Interview Sprache und Ton – Woods of Birnams Bühnenpoesie 

 „Woods of Birnam“ vereinen Musik und Literatur und schaffen damit ein einzigartiges Hörerlebnis. Ihr neues Album „Dorian“ ist Soundtrack des gleichnamigen Schauspielabends mit Frontmann Christian Friedel. In Vorbereitung auf das Konzert am 15. September fragen wir uns einmal die Trackliste runter.  

© Carsten Beier

„I Will Survive You“: Was ist für dich das große Karriereziel und welche Hürde musst du dafür nehmen? 

Spezifisch für die Band hoffe ich, dass wir in Zukunft viele tolle, unabhängige Projekte machen und Alben aufnehmen können. Wir würden gerne erreichen, dass unser Name ins kollektive Gedächtnis rückt. Dass die Leute wissen, wenn wir in die Stadt kommen, wird das was Besonderes.

„On the White Sea“: Der Song ist voller intensiver Gefühle. Was ist Musik für dich? Eine Verarbeitung eigener Gefühle oder eine Möglichkeit, eine neue Haut anzulegen?

Sowohl als auch. Als ich als Jugendlicher mit Musik angefangen habe, war es der Ausdruck meiner eigenen Geschichten. Jetzt komponieren wir auch Musik für Theater, wie beim Stück Hamlet. Da hat man eine andere Figur, aus deren Sicht man komponiert. Aber diese Gefühlswelten, die man selbst in sich trägt, finden immer irgendwo Platz. 

„A Ballad Of Hate“: Das Album beschäftigt sich mit der Traurigkeit hinter dem Schein. Triffst du oft auf Schattenseiten deiner erfolgreichen Karriere?

Ohne Schatten kein Licht. Ich glaube aber, dass man aus Sachen, die nicht funktionieren, lernt. Dass man trotzdem gestärkt daraus hervorgeht und sich neue Räume öffnen. Kunst muss auch scheitern können. Es ist wichtig, das zu wissen, denn wir leben in einer Zeit der Optimierung und jedes Foto impliziert, dass es einem gut geht. Das Leben hat aber manchmal eben auch dunkle Seiten. Die gehören dazu und man kommt aus jedem Loch wieder raus.

„I Rise Up“: Euer erfolgreichster Song ist „I’ll Call Thee Hamlet“, aber welcher Song bedeutet dir am meisten?

Der persönlichste Song, den wir bisher veröffentlicht haben und der mir am meisten bedeutet, ist „Alone“ aus dem Album „Grace“. Da habe ich eine persönliche Geschichte verarbeitet. Andererseits hat man bei jedem Album Highlights und das ist bei jedem in der Band anders.

„My Own Master“: Du hast in „The Zone of Interest“ den KZ Kommandant Rudolf Höß gespielt. Wie bereitet man sich auf eine solche Rolle vor? 

Der Film zeigt das Alltagsleben der Familie Höß. Der Regisseur wollte glaubhafte Situationen erzählen, damit wir aus heutigem Blick eine Familie sehen, die wir verstehen, mit normalen Wünschen. Der Kosmos dahinter ist aber ein Jahrhundertverbrechen, sie leben direkt neben dem KZ Auschwitz. Es geht darum, dass es Menschen gibt, die sich für so ein Leben entscheiden. Die ein politisches System unterstützen, was auf eine Massenvernichtung hingearbeitet hat, und dass wir dazu immer noch in der Lage zu sein scheinen. Gerade heute zeichnet sich der Rechtsruck im Land wieder ab. Dem Regisseur war wichtig zu zeigen, dass wir uns nie in Sicherheit wiegen und sagen sollten: „Das hätten wir anders gemacht“, sondern das müssen wir anders machen. Als Vorbereitung habe ich mich mit der Zeit beschäftigt. Ich habe mir Fotos angeguckt, seine Stimme angehört, Protokolle der Nürnberger Prozesse gelesen. Wir haben viel über die Situation geredet und es gab vor den Dreharbeiten ein Kennenlernen mit der Familie, damit wir ein Vertrauensverhältnis haben, das man spürt. Die Dimension dieser Figur ist mir aber erst so richtig um die Augen und Ohren geschleudert worden, als ich den Film im fertigen Zustand sah und teilweise unglaublich grausam fand, das anzuschauen.

© Carsten Beier

„Food To My Starved Eyes“: Ein Großteil der neuen Liedtexte basiert auf Werken von Alfred Douglas. Woher kommt diese Faszination mit altenglischer Literatur?

Als wir das erste Mal Shakespeare vertont haben, haben wir gemerkt, dass Englisch eine unglaublich musikalische Sprache ist. Bei „Dorian“ hat der Dramaturg des Stückes uns Werke von Oscar Wildes Liebhaber geschickt, aus denen wir uns bedienen konnten. Das war toll, weil er auch von Shakespeare inspiriert war. Und er hat in diesem in die Jahre gekommenen Englisch sehr persönliche Sachen verarbeitet. Die Sprache ist eine tolle Reibung zur modernen Musik, die wir dazu machen. 

„The Alley Cat Song“: 60er-Swing ist etwas völlig Neues für die Band. Wie ist das Album zu so einem Genre-Mix geworden?

Das kommt durch die Arbeit am Theaterstück. Dieser Song war wie ein Aufhänger für die Geschichte. Dorian ist im Grunde ein Straßenkater, der es in der Gesellschaft ganz weit hochgebracht hat, aber letztendlich immer ein Straßenkater bleibt. Was die anderen Songs angeht, sind die für verschiedene Theaterbilder entstanden und sprechen daher nicht wie sonst bei einem Album eine musikalische Sprache.

„Vitae Summa Brevis“: „Die Summe des Lebens ist kurz“, und trotzdem gehst du viele verschiedene Projekte an. Wie war es, mit „Dorian“ Schauspiel und Musik zu vereinen?

Dieser Regisseur bezeichnet seine Theaterinszenierungen oft als Opern oder als musikalische Abende. Er arbeitet auch mit der Sprache sehr musikalisch. Wenn dann jemand noch singen und tanzen kann, lässt er das alles geschehen. Für mich war wichtig bei der Arbeit, dass ich etwas Eigenes beisteuern kann, weil es ein Monolog ist. Für mich ist das ein ganz persönliches Ausdrucksmittel, das in Musik zu packen. Alles hat sich sehr organisch verbunden. 

„Prologue“: Das Album schließt mit dem Prolog. Warum?

Musikalisch gesehen ist das eher ein Epilog. Ich habe dieses Stück für einen Prolog aufgenommen. Aber dann hat der Regisseur gesagt, wir fangen direkt mit der Szene an. Auf das Album sollte es trotzdem, und das Stück nannte sich dann schon Prolog. Es passte von der Dramaturgie, wenn man das Album durchhört. 

Am 15. September spielt ihr in Leipzig. Was können die Fans erwarten?

Das neue Album ist im Fokus des Konzertes, aber wir haben auch aus unseren anderen Alben Songs dabei. Man kann schwelgen, tanzen und Performatives erleben. Wir haben Songs, die sehr theatralisch sind und wo es gesprochene Texte gibt. Da gibt es eine Ebene, die über das normale Konzert hinausgeht. Wir haben eine coole Lichtshow, einen tollen Tonmann und freuen uns alle riesig. 

Am 15. September spielen Woods of Birnam auf der Parkbühne GeyserHaus in Leipzig. 

Instagram: woods_of_birnam