Studentenverbindungen – besser als ihr Ruf? Zu Gast bei der Leipziger Studentenverbindung Corps Lusatia

Klischees über Studentenverbindungen gibt es viele – doch was ist da eigentlich dran? Wir haben uns selbst ein Bild gemacht.

Eine Männergesellschaft mit Trinkgelagen, obszönen Ritualen und blutigen Fechtkämpfen, frauenfeindlich und elitär – so ein Klischee über Studentenverbindungen. Was ist dran? urbanite war bei der Leipziger Verbindung Corps Lusatia zu Gast und hat nachgefragt.

© Corps Lusatia
Eine Villa in Plagwitz ist Sitz des 1807 gestifteten Corps Lusatia. Studenten der Leipziger Uni, die meist aus der Lausitz (lateinisch „Lusatia“) stammten, schlossen sich zu einem Corps (französisch „Körper“) zusammen, einer Verbindungsform, die sich der Toleranz und politischen Neutralität verpflichtet sieht. 

Rechte Gruppierungen finden sich vereinzelt bei den Burschenschaften, doch mit denen hat das Corps Lusatia nichts zu tun, versichert eines der Mitglieder. „Extremisten wollen wir nicht. Wer solche Umtriebe zeigt, kann sicher sein, dass er bei uns uns rausfliegt.“

Vielmehr gehe es im Corpsalltag um Loyalität, Ehrlichkeit und Freundschaft. Das Corps bildet das lebenslange Band, das seine Angehörigen auch nach Eintritt ins Berufsleben zusammenhält.


Sieben aktive Corpsbrüder, von denen drei im Haus selbst wohnen, formen derzeit den Kern der Gruppe, organisieren Veranstaltungen und planen das Tagesgeschäft. Dazu kommen zehn Inaktive, deren nahende Abschlussprüfungen sie stark binden und die nach eigenem Ermessen weiter am Gemeinschaftsleben teilnehmen, den jüngeren Semestern Tipps geben. Nach dem Studium wird man ein Alter Herr, von denen das Corps Lusatia 160 zählt. Diese bleiben weiterhin mit der Gruppe in Kontakt und besuchen sie. Ausflüge, Partys und Grillabende bilden die Höhepunkte des Jahres.

„Klar wird da getrunken, aber nicht mehr als anderswo auch.“ Das Alter der in Leipzig tätigen Brüder reicht von 20 bis 29, die Fachrichtungen sind ebenso breit wie die soziale Herkunft der Mitglieder.

„Extremisten wollen wir nicht. Wer solche Umtriebe zeigt, kann sicher sein, dass er bei uns rausfliegt!“

 

© Lucas Böhme
Und die Auslesekriterien? Spielen Nation, Ethnie, Politik, Religion oder Sexualität eine Rolle? „Nein!“, so ein Corpsbruder. „Wir vertreten Ideale, haben Mitglieder aus allen Ländern und vom gesamten politischen Spektrum, dulden nur keine Extremisten. Auch Homosexualität ist kein Problem.“ 

Neulinge – intern „Füchse“ – durchlaufen ein Semester Probezeit, an dessen Ende sie mündlich Hintergrundwissen beweisen und zwei Mensuren schlagen müssen. Dieser traditionelle Paukkampf gehört zum täglichen Programm, jedoch geht es nicht um den Sieg, sondern das Durchhalten der Kampfsituation. 

Grundsätzliches wird auf einer Wochenversammlung besprochen, auch Konflikte klärt das Kollektiv. Doch gäbe es die nur selten: „Wir sind verschiedene Charaktere, aber uns eint eine Sache, und wenn es Probleme gibt, reden wir drüber. Heimlich lästern läuft nicht.“ 

Ebenso wehrt sich das Corps gegen den Chauvinismus-Verdacht. „Viele unserer aktiven Mitglieder haben Freundinnen, und die sind uns stets willkommen.“ 

Und was ist mit der Kritik, die Verbindungen seien ein raffiniertes Karrieresprungbrett? „Hier ergeben sich schon Chancen“, räumt ein Corpsstudent ein. Doch müsse man sich selbst kümmern, ein Zuschanzen von Posten finde nicht statt. 

Worum also geht es? „Ehrlichkeit, Moral, Treue und Freundschaft, die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Aber jeder hat auch ein Leben außerhalb. Keiner ist gefangen. Dafür trifft man Leute, mit denen man ein Leben lang Kontakt hat. Und es ist toll, wie die ältesten Mitglieder als Rentner, statt zu vereinsamen, hier aufgefangen werden.“ 

Infos: Mehr erfahrt ihr unter lusatia-leipzig.de