Über sieben Berge musst du gehn Rebecca Maria Salentin: „Klub Drushba“

In Leipzig ist Rebecca Maria Salentin keine Unbekannte: Sie ist Autorin, Mitveranstalterin der monatlichen Literaturshow „Die schlecht gemalte Deutschlandfahne“ und viele kennen sie als immer gut gelaunte (ehem.)Inhaberin des „ZierlichManierlich“ – dem Sommercafé im alten Zirkuswagen am Richard-Wagner-Hain. Fast 10 Jahre lang stand sie hier in den warmen Monaten und verkaufte Leckereien. Die kalte Jahreszeit nutze Salentin, um zu schreiben.

© Enrico Meyer
Autorin Rebecca Maria Salentin

Schon lange stand der Entschluss fest, dass, wenn die zwei Kinder aus dem Haus sind, ein neuer Lebens­abschnitt beginnen sollte. Das ZierlichManierlich wurde 2018 in neue Hände übergeben. Und Salentin plante, damals noch mit ihrem Lebensgefährten, den Europäischen Fernwanderweg von Eise­nach nach Budapest zu erwandern. Aber das Leben hält immer wieder Überraschungen bereit: So zerbrach ihre Beziehung und plötzlich stand sie nicht nur ohne Mann und Wanderpartner, sondern auch ohne Wohnung da. Das hielt sie aber nicht davon ab, die Wanderung trotzdem zu beginnen, oder vielleicht auch gerade deswegen. Denn wie sie in ihrem Buch schreibt, „nicht im Ankommen liegt die Veränderung, sondern im Losgehen“ und sie erwanderte sich „den Boden unter den Füßen zurück“.

Zu Fuß auf dem Weg der Freundschaft

Und so lief Salentin an einem Karfreitag los. Von Eise­nach über den Thüringer Wald, durchs Vogtland und durchs Erzgebirge, über das Altvatergebirge, die Hohe Tatra und die Karpaten bis nach Budapest – 2.700 Kilometer immer entlang des „EB“ – dem Internationalen Bergwanderweg der Freundschaft. Und dabei waren die Voraussetzungen denkbar schlecht. Salentin hat nicht unbedingt ein gutes Verhältnis zu Bergen, sie hat Übergewicht und schnauft laut eigenen Angaben bei jeder Treppe, sie ist ein Wandermuffel, sie ist nachtblind, hat Angst vor Spinnen, Hunden, Höhe, Gewitter und, und, und … Aber sie hat ihre Freunde im Gepäck – den Klub Drushba. Das ist die eigens für die Tour gegründete Whatsapp-Gruppe mit Freunden aus der Heimat, denen sie von der Tour berichtet, die sie aber auch unterwegs besuchen und sogar bis zu einer Woche auf der Unternehmung begleiten. Aus diesen Berichten ist letztlich auch die Idee zum Buch entstanden. Nun können wir alle Teil des Klub Drushba sein. Rebecca Maria Salentin nimmt die Leser:innen mit auf ihr Abenteuer, das tatsächlich in Budapest endet. Denn sie hat als 13. (!) seit Bestehen des Weges 1983 die gesamte Strecke ohne Pause absolviert. Auf amüsante und vergnügliche Art berichtet sie von Weggefährt:innen, die zu Freund:innen wurden, von den zahlreichen Begegnungen unterwegs, von der unglaublichen Angst bei einem Gewitter, von Wegen, die durch abgelegene Strecken führen, von zentimeterhohem Schnee mitten im Mai.

Abenteuerlust geweckt

Aber das Buch ist viel mehr als eine Reiseerzählung. Es ist ein aufrichtiger Selbstfindungstripp, der von den schönen, aber auch unangenehmen Seiten der Wanderung erzählt. Ja, es ist eine wunderbare Erfahrung in der Natur zu schlafen, aber ist sie es auch noch, wenn man beständig dem Wetter ausgesetzt ist? Salentin beschreibt all die unzähligen Situationen selbstironisch mit einem Augenzwinkern und macht kein Geheimnis daraus, dass sie auf der anstrengenden Tour mehr als einmal an ihre Grenzen gestoßen ist. All das macht das Buch zu einem wahren Lesevergnügen. Kein Wunder, dass es seit einigen Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste steht. Klub Drushba macht Mut und vor allem Lust, sich selbst auf ein Abenteuer einzulassen. Und dabei ist es vollkommen egal, wie alt oder unsportlich man ist oder meint, es zu sein. Wir erklimmen jetzt wohl erst einmal den Fockeberg um die Ecke.

© Voland & Quist

Übrigens: Wer Rebecca Maria Salentin live erleben möchte, hat am 18. März Gelegenheit dazu. Sie ist zu Gast in ihrer eigenen Literaturshow „Die schlecht gemalte Deutschland­fahne“ im Neuen Schauspiel Leipzig.

Verlag Voland & Quist (5. Auflage)

320 Seiten | 20,00 Euro