Aus für queere Bildung in Sachsen Im Gespräch mit dem RosaLinde e.V.

Der RosaLinde Leipzig e.V. ist ein Verein, der sich für queere Begegnung, Bildung sowie Beratung einsetzt und dessen Angebote und Aktivitäten sich an an lesbische, schwule, bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche, sowie queere und asexuelle/ aromantische Personen richten. Darüber hinaus gelten auch Angehörige, Familien und Multiplikator:innen zum Kreis der zu beratenden Personen. Die Angebote umfassen psychosoziale Beratungen, Bildungsveranstaltungen für Schulen und die Möglichkeit für einen Austausch rund um Themen der geschlechtlichen Identitäten, sexuellen Orientierung, queeren Lebensweise und politische sowie kulturelle Angebote. 

Der RosaLinde Leipzig e.V. ist ein Verein, der sich für queere Begegnung, Bildung sowie Beratung einsetzt und dessen Angebote und Aktivitäten sich an an lesbische, schwule, bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche, sowie queere und asexuelle/ aromantische Personen richten. Darüber hinaus gelten auch Angehörige, Familien und Multiplikator:innen zum Kreis der zu beratenden Personen. Die Angebote umfassen psychosoziale Beratungen, Bildungsveranstaltungen für Schulen und die Möglichkeit für einen Austausch rund um Themen der geschlechtlichen Identitäten, sexuellen Orientierung, queeren Lebensweise und politische sowie kulturelle Angebote. 

Zu Beginn des Jahres 2024 wurde der Förderantrag der queeren Bildungsarbeit des RosaLinde e.V. an Schulen und Einrichtungen für Kinder- und Jugendhilfe abgelehnt, womit die entsprechenden Angebote des Vereins ersatzlos und sehr plötzlich wegfielen. 100 Workshops für Schulklassen, 50 Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte, die Koordination der 30 Regenbogen-AGs als auch die Betreuung von den vier Schulen der Vielfalt wurden von heute auf morgen vom Freistaat gestrichen. Es ist das Aus für queere Bildung in Sachsen.

© RosaLinde e.V.

Doch vor allem an Schulen ist die Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Thema Queerness und Geschlechteridentitäten maßgeblich. Viele Lehrer:innen sind in Situationen, wie dem Outing als lesbisch oder schwul, überfordert und finden oft nicht den richtigen Umgang damit. Hier setzt der RosaLinde e.V. an und leistet durch dessen Aufklärungsarbeit, in der unter anderem junge Ehrenamtliche von deren Coming-Out-Geschichten berichten, einen wichtigen Beitrag um queerfeindlichem Mobbing und psychischen Erkrankungen der Betroffenen entgegenzuwirken und ein inklusives Lernumfeld zu schaffen. 

Der Ablehnungsbescheid kam Ende Januar und wir haben uns gefragt, wie es dem Verein seitdem ergangen ist. Dafür übergeben wir dem RosaLinde e.V. aber nun selbst das Wort!

Möchtest du dich kurz vorstellen und deine Position beim RosaLinde e.V. erklären?

Mein Name ist Stefanie Krüger, ich arbeite hier als Bildungsreferentin. Eigentlich haben wir ja keine Förderung mehr und kein Geld für unsere Arbeit, aber ich bin gerade noch auf Vereinskosten angestellt, um eben solche Formate wie mit dir zu führen und Alternativanträge zu stellen. 

Was macht der RosaLinde e.V. ? Was sind eure Projekte?

Der RosaLinde Leipzig e.V. ist ein Verein für queere Bildung, Begegnung und Beratung. Das heißt wir haben Angebote für die queere Community, für An- und Zugehörige, aber auch Sensibilisierungsformate für die Mehrheit. Die meisten Leute, die hier arbeiten, sind in der Beratung und unterstützen Menschen in ihrem Coming Out Prozess sowie Personen, die Begleitung benötigen bei der Transition oder die Diskriminierungserfahrung besprechen möchten. Das gibt es als Angebot hier vor Ort, jedoch auch auch für die Landkreise, weil Leute aus unterschiedlichen Gründen nicht den Weg nach Leipzig finden. Wir haben mehrere  Projekte, die sich um die Bedarfe von queeren Geflüchteten kümmern, also Begleitung im Asylprozess, aber auch Ankommen in Leipzig. Wir haben eine Familienberatungsstelle, viele Veranstaltungen, Selbsthilfe- und Freizeitgruppen zu verschiedensten Themen und wir hatten eben bis Ende letzten Jahres auch ein Bildungsangebot. Das bestand im Kern seit 1995, ursprünglich auch rein ehrenamtlich getragen. Ehrenamtliche, die wir begleitet und qualifiziert haben, haben Workshops mit Schulklassen zu queeren Themen durchgeführt. Die Besonderheit des Formats bestand darin, dass wir nicht nur theoretisch abstrakt über Queerness gesprochen haben, sondern dass unsere ehrenamtlichen ihre Coming Out Geschichten erzählt haben. Das heißt es wurde mit biografischen Ansatz gearbeitet. Die Idee dahinter war über Kontakt Vorurteile zu reduzieren. Weitere Formate waren Fortbildungen für Lehrkräfte, Studierende, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Regenbogen-AGs. Als Dach fungiert dann die Schule der Vielfalt, die versucht die ganzen Angebote zu bündeln.

Dann kam die Ablehnung des Förderungsantrags. Was war der Grund dafür?

Also, wir haben wie die letzten Jahre auch einen Antrag im Fördertopf Weltoffenes Sachsen gestellt, der gehört zum SPD-geführten Sozialministerium. Das sind mittlerweile 3- Jahresanträge, die wir dort stellen können, vorher 1-jährlich. Der Antrag wurde dieses Jahr überraschend abgelehnt. Die Begründung war, dass wir zwar einen sehr guten Antrag gestellt haben, aber andere Projekte haben bessere Anträge gestellt. Das heißt, diese Fördermittel sind trotz mehrfacher Erhöhung sehr knapp für entsprechende Angebote. Es gibt nicht unzählig viele Fördertöpfe, in denen Projekte wie unseres, die auch überregional tätig sind, finanziert werden. Wenn man nicht nur in Leipzig, sondern auch in Landkreisen tätig sein will, muss man, wenn man staatliche Mittel haben will, auf Landesebene beantragen. Die Fördermittel sind eher rar gesät und es gibt viel Konkurrenz. Da wurden wir dieses Jahr eben nicht berücksichtigt. Das hat uns insofern sehr überrascht, da es einen Haushaltsvermerk für unsere Arbeit gibt. Das heißt, die Landtagsabgeordneten haben beschlossen, dass unsere Arbeit und die Arbeit der Schwestervereine in Dresden und Chemnitz abgesichert werden sollen und das mit 200.000 Euro jährlich. Wir sind auch namentlich erwähnt, deshalb sind wir davon ausgegangen, dass wenn wir einen ausreichend guten Antrag stellen, dass wir das Geld auch bekommen. Das ist leider nicht der Fall. Wir hätten trotzdem unter die Top-Projekte kommen müssen, was uns irritiert, weil wenn wir unter die Top-Projekte kommen, bekommen wir sowieso das Geld. Da erschließt sich dann dieser Vorteil des Haushaltsvermerks nicht und das Problem ist auch, wenn wir das Geld nicht abbuchen, wird es nicht ausgegeben. Es gibt also Geld, das da ist, aber wir bekommen es nicht und niemand anders bekommt es. 

Das wäre dann nämlich meine nächste Frage gewesen, ob ihr mit dieser Ablehnung gerechnet habt.

Gar nicht. Ich kenne ja das Prozedere. Ich arbeite seit 2013 hauptamtlich hier, das heißt ich kenne das, dass alle drei Jahre Anträge gestellt werden und das potenziell bedeutet, dass man im Januar arbeitslos sein könnte. Du weißt vorher nicht, wann die Zusage kommt und es hat sich auch noch nie so sicher angefühlt wie jetzt, aufgrund des Haushaltsvermerks. Und dann ist irgendetwas passiert, womit niemand gerechnet hat und wir sind alle komplett überrascht worden. 

Wie ist die momentane Situation für den RosaLinde e.V.?

Die jetzige Situation ist so, dass wir eigentlich nicht mehr arbeiten würden, wenn der Verein nicht eingesprungen wäre. Das heißt, der RosaLinde Leipzig e.V. bezahlt uns gerade aus seinen eigenen Mitteln, aus den Rücklagen, die der Verein über die Jahre anlegen konnte. Wir erhalten auch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Es gibt Verwaltungskostenpauschalen, die an die Projekte geknüpft sind, dadurch kann der Verein uns gerade bezahlen. Das sind gut 10.000 Euro im Monat, die der Verein gerade aus eigener Tasche zahlt. Das ist natürlich eine hohe Belastung für einen kleinen Verein. Zudem wissen wir natürlich nicht, wie es nach den Landtagswahlen weitergeht. Es kann sein, dass es ab September bzw. Januar noch mehr Projekte treffen wird, so dass wir alle Mitteln zurückhalten müssten, was wir nicht können, weil wir versuchen wollen alternative Fördermittel zu beantragen und da der Verein nicht wollte, dass wir das in unserer Freizeit machen, sind wir weiter angestellt, um Fördermittel zu beantragen, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und eine Lösung zu finden das alles perspektivisch ausgleichen zu können. 

Welche Projekte laufen momentan noch und wie viele sind weggefallen?

Weggefallen ist die Bildungsarbeit an Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe. Dazu zählen Workshops mit Schulklassen, Regenbogen AGs, die Schule der Vielfalt und die Erwachsenenbildung. Alle anderen Projekte, die ganzen Beratungsprojekte, die Geflüchtetenprojekte, die gibt es weiterhin. Die laufen über andere Fördertöpfe. 

Ihr hattet ja bei der Sächsischen Aufbaubank Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt. Ist dabei schon etwas rausgekommen?

Nein, bisher nicht und die Chancen sind auch eher gering. Das haben wir gemacht, weil es sich gut anfühlt, irgendetwas zu machen und weil wir einen Rest Hoffnung hatten, aber wir haben uns beraten lassen und die Chancen sind eher gering. Wenn wir ganz viel Geld hätten, könnten wir einen Anwalt darauf ansetzen. Wir können aber leider nicht auf unser Recht bestehen, weil wir uns das nicht leisten können, deswegen haben wir formal selbst Widerspruch eingelegt.

Gibt es noch andere Wege, die ihr einschlagen könnt? 

Nicht auf dem rechtlichen Weg. Das Kapitel ist zu. Momentan stellen wir alternative Förderanträge. Die Stadtratsfraktion der Grünen wird bei der Stadtratssitzung am 13. März einen Antrag einbringen, der unsere Bildungsarbeit in einer Minimalvariante ermöglichen würde. Das deckt natürlich nicht unsere komplette Arbeit ab und da das Geld von der Stadt kommt, dürften wir auch nur in Leipzig tätig sein. Das ist natürlich unser Hauptschwerpunkt, aber rund ein Drittel der Formate wurde auch in Nordsachsen und im Landkreis Leipzig angeboten. Das wäre aber eine Möglichkeit, so dass voraussichtlich ab April die Bildungsarbeit wieder aufgenommen werden kann – sofern der Antrag positiv entschieden wird. 

Können Spendengelder einen Teil der Kosten decken?

Der RosaLinde e.V. finanziert sich selbst nur noch bis zum 31.März. Wir haben alle unsere Kündigungen erhalten und bis dahin wird unsere Arbeit hier eingestellt, wenn jetzt nicht zum Beispiel der Grünenantrag genehmigt wird. Spenden helfen natürlich immer. Die gleichen gerade den Aufwand, den der Verein bestreitet, aus. Wir sind aber nicht so groß, dass die Spenden ausreichen würden, so dass die Bildungsarbeit wieder aufgenommen werden könnte. Da müssten im Monat 15.000 Euro aufkommen und so hoch ist das Spendenaufkommen nicht. Wir erreichen ja auch nicht gerade spendenstarke Personen. Spenden sind aber immer willkommen, sei es dann künftig, um irgendwelche Projekte auszugleichen, oder um die laufenden Kosten zu bestreiten. 

Was kann man als Privatperson abgesehen von Spenden tun, um euch zu unterstützen?

Das Thema oben halten. Es gibt ja sehr viele Gelegenheiten, man teilt Posts auf Instagram, kommentiert, erhöht die Reichweite. Man kann das eigene Umfeld sensibilisieren. Mit Leuten in Kontakt kommen, sich austauschen. Man weiß ja nie, welche Kreise das noch zieht, bei welcher Partei man das so auf die Agenda bringt. Was mich sehr berührt  hat beim Thema Spenden: wir hatten am Anfang sehr viele kleine Beträge erhalten und wir gehen davon aus, dass es das Taschengeld von den Kindern war. Das sind solche Missverhältnisse. Da liegen 200.000 Euro in Sachsen rum, die für uns vorgesehen sind, wir aber nicht bekommen und gleichzeitig spenden uns die queeren Kids ihr Taschengeld, vielleicht weil sie unsere Arbeit kennen oder zu den Regenbogen AGs kamen oder zu anderen Projekten und wissen wie wichtig und essentiell unsere Arbeit ist. Das eint ja auch uns alle hier, die sich ehrenamtlich in den Formaten engagieren. Wir haben 30 Ehrenamtliche hier im Projekt gehabt, die wir qualifiziert und begleitet haben, für die das ein wichtiger Teil der eigenen Coming Out Biografie, ihrer politischen Sozialisation war und alle eint, dass sie sich solche Formate in ihrer Schulzeit gewünscht hätten. Weil ihnen das ganz viel Kraft gegeben hätte und sie wissen, wie wichtig das ist. Die queeren Kids gibt es in jeder Klasse, ob sie schon im Coming Out sind oder nicht, aber diese irgendwie zu erreichen und gleichzeitig die Mehrheit zu sensibilisieren – das ist so wichtig. Wie macht es den Raum für Coming Out zu, besonders wenn Lehrkräfte nicht reagieren, weil sie überfordert sind oder beispielsweise die Nutzung von schwul als Schimpfwort nicht schlimm finden. Das sind Prozesse, die wir angestoßen haben und es gibt keine inhaltlich ähnlichen Angebote. Natürlich gibt es Vereine, die über Diskrimierung informieren, aber es gibt kein Format, das mit biografischem Ansatz arbeitet, in dem junge Menschen über ihre Coming Out Erfahrungen sprechen. Das ist unersetzlich und hat das Herzstück des Angebots gebildet. Wenn Menschen erzählen, wie schwierig ihr Coming Out war, wie hürdenreich die Schulzeit war, dass ein Coming Out vielleicht nicht oder nur unter schweren Bedingungen möglich war und die Unterstützung, die wir durch das wegfallende Angebot nicht mehr leisten können, fehlt natürlich. 

Das waren eigentlich schon sehr wichtige Worte zum Abschluss, aber trotzdem: gibt es etwas, das du sagen möchtest?

Wir wünschen uns natürlich sehr, dass Arbeit wie unsere dauerhaft irgendeine Form von Absicherung findet und dass wir von den Anträgen wegkommen, immer wieder rechtfertigen zu müssen, dass diese Arbeit benötigt wird. Sie ist ganz offensichtlich notwendig, da wir auch so viele Anfragen hatten. Wir waren bis zu den Sommerferien ausgebucht, es waren über 60 Veranstaltungen gebucht. Der Bedarf ist so groß, trans-Jugendliche werden in den Schulen sichtbar. Deswegen wollen wir weg aus der Antragsförderlogik und fordern, dass es eine dauerhafte Förderung auf institutioneller Ebene für uns gibt. Dass wir als RosaLinde e.V. Summe X pro Jahr zur Verfügung bekommen, um queere Bildungsarbeit zu betreiben und dass es eine staatliche Aufgabe ist, dass wir nicht bei privaten Stiftungen oder Lotterien Geld beantragen müssen, um diese Bildung leisten zu können. Der Grund dafür, warum wir das machen müssen, liegt daran, dass der Staat über Diskriminierung funktioniert, es nicht schafft dieser ausreichend entgegen zu wirken und stellt deshalb Mittel zur Verfügung, die bei weitem nicht ausreichen. Wir müssen unter prekären Bedingungen diese Arbeit leisten und das kann nicht sein. Es braucht eine Regelsteuerung für Angebote, wie unseres, und das ist die Aufgabe des Staates.

Der Fördertopf „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“, aus dem die queere Bildungsarbeit in den letzten Jahren finanziert wurde, steht schon seit einiger Zeit in Kritik, da das Volumen nicht ausreicht, um die Anzahl der notwendigen Projekte zu stemmen. Obwohl es im sächsischen Haushalt eine Widmung zur queeren Bildungsarbeit gibt, fällt diese nun ersatzlos weg und hinterlässt eine große Lücke an Schulen und vor allem bei den Kindern, die auf die Arbeit des RosaLinde e.V. angewiesen waren.

+++ Der Stadtrat hat in der Sitzung vom 13. März beschlossen den RosaLinde e.V. einmalig 60.000 Euro zur Verfügung zu stellen, mit denen bis Ende des Jahres eine Vollzeitstelle gehalten werden kann. Die Bildungsarbeit kann somit vorerst in einer Minimalvariante abgesichert werden. +++

© RosaLinde e.V.