandlungen, von Unterschriftensammlungen der Nachbarn gegen einen Mieter, von Verfolgung und ständiger Beobachtung.
„Die Täter kommen nicht nur vom rechten Rand der Gesellschaft, sondern auch aus der Mitte. Der Alltagsrassismus hat sich seit der Wende verstärkt.“ Auch die Neonazi-Szene hat sich verändert: Nicht nur, weil das Klischee von Glatze und Bomberjacke überholt ist, sondern weil sich mit den Freien Kräften seit etwa 2006 auch die Gewaltbereitschaft massiv erhöht habe, sagt Eichhorn. „Die Täter sind aggressiver und enthemmter. Sie nehmen auch den Tod von Menschen in Kauf, versuchen beispielsweise, Menschen mit dem Auto zu überfahren.“ Die Lage in Leipzig schätzt sie als „immer noch sehr bedenklich“ ein. „Es gibt keinen Hinweis auf Entwarnung. Wenn es möglich ist, dass 2010 in der Nähe vom Hauptbahnhof und auf beleuchteter Straße ein junger Mann von zwei Neonazis erstochen wird, da stimmt doch etwas nicht.“
Foto: RAA Leipzig
„Glücklicherweise positioniert sich die Stadt und gibt ein Bekenntnis ab. In ländlichen Gegenden passiert nach wie vor wenig. Man hat Angst, in schlechtem Licht dazustehen und stellt sich den Problemen nicht.“ Die Arbeit wird durch Eichhorn in begrenzter Stundenzahl geleistet. „Das reicht einfach nicht. Insofern ist die Personalsituation sehr unbefriedigend.“ Förderung bekommt die Opferberatung Leipzig von der Stadt, im übrigen Sachsen über Bund und Land.
Und dass die Arbeit mehr als nötig ist, zeigen nicht nur die aktuellen Ereignisse rund um das Zwickauer Neonazi-Trio. „Da tritt zu Tage, was wir immer kritisiert haben: Die Problematik wird unterschätzt. Ich habe nur die Sorge, dass das Ganze nur eine große Welle ist, nach der nichts passiert. Aber es darf nicht übersehen werden, dass Menschen täglich Rassismus und Rechtsextremismus ausgesetzt sind.“