Bob Hanning ist im Handballsport eine kontrovers diskutierte Person. Die einen unterstützen ihn uneingeschränkt, die anderen bekämpfen den 47-Jährigen öffentlich. Im Interview spricht der Geschäftsführer der Füchse Berlin und DHB-Vize-Präsident über den deutschen Handball, das Ziel der Füchse, sich als Dartscheibe, den Bundesliga-Aufsteiger SC DHfK Leipzig und Selbstkritik.
Sie sind Geschäftsführer der Füchse Berlin, trainieren die B-Jugend der Füchse und Sie sind DHB-Vize-Präsident, verantwortlich für den Leistungssport. Wann schlafen Sie?
In der Tat brauche ich meinen Schlaf und für sieben Stunden reicht es immer. Die Kunst ist, in verschiedenen Zeitebenen zu leben. Dann hat der Tag auch mehr als die Stunden, die notwendig sind, um die Dinge in die richtigen Bahnen zu bringen.
Was heißt das, verschiedene Zeitebenen?
Ich versuche einfach, die verschiedenen Themenfelder auf verschiedene Ebenen zu setzen. Am Ende des Tages, am Ende des Monats und am Ende des Jahres müssen bestimmte Dinge fertig sein – berufliche wie private. Und wenn man diese Ebenen hat, kann man manche Dinge nach vorne schieben, manche Dinge Tag genau machen – und dann klappt das auch.
Das klingt nach viel Organisation.
Man benötigt vor allem ein 100 prozentig vertrauensvolles Team um einen herum. Egal was ich tue, ich bin immer umgeben mit Menschen, die in ihren Spezialgebieten besser sind als ich. Und damit bin ich die letzten Jahre gut gefahren.
Ist die 1. Handball-Bundesliga immer noch die stärkste Liga der Welt oder ist das nur noch ein guter Slogan?
Nein, die 1. Handball-Bundesliga in Deutschland ist immer noch mit Abstand die stärkste Liga der Welt. Wenn man sie in der Breite sieht, ist sie völlig unschlagbar. Es gibt allerdings in einigen Ländern Spitzenclubs, die aufgrund ihrer Wirtschaftskraft durchaus in der Lage sind, deutsche Mannschaften zu schlagen, wie z.B. Barcelona. Die können sich ein Jahr in der Liga ausruhen und in der Champions League müssen sie dann Gas geben. Das ist in einigen Ländern so verbreitet.
Wie kann man dann erklären, dass der Erfolg bei der Deutschen Handball-Nationalmannschaft ausbleibt, wenn das die stärkste Liga der Welt ist?
Wir haben ein ganz schlimmes Jahr hinter uns. Aber wir sind gerade im Aufbau neuer Strukturen und dabei, den DHB im sportlichen Bereich zu professionalisieren über Hauptamt und Qualität. In der Bundesliga wird mittlerweile auch viel strukturierter gearbeitet. Aber man hat ja auch gesehen, dass mit dem neuen Bundestrainer Dagur Sigurðsson auch ein neuer Zeitgeist entstanden ist.
Auf Sport1 wird Handball übertragen. Aber da geht sicherlich noch mehr. Was muss in der Bundesliga gemacht und verbessert werden, damit der Sport medial noch mehr stattfindet?
Ich finde, dass Handball schon relativ viel stattfindet. Ich denke schon, dass das die Ballsportart Nummer eins nach dem Fußball ist, was die Übertragungen angeht. Man kann natürlich immer noch mehr nach oben bringen. Wir haben aber immer das Problem des uneinheitlichen Spielplans aufgrund der europäischen Wettbewerbe. Da gibt es sicherlich noch Steigerungsmöglichkeiten. Ich denke, wir müssen den Öffentlichen-rechtlichen mit den Anwurfzeiten entgegenkommen, damit wir uns auch in der Sportschau und in Sportreportagen sonntags wiederfinden können.
Die vergangene Saison begann bei den Füchsen holprig. Woran lag das?
Wie waren einfach zu selbstverliebt. Wir haben 2014 den DHB-Pokal gewonnen und haben dann alle ein Stück weit weniger investiert. Das ging bei mir los mit dem Engagement beim Deutschen Handballbund, dann wurde unser Trainer auch noch Bundestrainer und auch die Mannschaft hat nicht mehr alles investiert, was notwendig war. Dazu kam dann noch eine schwere Verletzungssituation. Wir haben uns deshalb am Anfang der Saison sehr schwergetan. Aber wir haben sie dann mit dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte beendet – mit dem Sieg des Europapokals.
Das hört sich sehr selbstkritisch an – das ist nicht unbedingt üblich im Profisport.
Das ist aber bei der Analyse wichtig. Der Fisch stinkt vom Kopf her – und der Kopf bin ich. Und ehe ich mir Gedanken über die anderen mache, mache ich mir erst mal Gedanken über mich selbst und analysiere die Situation. Dann habe ich auch einen anderen Blick auf das ganze Thema.
Wir haben für den deutschen Handball Gutes gewollt. Es war dringend erforderlich, Veränderungen vorzunehmen, damit wir alle hinterher mehr davon haben. Dabei haben wir aber alle ein Stück weit die Fokussierung auf die Füchse aus den Augen verloren. Und das haben wir im Dezember 2014 sehr intensiv analysiert. Wir haben dann auch ein paar Maßnahmen aufgegriffen und uns beispielsweise von einigen Spielern getrennt. Wir fanden, es sei jetzt Zeit für was Neues und dann muss man auch einfach Veränderungen einleiten. Die können wehtun. Die haben bei uns auch wehgetan. Keine Frage. Aber die waren notwendig. Und ich glaube, wenn man offen und ehrlich analysiert und Dinge anspricht, ist das authentischer und glaubwürdiger. Am Ende hatten wir zum Saisonende hin dann das Quäntchen Glück, was wir uns aber auch hart erarbeitet haben. Wir haben uns gezielt verstärkt, das EHF-Cup-Finale noch einmal Zuhause gehabt und sind über uns hinausgewachsen.
Wenn man mit Sportlern ordentlich umgeht und sagt, dass man Verträge nicht verlängert, ist es nicht immer gleich so, dass sie beleidigt weggehen, sondern das passiert auch in einem Dialog, der vertrauensvoll geführt wird. Das kann dann auch dazu führen, dass sich die Spieler noch einmal besonders motiviert zeigen und die Saison sauber zu Ende bringen. Und genauso war das letzte Saison.
Was ist das Ziel der Füchse in dieser Saison?
Auch dieses Mal haben wir wieder unglaublich viel Pech, was Verletzungen angeht: Der deutsche Hoffnungsträger Paul Drux hat sich verletzt. Und die Position ist mit zwei noch jüngeren Spielern dahinter besetzt, die diese Aufgabe überhaupt nicht bewältigen können, weil sie einfach noch nicht soweit sind. Und jetzt um die Zeit findet man nichts adäquates mehr auf dem Markt, weil der natürlich abgegrast ist und alles, was angeboten wird, vermeintlich nicht gut genug, aber dafür viel zu teuer ist.
Nichtsdestotrotz haben wir uns ganz gut verstärkt. Ich glaube, wir haben wieder Hunger. Ich glaube auch, dass wir wieder um die Europapokalplätze spielen können. Und warum sollen wir nicht wieder einen guten Platz in Europa oder im DHB-Pokal erreichen? Die Qualität, gute Mannschaften schlagen zu können, haben wir auf jeden Fall. Wie oft das in einer Saison passiert, wird sich dann zeigen.
Zum ersten Heimspiel am 5. September empfangen die Füchse den Aufsteiger SC DHfK Leipzig in der Max-Schmeling-Halle. Was trauen Sie den Leipzigern diese Saison zu?
Ich glaube, dass sie vor einer schweren Saison stehen. Sie haben mit Christian Prokop einen deutschen Hoffnungstrainer, dem ich sehr viel zutraue. Aber die Mannschaft wird sich schwertun, den Klassenerhalt zu schaffen. Das ist in der 1. Bundesliga so, außer vielleicht bei Mannschaften, die unheimlich viel Geld haben. Ich würde es Leipzig, mit dem Konzept, vom Herzen gönnen, wenn sie den Klassenerhalt schaffen.
Wer ist der Top-Favorit der Saison?
Das sind wie immer die üblichen Verdächtigen. Mir sagt ein Gefühl, dass sich der THW Kiel zwar Top-Favorit nennen darf, doch dass es dieses Jahr eng wird. Auch Flensburg hat die Möglichkeit, um die Meisterschaft zu spielen, und die Rhein-Neckar Löwen haben eine sehr gute Vorbereitung gespielt. Das sind für mich die Podiumsplätze.
Könnte es eine Überraschungsmannschaft geben?
Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass die Mannschaften dahinter für die Meisterschaft infrage kommen.
Sie sind eine sehr kontrovers diskutierte Persönlichkeit in der Öffentlichkeit. Die einen geben Ihnen Rückendeckung, die anderen bekämpfen Sie. Wie gehen sie damit um?
Ich hinterfrage mich jeden Tag, aber ich stelle mich nicht infrage. Ich bin immer bereit, mich innerlich zu streiten und andere Meinungen zu akzeptieren. Persönliche Angriffe tropfen aber an mir ab. Das dürfen nur meine Freunde.
Und das funktioniert?
Ja, ich habe bildlich gesprochen eine Dartscheibe und ich entscheide, ob jemand die Scheibe trifft oder nicht.
Ist denn ein rauer Umgangston im Handballsport typisch?
Eigentlich gar nicht. Normalerweise geht es fair und herzlich zu. Natürlich sind es konkurrierende Unternehmen, die gegeneinander Handball spielen. Aber der Umgang auf dem Feld ist zu 99 Prozent respektvoll und beim Umgang unter den Managerkollegen ist das grundsätzlich auch der Fall. Dass jeder mal seine Interessen aus verschiedenen Gründen vertreten muss, ist normal. Und davon lebt ja auch der Sport. Im Fußball sagt Karl-Heinz Rummenigge zu Herrn Watzke ja auch schon mal seine Meinung.
Persönlich werden die wenigsten. Die, die den Handballsport wirklich lieben, wissen sich an die Regeln zu halten.