"Wenn man die Szene im Leipziger Fußball kennt, weiß man genau, wie viele Möglichkeiten es auch für andere Mannschaften gab." Sebastian Seifert über Club L1, Berlin-Vergleiche und Lok & RB Leipzig

Gastronom und Ex-Fußballprofi Sebastian Seifert spricht über die Leipziger Clublandschaft und Türpolitik, den nervigen Berlin-Vergleich und wie sich mit RB Leipzig die Karten im Leipziger Fußball komplett neu mischten.

Sebastian Seifert hat mit seinen 31 Jahren schon viel erlebt. Bevor er sich im Leipziger Nachtleben mit seinen Clubs L1 und Elsterartig einen Namen machte, war er Fußballprofi und erlebte hautnah mit, wie sich der Fußball hier veränderte. Wir sprachen mit ihm über den Club L1 und dessen Türpolitik, den hinkenden Berlin-Leipzig-Vergleich und dass Leipziger Fußballvereine durchaus Möglichkeiten hatten, so erfolgreich zu werden wie RB Leipzig.   

© Johannes Waschke / Benjamin Bodnar
 

Steckbrief

Geburtstag: 10.9.1985

Geburtsort: Borna

Beruf: Gastronom (Mitinhaber L1, Elsterartig, Eventpool-Leipzig GmbH), ehem. Fußballprofi

Vereine: u.a. Sachsen Leipzig, Erzgebirge Aue, 1. FC Lok Leipzig, SSV Markranstädt 

Du warst Profifußballer und bist nun Clubbesitzer. Wie kam es dazu?

Wie das als junger Kerl so ist, habe ich mich schlecht beraten lassen. Ich hätte damals ins Ausland in die Schweiz gehen oder auch in Aue bleiben können. Aber ich hatte mich dagegen entschieden. Da dachte ich mir: Ok, dann fange ich jetzt das Wirtschaftswissenschaften-Studium an und bin zurück nach Leipzig gegangen. Die Idee eines Clubs war immer im Hinterkopf durch die jahrelange Tätigkeit meiner Familie in diesem Business. Mein Vater hat uns mit seiner Erfahrung dann auch bei jedem Projekt geholfen.

Im L1 soll exklusiver und gehobener gefeiert werden. Wie seid ihr auf das Konzept gekommen?

So etwas hatte uns in Leipzig einfach gefehlt – das gab es bis dahin nicht. Allerdings war die Kommunikation, was den Dresscode betrifft, von Anfang an schwierig. Uns ging es nie darum, dass die Leute mit Anzug und Hemd in den Club kommen. In anderen Städten ist ein Selekteur an jeder Tür Gang und Gäbe, auch was gewisse Gruppierungsanteile und Verhaltensweisen angeht. Ich glaube, für die Leipziger war das anfangs vielleicht schwierig zu verstehen. Und es hat natürlich auch viele Leute abgeschreckt. 

Es ist sicherlich nicht einfach, einen gewissen Dresscode einzuhalten. Styles verschmelzen ja auch …

Auf jeden Fall. Vor fünf, sechs Jahren hätte keiner gedacht, dass das Turnschuh-Thema wieder so cool ist. Für die Leute ist z.B. schwierig gewesen, was Turnschuhe eigentlich sind. Anfangs meinten wir, dass Turnschuhe im Sinne von Laufschuhen nicht erwünscht sind. Aber für manche waren Turnschuhe eben auch Chucks oder Sneaker – obwohl solche Schuhe natürlich gewollt waren und sind. Es ist halt schwierig zu formulieren, deswegen steht es auf unserer Homepage auch ein bisschen allgemeiner definiert. Es geht tatsächlich um Laufschuhe – obwohl es mittlerweile auch schöne Laufschuhe gibt (lacht). Wir wollten von Anfang an einfach nur einen Club, bei dem man sich etwas Mühe gibt, wenn man in den Kleiderschrank schaut, wie beim ersten Date auch (lacht). 

© Club L1
 

Was ist noch schwierig für euch an der Tür?

Für alle Leipziger Clubs sind Migranten plötzlich ein großes Thema geworden. Und viele bekommen jetzt auch Probleme, weil es bisher keine Türpolitik gab. Ein Club ist im Vergleich zu Deutschland wie ein Mikrokosmos. Das Verhältnis muss immer stimmen, sowohl bei 82 Mio. Menschen als auch in einem Club mit 500 Leuten. Da geht es auch um solche Sachen wie das Verhältnis von Frauen und Männern. Wenn z.B. zu viele Männer da sind, fühlen sich die Frauen nicht wohl. 

Man hat einfach zu viele Gruppierungen, die von der Mentalität her schwer zusammenpassen. Und auch darauf müssen wir achten. So ein Missverhältnis, egal bei welcher Gruppierung, kann schnell eskalieren. Dieser Aufgabe müssen wir uns jedes Mal stellen. Das ist schwierig und es ist ein sensibles Thema. 

Wie sieht dein Arbeitsalltag als Clubbesitzer aus?

Arbeitsalltag? (lacht) Den gibt es eigentlich nicht. Es gibt ein Wunschdenken vom Arbeitsablauf her. Letztens bin ich Sonntag früh um 6 Uhr ins Bett und um 9 Uhr wieder aufgestanden, weil ich ein Fußballspiel hatte. Ich war 18 Uhr zurück, habe noch Zeit mit meiner Freundin verbracht und dann war es schon Montag. Idealerweise versuche ich, mir den Sonntag und Montag ein bisschen freizuhalten. Das ist in der Gastronomie ja auch üblich. Das klappt manchmal besser und manchmal weniger gut. Manchmal wünschte ich mir schon einen 35h-Stunden Job mit Bonus am Ende des Jahres und einer sogenannten Vertrauenszeit zwischen 9 und 15 Uhr. Das gibt es tatsächlich (lacht).

Wie empfindest du den Leipzig-Hype?

Den gibt es in einer gewissen Art und Weise. Ein Hype ist aber nicht unbedingt etwas Reales, sondern teilweise künstlich herbeigeführt und auch eher theoretisch. Na klar ist das alles super, was so erzählt wird – auch durch den Erstligafußball. Aber besonders dieser Vergleich mit Berlin hinkt doch total. Die tatsächliche Kaufkraft ist doch in Leipzig absolut nicht vergleichbar mit einer Stadt wie Berlin, der Tourismus spielt da eine große Rolle. Und das wird wahrscheinlich auch nie so sein – muss es aber auch gar nicht. Leipzig hat dafür einen anderen Charme und muss sich vor keiner Stadt verstecken.

Nehmen wir z.B. die Leipziger Innenstadt: Die ist für mich in den letzten Jahren weder lukrativer noch schöner geworden. Was ist denn da? Es gibt wenige coole Bars oder Kneipen. Es gibt auch keine kleinen, individuellen Lädchen zum Einkaufen. Die Innenstadt wird nur noch teurer, es gibt nur noch riesige Ketten. Viele Bar- oder Kneipenbesitzer können es sich gar nicht mehr leisten, in der Innenstadt zu eröffnen. Das wird sich alles noch mehr nach außen verlagern. Die Szene wandert immer dorthin, wo es günstige Mieten gibt. Jemand, der jung ist und eine coole, witzige, experimentelle Idee hat, kann sich in der Innenstadt oder mittlerweile auch in Plagwitz nichts anmieten, weil es einfach zu teuer ist. Da gibt es also dann doch einen guten Vergleich mit Berlin (lacht).

Aber es eröffnet zurzeit schon sehr viel – allerdings müssen viele Lokale auch relativ schnell wieder ihre Pforten schließen.

Vor allem viele Hotels eröffnen (lacht). Aber wenn man auf die Clublandschaft schaut, gibt es nicht viel Neues. Und ich denke, da wird so schnell auch nicht viel passieren. Die Kunst ist nicht, einen Laden ein Jahr zum Laufen zu bekommen, sondern über fünf, zehn – und am besten noch mehr Jahre immer wieder das Niveau zu halten und die Leute neu zu begeistern. Und natürlich sich selber auch immer wieder zu motivieren.

Du bist im Leipziger Fußball sehr verwurzelt, hast von 2010 bis 2014 für Lok Leipzig gespielt. Gerade in dieser Zeit ist viel passiert. Wie war das? 

Ich war dabei, als wir von der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen sind. Die vier Jahre bei Lok waren eine schöne Zeit und wir waren eine coole Truppe. Und vor allem haben wir das alle nebenbei gemacht, aber trotzdem jeden Tag trainiert. Gerade die Spiele gegen RB Leipzig waren wirklich geil. Wir hatten mit Lok einmal unentschieden gespielt (lacht). 

Auch die Derbys Sachsen Leipzig gegen Lok waren Wahnsinn. Ich habe beide Seiten miterlebt, weil ich erst bei Sachsen Leipzig gespielt habe und dann bei Lok. Diese Zeit will ich nicht missen.

 

Hast du noch Kontakt zu Lok Leipzig?

Ja, mit dem Trainer Heiko Scholz und auch mit ein paar Beteiligten und der Mannschaft. Es kommen ja auch viele zu uns ins L1 oder in die Elster. Ansonsten hat sich bei dem Verein viel getan. Als ich noch bei Lok gespielt habe, war es für die Spieler nicht einfach. Es gab kein Geld, obwohl wir schon Regionalliga spielten und mit Marco Rose auch einen sehr guten Trainer hatten. In unserer ersten Regionalliga-Saison 2012/2013 sind wir sensationell 10. geworden, trotz der Insolvenzgefahr und dass viele drei Monate kein Geld bekamen. Wir hatten die Klasse gehalten, aber der Trainer ist nicht geblieben und zu Red Bull Salzburg gegangen. Danach ist es ein bisschen bergab gegangen. 

Ich denke, wenn damals Geld dagewesen wäre und man die Mannschaft zusammengehalten hätte, hätte man das Jahr darauf relativ hoch mitspielen können. Das fand ich ein bisschen schade. Aber das ist im Fußball immer so. Man hat viele Aufs und Abs.  

Du hast gegen RB Leipzig gespielt und es ist auch bekannt, dass die Fußballer gerne bei dir feiern. Wie siehst du den Verein in der Stadt Leipzig?

Viele schimpfen auf RB Leipzig und die finanziellen Möglichkeiten, dabei vergessen aber einige, dass bei anderen Leipziger Vereinen auch Geld da war. Vielleicht nicht ganz so viel, aber die Voraussetzungen waren nicht so viel schlechter. Allerdings haben es die Verantwortlichen einfach nicht richtig angepackt. Wenn man sieht, wie bei RB das Geld investiert wird, ergibt alles Sinn. Wenn damals bei Sachsen Leipzig auch alles so durchdacht gewesen wäre, und es einen Plan und ein Konzept gegeben hätte, dann wäre viel möglich gewesen. 

Wie?

Ich habe ja die Anfangszeit bei RB mitbekommen, war selbst in den ersten Stunden quasi RB-Spieler. Da gab es nichts. Wir trugen Trikots von Red Bull Salzburg zum Training und trainiert wurde beim Leipziger FC 07 in Schönefeld. Aber es wurde Schritt für Schritt eine Struktur aufgebaut und kompetente Leute dafür geholt. 

Wenn man die Szene im Leipziger Fußball ein bisschen kennt, weiß man genau, wie viele Möglichkeiten es auch schon für andere Mannschaften gab. Sei es ganz früher VfB Leipzig, bei dem Geld verbrannt und nichts in die Infrastruktur investiert wurde. Dann ging es weiter mit FC Sachsen – auch da war genügend Geld da. Die Voraussetzungen waren bei beiden Vereinen besser, aber es gab nie einen langfristigen Plan.

Ich glaube, es hätte funktionieren können, wenn man sich zusammengetan hätte. Wenn man erkannt hätte, dass Fußball ein riesen Wirtschaftszweig ist. Besonders die Zeit, als Porsche, VW, BMW und Co. sich hier niederließen, hätte man nutzen müssen. Dieses Geld hätte man allerdings nachhaltig investieren müssen. Das ist das einzige, was sich die Stadt vorwerfen lassen kann: Sie hat es nicht selbst hingekriegt, was RB jetzt mit einem Hauptsponsor erreicht hat. Die finanzielle Kraft war sicherlich da, wenn sich alle einig gewesen wären. Die Stadt hätte damals schon sehen müssen, was ein Bundesligist für Leipzig ausmacht. Ich war neulich in Dubai und man kannte Leipzig durch RB. Das haben viele, die was zu sagen hatten, unterschätzt. Es hat jemanden gebraucht, der das erkennt und der auch das Fachwissen dafür mitbringt. Ich bin mir sicher, dass es bestimmt Möglichkeiten gegeben hätte, einen Leipziger Verein hochzuziehen. 

© Marcel Lenk
 

Wie sehr vermisst du den Profifußball in deinem Leben?

Ach, vermissen … Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken (lacht). Ich habe viele tolle Momente erlebt, die vielleicht jetzt im Nachhinein zu kurz waren. Gerade hier in Leipzig mit Lok war es schon eine coole Zeit, besonders als es mit RB Leipzig und den Derbys losging – das war sehr reizvoll. Wenn jetzt alle zwei Wochen immer 40.000 Zuschauer ins Stadion kommen, ist es nichts Besonderes mehr für die Spieler. Aber damals war es das: 25.000 im Zentralstadion – Derby – das hat wahnsinnig elektrisiert. Und so ein Derby wird es wahrscheinlich so schnell auch nicht wieder geben. 

Die Spieler der beiden Vereine hatten auch neben dem Platz viel miteinander zu tun?  

Wir Lok- und die RB-Spieler hatten überhaupt keine Probleme miteinander. Und Leute wie z.B. Daniel Frahn oder Stefan Kutschke hatten auch ein sehr hohes Identifikationspotenzial. Es gab ganz viele coole Jungs bei RB. Wir sind alle miteinander ein- und ausgegangen. Das war einfach eine schöne Zeit – auch in Verbindung mit dem L1. Es war Wahnsinn, als dort die Aufstiegsfeier war, nachdem RB die Relegation gegen Sportfreunde Lotte gewonnen hatte und in die 3. Liga aufgestiegen ist. Da haben wir einen abgerissen (lacht). Aber auch die aktuellen Spieler sind gute Jungs. So, wie die sich auf dem Spielfeld und in der Öffentlichkeit geben, so sind sie auch wirklich, sehr bodenständig. 

Auf jeden Fall ist damals viel Aufregendes in meinem Leben passiert: Ich habe bei Lok gespielt, nebenbei den Club L1 gehabt, dann das Elsterartig eröffnet und die Aufstiege von RB Leipzig erlebt – das war schon witzig. Von daher kann ich viele gute Geschichten vom Fußball erzählen (lacht). Und für die Stadt Leipzig war das alles fantastisch.

TIPP:

6 YEARS CLUB L1: LOVE, 6, PEACE – WE LOVE FLOWER POWER

Das L1 feiert am 22. April 2017 seinen 6. Geburtstag. An dem Abend steht alles unter dem Motto „bunte Flower Power Coachella Welt“. Zu viel darf nicht verraten werden, da die Nacht zahlreiche Überraschungen bereithält. Nur so viel: Der Dresscode folgt dem Thema, Special Welcome Drink bis 1 Uhr und Special Show by 360 Grad Event.
1st Floor: House by Mark Bale, PhilBeat sowie Patrick Hofmann & 2nd Floor: Black&Boogie by T-Vine.
Eintritt: Ladies 8€ + Prosecco/ Gents: 10€

Sebastian Seifert freut sich auf die Party: „Wir werden uns was einfallen lassen.“ 

Wir verlosen zur Geburtstagssause 1×2 Tickets 

WEB: www.club-l1.dewww.facebook.com/L1club