Abgerockt sehen die Jungs zum Interviewtermin aus. Zwei von ihnen liegen auf der Couch, zwei stromern irgendwo im Täubchenthal herum, wo sie vor ausverkauftem Publikum am Abend zum ersten Mal in Leipzig als Headliner auftreten. Und Sänger Marco ist kurz verschollen – wahrscheinlich bei irgendeinem anderen Interviewtermin. Noch bevor die ersten 10 Minuten des Gesprächs vergangen sind, gesellt sich Marco dazu und etwa eine Tabakpackung und ein paar Bier sind bereits vernichtet. Was auffällt: Während die vier Bandmitglieder Manuel (Gitarre), Christian (Klavier), Ray (Bass) und Lukas (Drums) schwanken zwischen Ich-habe-jetzt-einfach-mal-überhaupt-keinen-Bock-auf-weitere-Interviews und Wir-sind-nicht-daran-gewöhnt,-Fragen-gestellt-zu-bekommen, fühlt sich Sänger Marco sichtlich wohl und antwortet fröhlich wechselnd zwischen Ernsthaftigkeit und Nonchalance – auch wenn er an einem „elenden Kater leidet“. Den Abend zuvor hatten die Jungs frei und „stürzten in einem Laden ab, der tagsüber ein Fahrradladen ist – urlustig“.
5-Buchstaben-Fetisch: Bowie, Elvis, Falco – Wanda, Amore, Bussi
Auch wenn der Begriff Phänomen in Verbindung mit einer Band, die scheinbar von jetzt auf gleich Erfolg hat, einen laaaaangen Bart hat, kommt man einfach nicht umhin … Wanda ist plötzlich da. Wanda hat Erfolg. Und Wanda gehört in die Riege der österreichischen Bands wie Bilderbuch, die von der Musikpresse und dem Publikum gleichermaßen gefeiert werden.
Die nicht nach einem Fisch, sondern nach der Wiener Zuhälterin „Wilde“ Wanda Kuchwalek benannte fünfköpfige Band aus Wien hat vor gerade mal etwas mehr als einem Jahr ihr Debütalbum „Amore“ veröffentlicht. Die Jungs mit dem „5-Buchstaben-Fetisch“ („So wie Bowie, Elvis und Falco auch. Daher auch Wanda, Amore und Bussi.“) gingen auf Tour. Sie spielten vor teilweise gerade mal 15 Leuten. Dann kamen Festivals. Und plötzlich wollte irgendwie jeder nach Bologna und stand eben nur noch für Amore. Genau ein Jahr später, im Oktober 2015, hauten die Jungs um Sänger Marco – entgegen aller PR-Tricks – das zweite Album „Bussi“ raus.
Verherrliche dich selbst!
Es war NATÜRLICH ein Ziel. Dieses Selbstbewusstsein, diese leichte Arroganz, die man – ob man will oder nicht – den Wienern mit dem charmanten Schmäh einfach nicht übel nehmen kann, zieht sich durchs Interview, zieht sich durch die Songs und ist erfrischend anders als die deutsche Tiefstapelei oder dem unsympathischen Gegenstück der Protzerei.
Darauf angesprochen sind sich alle einig, dass man ruhig zeigen könne, was man drauf hat. „Unsere Kultur ist mehr so: Verherrliche dich selbst. Wir haben dieses ‚Gott ist tot’ damals sehr ernst genommen. Der Mensch darf sich auch schon wichtig nehmen“, so Marco. Alle nicken und Drummer Lukas ergänzt: „No risk no fun, ohne fun kein Spaß.“ Ähm, ja.
So schnell wie der Erfolg kommt, kann er sich ja auch gerne wieder verabschieden. Schon oft geschehen im Popkosmos. Was, wenn es mit der Amore irgendwann vorbei sein sollte? Marco zieht an seiner Selbstgedrehten ohne Filter: „Wir rechnen uns eine arge Halbwertszeit aus. Wir glauben schon, dass wir die Popindustrie auf Jahrzehnte mit dem Scheiß hier verstrahlt haben. Ich glaube, wenn irgendwer entscheidet, wann wir gehen, dann wir selber.“ Da ist er wieder – dieser faszinierende Größenwahn, dem man, ohne groß zu überlegen, nickend beipflichtet.
In 10 Jahren restlos am Arsch
Falco ist für die fünf Wiener eine wichtige Persönlichkeit. Geweint haben sie, als der Tod des Künstlers bekannt wurde. Auf Konzerten covern sie ab und an Falcos „Out of the Dark“, was eine große Ehre sei. „Vor allem dieses Lied, dass er nie selbst live spielen durfte. Wir fühlen uns fast schon verpflichtet, dieses tolle Lied zu spielen, einfach nur, damit es gehört wird. Es ist auch egal, wie wir es interpretieren – es wird nie so genial sein wie er selber. Aber es ist schon bewegend, dass der Song wieder gehört wird”, so Marco, der auch zu bedenken gibt, dass viele Wiener es dem charismatischen Sänger nie wirklich verziehen haben, dass er über Wien hinaus ein Weltstar war. Daher seien viel mehr Musiker in der österreichischen Hauptstadt mehr von ihrem Gitarrenlehrer beeinflusst.
Wandas Frontmann lag schon einmal nicht ganz falsch mit dem Blick in die Zukunft. Wie sieht es also in weiteren 10 Jahren aus? „Ich bin, was mein Leben betrifft, mittlerweile eher pessimistisch eingestellt. Ich glaube, in 10 Jahren bin ich ziemlich am Arsch. Restlos am Arsch. Aber ich werde noch lachen und wenigstens stolz sein – auf irgendwas.“
Habe die Jungs schon live gesehen und fand sie echt amüsant. Amore!