Mit dem Kinderkeyboard gegen das Gentrifizierungsding Von Wegen Lisbeth im Interview

Von wegen Lisbeth über ihr neues Album „sweetlilly93@hotmail.com“ und ihre spezielle Instrumentenauswahl.

Wenn der Sportunterricht damals in der 7. Klasse nicht ausgefallen wäre, dann würden die fünf Lisbeth-Jungs heute vielleicht gar keine Musik zusammen machen. Dem erkrankten Lehrer sei Dank (irgendwie) beglücken uns Von Wegen Lisbeth heute mit einzigartigem Indie-Pop-Rock, untermalt von Spielzeuginstrumenten. Jetzt sind sie mit neuem Album auf Tour – sweetlilly93@hotmail.com heißt das gute Stück – und was es mit diesem Namen auf sich hat, haben wir im Interview mit Sänger Matthias Rohde erfragt.

© Nils Lucas

Die Festivalsaison ist gerade in den letzten Zügen für dieses Jahr und ihr habt bereits einige Auftritte erlebt. Was macht mehr Spaß – Festivals oder Einzelkonzerte?

Das hängt krass vom Festival ab, ehrlich gesagt. Also eigentlich würde ich sagen, dass Einzelkonzerte schon geiler sind, weil die Leute nur wegen dir kommen. Und selbst wenn es dann wesentlich weniger sind, macht das natürlich mehr Spaß. Auf Festivals ist das natürlich krass, wenn so wahnsinnig viele Leute da sind, die sonst nicht zum Konzert kommen würden. Und manchmal ist das schon geil, dann so ein ganzes Festival mitnehmen zu können. Wir laufen da auch immer noch rum und gucken uns alles an, aber vom Konzert her macht so eine eigene Clubshow schon mehr Bock.

Euer neues Album hat einen außergewöhnlichen Titel. Wo komme ich denn raus, wenn ich an die E-Mailadresse schreibe?

Bei uns! Wir haben uns die natürlich sofort gesaved! Wir haben sicherheitshalber auch die sweetlilly91/92/94/95 genommen, die gab es zum Glück alle noch. Wenn du uns etwas schreibst, dann lesen wir das auch tatsächlich. 

Welchen Hinweis gibt der Titel auf das Album? Was war der Gedanke beim Titel?

Der Titel hat mit dem Album überhaupt nichts zu tun. Ich meine, das ist ja auch kein Konzeptalbum, wo so ein großes Thema drübersteht, ganz und gar nicht. Und dass der Titel so ein bisschen nostalgisch anmutet, ist eher Zufall. Entstanden ist das Lied aus einem nebensächlichen Grund – wir hatten mal das Sushi-Liebe-Lied gemacht vor ein paar Jahren und das hatte bei uns jahrelang den Arbeitstitel Lina23@hotmail.com. Wir haben es dann aus irgendeinem Grund doch nicht so genannt für die Platte, aber der Name ist in unseren Köpfen rumgeschwirrt und dann dachten wir, nennen wir doch das Album so. Und wir haben das Lied Sweet Lilly drauf, da hat das ganz gut gepasst. 

War der Prozess zur Entstehung des Albums diesmal ein anderer?

Nee, die Prozesse waren die gleichen. Wir machen ja viel so Alltagsbeobachtungen und so. Wenn ich mir die Platte im Stück jetzt anhöre, haben wir uns schon mit anderen Themen beschäftigt im Vergleich zum ersten Album. Was sich glaube ich so ein bisschen durchzieht, ist dieses Gentrifizierungsding. Das ist etwas, was uns alle beschäftigt hat die letzten zwei Jahre, wo wir auch viel drüber geredet haben und da ist das natürlich klar, dass das in den Texten landet.

  

Schreibt ihr die Texte alle gemeinsam oder machst du das allein?

Das mache ich ganz gerne allein. Es kommt manchmal vor, dass ich mir bei einer Zeile nicht ganz sicher bin und dann frage ich die anderen, welches Wort sie besser finden und dann entscheiden wir das zusammen, aber so die Grundideen kommen von mir.

Wie ist es jetzt mit neuem Album auf Tour zu gehen, ist das unterschiedlich zum ersten Album?

Gar nicht so anders. Für uns ist es natürlich cool endlich mal andere Songs zu spielen. Wir sind ja jahrelang mit dem Grande-Album unterwegs gewesen. Und irgendwann war es so: „Oh Gott, wir müssen den gleichen Song schon wieder spielen“ – irgendwann nervt es auch ein bisschen. Deswegen sind wir, und die Fans natürlich auch, sehr happy auch mal neue Songs spielen zu können. Ein paar der neuen Lieder sind noch nicht ganz drin, deswegen sind wir grad noch am Proben.

Ihr seid dafür bekannt, viele verschiedene und verrückte Musikinstrumente zu benutzen. Wie leicht/schwer ist es bei fünf Leuten, alle Wünsche und Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen?

Ehrlich gesagt glaube ich, es ist sogar leichter mit fünf Leuten, sonst könnte das gar keiner spielen. Wenn wir nur zu dritt wären, hätten wir ja gar nicht genug Hände für das große Glockenspiel, zum Beispiel. Es ist also sehr gut, dass wir zu fünft sind. Wir alle hatten einfach Bock mal was Neues auszuprobieren, also das normale Gitarre-Schlagzeug-Bass-Ding war uns zu langweilig. Wir experimentieren gerne mal mit anderen Sounds und wollten das in unsere Musik einbauen. Und wir haben auch viele Bands gehört, die das gemacht haben, und dachten: das brauchen wir auch unbedingt.

Und habt ihr die Instrumente dann alle schon zu Hause gehabt?

Nö, viel haben wir uns vom Flohmarkt geholt oder vom Schrottplatz, alles so kleiner Krimskrams. Und wir hatten auch relativ viel Billokram so zu Hause rumliegen. Wir haben ja früher andere Musik gemacht und hatten da noch ganz viele Spielzeugsachen – die haben wir alle benutzt. Es ist mittlerweile schon relativ viel Kleinkram zusammengekommen. Wir brauchen immer sehr lange zum Auf- und Abbauen und da gucken immer alle Stagemanager ganz verwirrt, wenn da noch so ein Kinderkeyboard auf die Bühne getragen wird, aber das geht schon (lacht). 

Im Oktober tretet ihr in Leipzig im Haus Auensee auf. Was verbindet ihr mit der Stadt?

Wir haben Freunde, die da wohnen, viele, die nach der Schule nach Leipzig gegangen sind und deswegen ist das immer wieder sehr geil, wenn wir in Leipzig sind. Wir sind auch schon nach Konzerten in Leipzig feiern gegangen, aber meistens erinnern wir uns dann später nicht mehr so gut dran (lacht). Außerdem habe ich sowieso einen ganz schlechten Orientierungssinn und merke mir auch Namen von Kneipen und Clubs nicht, in denen wir waren. Irgendwann waren wir mal in einem Fahrradladen, da hing so ein Fahrrad mitten in der Bar, gibt’s das? Da sind wir mal relativ heftig versackt. 

© Nils Lucas
Jetzt seid ihr erstmal auf Tour, viel Spaß dabei. Habt ihr schon Pläne für danach?

Danach haben wir erst mal ein bisschen frei, da macht so jeder seins, zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. Und dann gucken wir mal was passiert. Also wir werden sicherlich neue Mucke machen oder vielleicht jeder so ein Weilchen für sich. Ich könnte mir auch vorstellen, allein was zu machen. Früher habe ich so Techno-Sachen und ähnliches gemacht, ich hätte mal wieder Bock darauf. Aber grundsätzlich wird sicher auch neue Lisbeth-Mucke entstehen.

Von Wegen Lisbeth – Britz-California-Tour

27. Oktober 2019, Haus AuenseeEinlass: 18 Uhr, Beginn: 19:30 Uhr

Das Konzert ist ausverkauft!