Andere Blicke wagen When The Sun Is Low – The Shadows Are Long

Es gibt eine neue Ausstellung in Leipzig, in der Galerie für Zeitgenössische Kunst. Seit wenigen Tagen ist die Exposition eröffnet und beschäftigt sich mit aktuellen Position der belarussischen Kunst. Was zeichnet Belarus aus? Wie blicken belarussische Künstler:innen auf ihr Land? “When The Sun Is Low – The Shadows Are Long” bietet intensive Eindrücke eines Landes, über dessen Kunst bisher wenig bekannt war. 

© Nele Rebmann
Neu im GfZK: When The Sun Is Low – The Shadows Are Long

Ja, wir existieren auch!

“When The Sun Is Low – The Shadows Are Long” enthält eine klare Message belarussischer Künstler:innen: Ja, wir existieren auch! Denn während das osteuropäische Land in der öffentlichen Wahrnehmung meist nur mit Präsident Alexander Lukaschenko oder aktuell mit der unterstützenden Rolle im Krieg Russlands gegen die Ukraine assoziiert wird, steckt hinter Belarus noch viel mehr. Die von Anna Karpenko kuratierte Ausstellung in der Galerie für Zeitgenössische Kunst soll dem Raum bieten – Raum für die künstlerische Auseinandersetzung mit Herkunft, Trauma, Tradition, Politik, Natur und Feminismus. 

Zwanzig belarussische Aussteller:innen, zwanzig künstlerische Positionen: So verschieden die künstlerische Herangehensweise, so unterschiedlich sind auch die entstandenen Kunstwerke. Ob Videokunst, Installation, Fotografie oder Zeichnung – “When The Sun Is Low – The Shadows Are Long” zeigt die ganze Bandbreite zeitgenössischer Kunst. Dabei bewegt sich die Ausstellung stets zwischen zwei Polen: Ost und West, Tradition und Modernität, Heimatverbundenheit und kritischer Blick auf Politik und System. 

Flüstern und Schmerz

Besonders eindrücklich ist hierbei die Videoarbeit von Irina Anufrieva, Void. Die Künstlerin beschäftigt sich mit den körperlichen und psychischen Folgen von Folter und Inhaftierung. Sie lässt in ihrer 27-minütigen Performance Schmerz unglaublich greifbar werden. Auch die Arbeiten von Olga Sazykina und Jura Shust sind politisch. So begibt sich Sazykina für ihre Arbeit Atem-Tagebuch. Lungenmimik seit 1997 regelmäßig in eine Art meditativen Zustand, in welchem sie ihren Atem durch wellenförmige Linien aufs Papier bringt. In “When The Sun Is Low – The Shadows Are Long” sind nun ausgewählte Arbeiten der Künstlerin ausgestellt, die die Atem- und Schlaflosigkeit zu Kriegsbeginn bildlich darstellen. 

Jura Shust hingegen beschäftigt sich mit dem Thema Holz im weiteren und engeren Sinne. Denn in traditionellen belarussischen Erzählungen ist der Wald ein heiliger Ort, an dem die Menschen jenseitigen Wesen begegnen können. Doch der Wald hat auch einen aktuellen Bezug: Im Jahr 2021 brachten belarussische Behörden Geflüchtete an die EU-Grenze, wo sie sich selbst überlassen und zum Spielball internationaler Politik gemacht wurden. Shust bringt verwackelte Handyaufnahmen der Geflüchteten zusammen, man sieht Gewalt, Leid, Stacheldraht – und Holz. 

Doch “When The Sun Is Low – The Shadows Are Long” ist keine rein politische Ausstellung: Die Arbeit Durst: Akkumulation der Begierde von Masha Maroz holt archaische Praktiken und Rituale der Vergangenheit in die Gegenwart. Und der belarussische Künstler Siarhiej Leskiec erzählt mit seiner Arbeit Flüstern von der fast ausgestorbenen Tradition der Heilung durch Flüstern und Gebete. Ein Hauch Magie und Mystik ist der Exposition also auch inne – gerade genug, um die Realität außerhalb der Galerie für Zeitgenössische Kunst für ein paar Moment zu vergessen. 

Öffnungszeiten:
Di – Fr, 14 – 19 Uhr
Sa & So, 12 – 18 Uhr
mittwochs freier Eintritt

Mehr Informationen unter: https://gfzk.de/aktivitaeten/ausstellungen/aktuell/