Ob böser Wolf, hinterlistige Schneekönigin oder neugieriges Rotkäppchen – sie alle sind im Puppentheater Sterntaler in der Talstraße 30 zuhause. Seit 22 Jahren bringen sie dort nicht nur Kinderaugen zum Leuchten. urbanite hat das kleine Theater im Zentrum der Stadt besucht.
„Sterntaler” steht in gelben Lettern über der Tür, die in das gleichnamige Puppentheater führt. Kleine Sterne säumen die dunkelblaue Wand, Requisiten aus vergangenen Stücken hängen im Eingangsbereich. Es ist eine eigene kleine Welt, in die die Besucher hier eintauchen. Rund 80 Menschen haben Platz im Vorführungssaal des Theaters. Dort lassen die Puppenspieler ihre Figuren zum Leben erwachen.
Einer von ihnen ist Frank Schenke. 52 Jahre alt, mit grau-braunen Locken und lebhaften Augen. Bei einer Führung durch das Gebäude erklärt er, dass das Sterntaler eine Spielstätte für drei verschiedene Theater ist. Dazu gehören das Puppenspiel und Erzähltheater Papperlapapp von Meike Kreim sowie Wilmi und Wolfgang Gerbers Theater WiWo. Schenke selbst ist Gründer des Theaters Fingerhut (Das Foto oben zeigt: „Die Schneekönigin”). „Alle drei Theater spielen ihre eigenen Stücke und haben ihre ganz individuelle Handschrift“, erklärt der Leipziger bei einem Saft in einem nahe gelegenen Café. Die Räumlichkeiten des Theaters nutzen die Künstler gemeinsam. Jede Woche ist einer von ihnen an der Reihe. Die anderen haben in dieser Zeit die Gelegenheit zu Festivals oder Gastspielen zu reisen, denn: „Puppenspieler sind auch heute noch fahrendes Volk.“
Das Konzept des kleinen Theaters ist „eine Besonderheit“, wie Schenke sagt. Nur eine Hand voll ähnlicher Projekte gebe es in Deutschland. Bei der Gründung 1997 war der Wunsch nach einem unabhängigen Theater da, das aus eigener Tasche finanziert wird. „Es ist schön, dass uns keiner die Fördermittel streichen kann“, sagt Schenke mit einem Lächeln. Die Idee für das Sterntaler hatte die Puppenspielerin Rosemarie Lampe. Sie holte die Gerbers, Kreim und Schenke mit ins Boot. Lampe selbst ist mittlerweile aus dem Projekt ausgestiegen, die anderen Gründungsmitglieder blieben. Mit dem Sterntaler konnten sie sich einen Ort schaffen „mit allem, was ein Theater braucht“, wie Schenke heute sagt.
Kinder ab drei Jahren dürfen das Puppentheater besuchen. Oft haben sie in dem kleinen Theater das erste Mal Kontakt zur Theaterwelt und ihren Regeln. Dazu gehört es auch, während der Vorstellung nichts zu essen. Vor allem den Eltern fiele das manchmal schwer zu akzeptieren, erzählt Schenke. Er erhofft sich mehr Verständnis dafür, dass eine Theatervorstellung kein Kinobesuch ist. Anders als einen Film könne man ein Theaterstück nicht einfach reproduzieren, sagt der Puppenspieler. „Jede Live-Aufführung ist einzigartig und wird auch durch die Zuschauer geprägt.“ Diese gestalten ihr Theatererlebnis aktiv mit: Nach der Vorstellung können sie Fragen stellen und in manchen Stücken sind sie sogar eingeladen, selbst mitzuspielen.
Theater aktiv mitgestalten
Das kommt bei den Besuchern gut an. Sie kommen vor allem aus Leipzig und dem Umland. Oft seien es Großeltern mit ihren Enkeln, die das Sterntaler besuchen, erzählt Schenke. Mit den Stücken möchten die Künstler aber nicht nur Kinder ansprechen. „Wir sind kein Theater, bei dem man die Kleinen abgibt und Kaffeetrinken geht“, sagt Schenke. Auch in den Kinderstücken werden die Erwachsenen mitgedacht. Außerdem gibt es im Abendprogramm des Theaters Vorstellungen für Besucher ab 18 Jahren.
In den Stücken kommen nicht nur die klassischen Handpuppen zum Einsatz, sondern auch Tischfiguren und Schattenspiele. Bis zu zehn Charaktere kann ein einzelner Puppenspieler verkörpern. Die Figuren stellen Schenke und seine Kollegen teilweise auch selbst her. „Ein Prozess, bei dem die Puppe irgendwann zu sprechen anfängt und ihren ganz eigenen Charakter entwickelt.“ In den Figuren sei auch ein Teil von ihm mitverarbeitet. Vor allem bei seinem Stück „Pettersson und Findus“ spüre er das, erzählt der Vater und Großvater. Ob er ein Lieblingsstück hat? Kurz überlegt er, sagt dann: „Die Stücke sind alle wie Kinder für mich.“ „Die Schneekönigin“ liebe er aber sehr und auch das Stück „Die Vermessung der Welt“ sei für ihn etwas Besonderes.
Beide Stücke sind auch im November- und Dezemberprogramm des Theaters zu sehen. Passend zur Winterzeit werden unter anderem auch „Spuren im Schnee“ von Wilmi und Wolfgang Gerber sowie der Klassiker „Schneeweißchen und Rosenrot“ von Meike Kreim gezeigt. Wer den Geist der Weihnacht einmal ganz handfest als Figur erleben möchte, dem ist das Gastspiel „Geizige Weihnacht“ am 26. Dezember zu empfehlen. „Eine witzige und bewegende Geschichte“, wie Schenke sagt.