Interview: Tobias Wolff, Intendant der Oper Leipzig

Ein Jahr ist seit Tobias Wolffs Amtsantritt als Intendant an der Leipziger Oper vergangen. Obwohl seine Amtszeit unter den Herausforderungen der Pandemie begann, bewahrt er eine durchweg optimistische Einstellung. Im Verlauf des Jahres ist das Team enger zusammengewachsen und neue kreative Ideen sind entstanden.

Tobias Wolff, Intendant der Oper Leipzig
© Oper Leipzig

„Die Oper ist eine Traumfabrik“

Tobias Wolff wird uns in diesem Gespräch von seinen Eindrücken berichten, die er in dieser Zeit gewonnen hat, von seinen Ansichten über die Oper aus verschiedenen Blickwinkeln und auch von einigen zukünftigen Plänen.

Ihr erstes Jahr als Intendant an der Leipziger Oper ist vorbei. Mit welchem Gefühl sind Sie aus der Saison gegangen?

Wolff: Grundsätzlich mit einem guten Gefühl. Ich erinnere mich an die Anfangszeit: Es herrschte noch Corona, wir hatten einige Umstellungen innerhalb des Hauses. Im Laufe des Jahres sind wir als Team zusammengewachsen und haben auch tolles Feedback zu unserem Spielplan der letzten Saison erhalten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Zuschauer­zahlen noch nicht wieder da sind, wo sie vor Corona standen. Aber ich bin zuversichtlich.

Oper Leipzig
© Birthe Kleemann

Warum ist die Oper auch heute noch wichtig und wie kann sie in der modernen Zeit wirken?

Wolff: Dass sie es tut, merken wir zum Beispiel daran, dass wir sehr viel Zuspruch über die „Junge Oper Leipzig Card“ erhalten. Die richtet sich ja speziell an junge Menschen, an Schülerinnen und Schüler sowie Studierende im Alter bis 28 Jahren. Es ist städtischer Wille, dass die Oper existiert, ich bin begeistert von ihr, unser Team ist begeistert von ihr und nach wie vor auch ein großes Publikum. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen, die Menschen immer wieder aufs Neue zu begeistern und zu berühren. Die Oper ist eine große Traumfabrik. Und hier findet dank unserer exzellenten Künstler und Künstlerinnen Kultur auf einem Niveau statt, das sich international messen lassen kann.

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher in der neuen Spielzeit? 

Wolff: Zum einen wollen wir natürlich das Publikum mitnehmen. Da haben wir die „Zauberflöte“, wunderbar poetisch und unterhaltend erzählt von Matthias Davids. Die Musikalische Komödie präsentiert „The Producers“. Darin geht es um zwei Produzenten, die unbedingt einen Flop auf die Beine stellen wollen. Sie bringen ein Musical über Hitler auf die Bühne, was dann aber unverhofft zu einem großen Erfolg wird. Mit dieser wunderbaren Satire des jüdischen Autors Mel Brooks betritt die MuKo auch mal politisches Terrain. Gerade zur heutigen Zeit ist es wichtig, eine klare Position zu beziehen.

Das Leipziger Ballett wartet mit fantastischen Produk­tionen auf wie „Giselle“ von Mario Schröder oder „Peter I. Tschaikowsky“, choreografiert von Cayetano Soto, oder gleich zu Beginn mit „Paradise Lost“, in der eine der für mich beeindruckendsten Kompositionen von Joseph Haydn vertanzt wird. 

Ein anderer Aspekt in der Planung ist die Frage, wie wir unsere Künstlerinnen und Künstler so einsetzen, dass ihre Stärken strahlen können. Schlussendlich wollen wir auch einfach packende Geschichten erzählen und die Menschen zum Nachdenken anregen – beispielsweise mit „Lady Macbeth von Mzensk“ von Schostakowitsch. Darin geht es um eine Frau, die sich in ihrer Ehe und ihrem Leben gefangen fühlt, aus ihrer Rolle ausbrechen möchte, ihren Ehemann mit Pilzen vergiftet und im Gulag endet. Auch aktuelle Umstände spielen eine Rolle: Gleich zu Beginn der Spielzeit muss die Obermaschinerie ausgetauscht werden. Deshalb können wir die Bühne erst relativ spät nutzen. Was für eine tolle Möglichkeit, die Oper einmal ganz anders zu erleben! Die erste Produktion der Saison, „Majesty and Madness“, wird im Zuschauerraum stattfinden. 

Wir planen jetzt bereits die Jahre bis 2027. In der Oper wird immer mit mehrjährigem Vorlauf ein Programm auf die Beine gestellt. Es ist eine riesige Herausforderung, über so einen langen Zeitraum zu überlegen, was die Menschen in der Zukunft bewegen könnte.

Saal Oper Leipzig
© Kirsten Nijhof

Welche Rolle spielt der Faktor Klimaschutz in der Planung der Leipziger Oper inzwischen?

Wolff: Wir werden erstmals versuchen, eine klimaneutrale Oper auf die Bühne zu bringen. Innerhalb unseres Nachhaltigkeitskonzepts gibt es verschiedene Projekte: Zum einen ist das „Sustainable Costumes“, welches von den europäischen Institutionen Opera Europa und FEDORA gefördert wird. Außerdem entwickeln wir als Pilotinstitu­tion gemeinsam mit den Städten Leipzig und Dresden einen CO2-Rechner für die Kultur. Da ergeben sich Aspekte, die deutschlandweit geklärt und standardisiert werden müssen. Beispielsweise ob die Publikumsmobilität berücksichtigt wird oder nicht. 

Außerdem haben wir eine Förderung von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen von „Fonds Zero“ erhalten. Bei dem Projekt geht es um die Klimaneutralität in Kunst und Kultur. Wobei ich direkt vorwegnehmen möchte, dass das unter den aktuellen Umständen gar nicht möglich ist, ohne CO2-Zertifikate dazuzukaufen. Natürlich streben wir aber trotzdem danach, so ressourcenschonend wie möglich zu produzieren. Es ist eine neue Herausforderung, aber es macht auch großen Spaß. Sobald die klimaschonende Produktion im Mittelpunkt steht, muss der Arbeitsablauf ganz anders koordiniert werden.

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