Ich wollte nur Musik machen, es hat mir Spaß gemacht Interview: Oliver Koletzki

Sein Leben lang macht Oliver Koletzki bereits Musik, seinen Durchbruch hatte er 2005 mit dem Track „Der Mückenschwarm“. Anfang November erschien nun das 10. Album des Musikers. Wir haben mit ihm über Tabaluga, seine anstehenden Konzerte, das Älterwerden und seine Pläne für die Zukunft gesprochen.

© Annabell Lingenhöle

Wie geht es Dir gerade?

Mir geht es sehr gut, es ist zurzeit viel los, weil mein Album jetzt rauskam und dann bald die Konzerttour startet. Daher habe ich momentan viel zu tun, aber es läuft gut.

Du bist DJ und Produzent, wie würdest du selbst deinen Beruf beschreiben?

Ich denke, das trifft es gut. Ich bin noch Labelinhaber des Indie-Labels „Stil vor Talent“, aber DJ und Produzent beschreibt es passend.

Hast du einen bestimmten Musikstil? Hat der sich verändert?

Ja, der verändert sich die ganze Zeit. Als Jugendlicher habe ich in Rockbands und in einer „The Doors“- Coverband gespielt. Dann kam meine Hip-Hop-Phase, so ungefähr zwischen 1995 und 2000, da habe ich für Rapper Beats produziert. Und dann kam ich erst zu House und Techno. Innerhalb dieses elektronischen Genres habe ich eher poppigere Musik gemacht, Songs wie „Hypnotized“, aber auch härteren Techno. Die beiden letzten Alben waren aber wiederum sehr down tempo, sehr perkussiv. Ich finde es langweilig, immer das gleiche zu machen. Wenn man so viele Jahre schon Musik macht, so viele Jahrzehnte, dann braucht man die Abwechslung. Sonst würde mir selbst langweilig werden. Deswegen probiere ich immer neue Stile aus. 

Und macht dir eine Richtung davon besonders Spaß?

Ich mag es sehr gerne, als Produzent alleine im Studio zu arbeiten. Das wird sich, denke ich, auch niemals ändern. Am Anfang habe ich mich schwergetan, auf der Bühne zu stehen. Gerade weil ich früher ein sehr schüchterner Typ war und das Rampenlicht eher gescheut habe. Ich hatte immer extremes Lampenfieber und war super nervös. Das hat sich mit der Zeit etwas gelegt. Ich mag es, auf der Bühne zu stehen, die Leute zu unterhalten und ihnen eine gute Zeit zu bescheren. Was ich nicht mag, ist viel zu reisen. Viel an Flughäfen, viel in Hotels, oft alleine zu sein. Ich spiele seit 18 Jahren im Schnitt 118 Gigs pro Jahr, also jeden dritten Tag, da bin ich sehr viel alleine, das ist manchmal nicht so schön. Aber dadurch, dass es meine Leidenschaft ist, ist es mir die Sache wert.

Auf der Bühne macht mir das nichts aus, denn dann bin ich für alles selbst verantwortlich. Jetzt bei der Konzerttour sind wir aber zu zweit.

Bei vielen Tracks auf deinem neuen Album spielst du zusammen mit anderen Künstler:innen. Wie wird das auf der Tour umgesetzt?

Auf der Bühne stehe ich mit meine Sound Engineer. Ich spiele Klavier, E-Piano, oder Synthesizer, und er spielt Gitarre. Im Hintergrund laufen Elektrobeats, wir spielen die Instrumente dazu. Es ist also wirklich live, mit echten Instrumenten. Diese ganzen Sänger mit auf Tour zu nehmen, wäre zu umfangreich, da hätte man einen ganzen Tourbus mieten müssen. Man hört sie natürlich, aber sie können nicht überall dabei sein. Beim Abschlusskonzert in Berlin am 2. Dezember treten aber ein paar Sänger mit auf, da machen wir zum Tourabschluss etwas Besonderes.

Diese Tour soll familienfreundlicher sein. Inwiefern?

Das hat damit zu tun, dass so eine Konzerttour für mich neu ist. Die ganzen letzten Jahre habe ich als DJ gespielt. Das DJ-Leben spielt sich aber nachts ab, die Clubs machen erst ab Mitternacht auf, und dann spiele ich oft erst um drei oder vier Uhr. Meine Fangemeinde ist aber mit mir mitgewachsen, die Leute sind jetzt auch älter. Viele sagen, dass sie mich gerne einmal live hören würden, es aber wegen der Kinder nicht schaffen, dass sie nicht um 2 Uhr nachts noch in den Club gehen können, um sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Das finde ich total schade. Bei dieser Konzerttour geht es jetzt aber schon um 19 oder 20 Uhr los, um 23 Uhr sind die Shows vorbei. Also gibt es keine Ausreden!

Planst du das auch zukünftig mehr?

Ich möchte das jetzt erst einmal ausprobieren und die Erfahrung machen, mal schauen, wie das so ist. Es wird anstrengend und intensiv, wir haben neben der Musik auch noch eine sehr große Lichtshow. Wir reisen mit einem riesigen LKW von Stadt zu Stadt, nur mit Licht. Das wird allgemein ein audiovisuelles Erlebnis. Deswegen müssen wir aber auch immer schon morgens um 10 Uhr mit dem Aufbau anfangen, sind aber meistens erst um Mitternacht vorher mit der anderen Show fertig. Da heißt es dann: früh aufstehen. Das wird anstrengend. Auch zwei Stunden lang Instrumente zu spielen. Das wird jetzt ein Testlauf einmal quer durch Deutschland und wenn das gut klappt, kann ich mir vorstellen, nächstes Jahr eine ganze Europatour zu machen.

Gerade ist auch dein neues Album „Trip to Sanity“ erschienen. Die Geschichte dahinter ist an Tabaluga angelehnt. Kannst du das näher erklären?

„Die Reise zur Vernunft“ ist ein legendäres Hörspiel, eins der ersten, die überhaupt auf Schallplatte damals erschienen sind. Das kam in den 80ern raus und ich war ein kleiner Junge, der das von seinem Vater geschenkt bekommen hat. Ich bin damals total darin aufgegangen, konnte mich mit dem kleinen grünen Drachen identifizieren, der durch die Welt reist und Sachen erlebt. Das ist jetzt mein 10. Album, und es schließt sich mit der Vernunft eine Art Kreis. Mein erstes Album hieß „get wasted“ und das war so ziemlich genau das Gegenteil von Vernunft. Jetzt bin ich älter, habe eine Menge mitgemacht und erlebt und, das klingt jetzt klischeehaft, aber man wird ruhiger mit dem Alter, so ist es auch bei mir. Diese zehn Alben waren eine Reise zur Vernunft, wo ich ganz langsam ankomme.

Aber du bist noch nicht da?

Ne, ich bin noch nicht spießig. (lacht)

Das Album erscheint nicht mehr auf CD, die Zeiten sind vorbei. Aber denkst du, dass Alben an sich noch zeitgemäß sind?

Ich denke nicht, leider. Aus wirtschaftlicher Sicht, oder auch für junge Künstler, lohnen sich Alben nicht mehr. Das ist mir aber egal. Ich habe so angefangen, ich liebe das Medium „Album“. Ich möchte Geschichten erzählen und einen großen Spannungsbogen schaffen, und das kann man nicht mit nur einem Track, dafür braucht man mehrere. Das ist mir sehr, sehr wichtig. Und ob das dann letztlich bei Spotify nicht so erfolgreich ist, ist mir wirklich egal. Ich mache Kunst, um mich auszudrücken. Und das wissen die Leute zu schätzen.

Bemerkst du denn dahingehend mittlerweile eine andere Erwartungshaltung in der Musikszene?

Ja klar, es wird schneller released, der Markt gibt das heutzutage vor. Alles wird schnelllebiger. Wenn man früher einen Song rausgebracht hat, und der kam in die Charts, hat der sich da wochenlang gehalten. Auch im Techno, manche Tracks hat man über Monate immer wieder in den Clubs gespielt. Ich muss zugeben, dass das auch manchmal nervig war. Das ist heute aber gar nicht mehr so. Es kommt so viel raus, alles ist so schnell. Es ist auch viel einfacher geworden, Musik zu machen. Jeder kann seine Lieder auf Spotify hochladen. Ich glaube, unsere Gesellschaft hat sich darauf auch eingestellt. Die Erwartungshaltung ist hoch. Das muss ich aber zum Glück nicht mitmachen. Ich mache jetzt schon so lange Musik, dass ich einen sehr treuen Kern von Hörern habe, die sich dann gedulden. Und natürlich können die sich auch darauf verlassen, dass dann irgendwann wieder ein Album von mir rauskommt.

Und wie bewertest du es, dass es für Anfänger:innen in der Musikbranche jetzt leichter ist, eigene Songs hochzuladen?

Ich finde, das ist keine gute Entwicklung. Vor allem der Punkt, dass alle ihre Musik selbst hochladen und veröffentlichen können. Ich führe mein Label seit nun fast 18 Jahren und Labels haben eine Funktion: Zu regulieren und zu entscheiden, welche Musik man auf die Menschen loslassen kann, und was besser zu Hause bleibt. Zurzeit kommt so viel neue Musik raus, und für Labels wird es immer schwieriger. Deswegen würde ich allen jungen Produzenten raten, sich an guten Tracks zu orientieren und sich dann direkt bei den Labels zu bewerben.

Würdest du generell jungen Musiker:innen raten, in die Musikbranche zu gehen?

Ich habe nie das Selbstbewusstsein gehabt, alles auf eine Karte zu setzen. Ich hatte immer Jobs und hab dann abends Musik gemacht. Ich war mir nicht sicher, ob ich davon jemals werde leben können. Ich habe meine ersten Songs mit 13 geschrieben und erst mit 30 Geld damit verdient. Es wäre für mich ok gewesen, kein Geld damit zu verdienen. Ich wollte nur Musik machen, es hat mir Spaß gemacht. Ich glaub, es ist eine gute Sache, einen festen Job zu haben. Aber wenn da junge Menschen sind, deren Leidenschaft Musik ist, dann finde ich es gut, alles dafür zu geben, sich reinzuhängen und es zu probieren.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Es wäre schön, wenn man immer einen Plan hätte. Ich bin jetzt ein bisschen älter, und Corona hat mir gezeigt, dass es auch noch ein Leben außerhalb von Karriere gibt. Das heißt, seit Corona trete ich weniger auf, ich fahre jedes Jahr ein bisschen runter. Seit diesem Jahr nehme ich mir jedes zweite Wochenende frei, das ist ein riesiger Schritt für mich. Ich mag es sehr auf der Bühne zu stehen, das werde ich auf jeden Fall noch ein paar Jahre lang machen. Was mir auch großen Spaß macht, ist, Musik zu schreiben und zu komponieren. Das kann ich auch noch machen, wenn ich irgendwann im Rollstuhl sitze. Das werde ich immer machen.

Am 21. November kommst du auch nach Leipzig. Warst du schonmal hier?

Ja, schon mehrfach. Früher war ich immer im Elipamanoke, im Sommer habe ich Open-Air im Westhafen gespielt. Jetzt im Täubchenthal. Es wird eine tolle Show, mit Vorband und Merch-Stand, wo ich auch selbst stehen werde. Ich freue mich drauf, ganz viele Leute aus Leipzig zu sehen!

Oliver Koletzki spielt am 21. November im Täubchenthal. Mehr Informationen findet ihr hier.