Am Samstag empfängt der Tabellenzweite RB Leipzig den abstiegsgefährdeten VfL Wolfsburg. Unterschiedlicher könnte die Saison mit Blick auf die Tabelle nicht verlaufen. Doch beide Clubs haben zu kämpfen – nur eben an verschiedenen Fronten.
Das 2:2 Unentschieden gegen den vermeintlich leichten Gegner FC Augsburg fühlte sich für RB Leipzig eher wie eine Niederlage an. Nach der Partie vergangenen Freitag wusste bei RBL niemand so recht, was er zum Remis gegen den Tabellenzwölften sagen sollte. Verteidiger Marvin Compper, der sein zweites Saisontor in Augsburg machte, hatte Probleme, wie er es nun bewerten soll. „Wir können mit dem Punkt leben“ wechselte zu „Bin glücklich mit dem Punkt“. RBL-Coach Ralph Hasenhüttl meinte: „Ich habe mich schon mehr über ein Unentschieden geärgert als heute. Ich kann damit leben. Wenn wir als Aufsteiger auswärts nicht mehr mit einem Punkt leben könnten, dann hätten wir ein Problem.“
Nach dem Ziel ist vor dem Ziel
Klingt vernünftig. Würde auch zu einem Aufsteiger wie SG Freiburg passen. Doch auch wenn das definierte Saisonziel „sorgenfreie Saison spielen“ und „so schnell wie möglich 40 Punkte holen“, de facto erreicht ist, ist bei dem Tabellenplatz und der damit immer näher rückenden sportlichen Qualifikation für die Champions League in der nächsten Saison, wohl rein gar nichts sorgenfrei. Es ist doch viel mehr so, dass ein frühzeitig erreichtes Ziel das nächste höhere Ziel automatisch definiert.
„Weit weg von den Abstiegsplätzen“, hieß es zu Beginn der Saison. Check! Wenn man jetzt so nah an der Königsklasse schnuppert, kann – auch wenn das offiziell vehement bestritten wird – das Ziel nur sein, weiter auf diesem Kurs zu bleiben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das Unentschieden gegen Augsburg wie eine Niederlage anfühlt.
Zumal der FC Bayern München und Borussia Dortmund platzhirsch-artig ihre naturgemäßen Ränge in der Bundesliga zurzeit mühelos in Anspruch nehmen. Während sich RB Leipzig in der Rückrunde bereits zwei Niederlagen (BVB und HSV) und ein Remis erlaubte, verkürzt der BVB Woche für Woche den Abstand auf den 2. Tabellenplatz und sammelt wichtige Torpunkte wie zuletzt gegen Wolfsburg (3:0), SG Freiburg (3:0) und Leverkusen (6:2). Das nötige Selbstvertrauen wird nicht zuletzt manifestiert durch das Erreichen des Viertelfinals der Champions League.
Was der BVB gut macht, macht der FC Bayern München selbstredend besser. In der Bundesliga spielten sie in den letzten beiden Partien 11:0 (8:0 gegen HSV und 3:0 gegen Köln) ihre Gegner an die Wand. Und in der Champions League führten sie zuletzt Arsène Wengers Arsenal mit jeweils 5:1-Spielen vor. Nur der FC Barcelona konnte die überragenden Leistungen der beiden Bundesligisten diese Woche mit der unglaublichen Aufholjagd gegen den sicher weitergeglaubten PSG in den Schatten stellen, in dem die Katalanen nach dem verlorenen Hinspiel in Paris (0:4) spektakulär mit 6:1 im Camp Nou ins Champions League-Viertelfinale einzogen.
Jonker ist dritter Trainer bei Wolfsburg in dieser Saison
Um auf einen direkten Champions League-Platz zu bleiben und sich zumindest sportlich für den Wettbewerb zu qualifizieren, sind die Leipziger in der Pflicht, gegen den strauchelnden VfL Wolfsburg in der Red Bull Arena 3 Punkte zu holen. Die Wolfsburger sind mit 23 Punkten mitten im Abstiegskampf. Allein dem besseren Torverhältnis im Vergleich zum HSV ist geschuldet, dass sie nicht auf dem Relegationsplatz stehen.
Am 27. Februar 2017 löste Andries Jonker Valérien Ismaël als Cheftrainer ab. Damit versuchen es die Wölfe in dieser Saison mit dem dritten Trainer. Dieter Hecking, aktueller Coach der Gladbacher, musste das Amt Mitte Oktober 2016 räumen. Jonker ist bei Wolfsburg kein Unbekannter: Zur Saison 2012/2013 holte Felix Magath den Niederländer als Co-Trainer in sein Team. Insgesamt assistierte er bei den Wölfen 78 Mal, die meisten Spiele unter Hecking.
Als Co-Trainer arbeitete er außerdem unter Louis van Gaal (FC Barcelona und FC Bayern München). Nach van Gaals Entlassung 2010/2011 fungierte der 54-Jährige als Interimstrainer für die verbleibenden 5 Spieltage. Seine letzte Station war der FC Arsenal. Dort war er seit 2014 Leiter der Nachwuchs-Akademie und U19-Trainer.
Der Niederländer kam aber nicht allein nach Wolfsburg. Der ehemalige schwedische Nationalspieler Fredrik Ljungberg, der neun Jahre Leistungsträger bei Arsenal war, ist nun Co-Trainer bei Wolfsburg. Der 40-jährige war zuletzt an der Akademie des FC Arsenal Trainer der U15.
Einen Schweden hat es auch bei RB Leipzig. Ist Ljungberg, der zwei Mal die englische Meisterschaft gewann und 2002 zum besten Spieler der Premier League gewählt wurde, ein Vorbild für Emil Forsberg? „Er war ein großer Spieler, aber er ist nicht mein Idol“, so Forsberg. Wenn überhaupt, sei es sein Nationalteam-Kollege Zlatan Ibrahimovic.
Durch Ilsankers Sperre: Qual der Wahl
Mit dem neuen Trainer werden die Karten neu gemischt, so RBL-Coach Hasenhüttl: „Uns erwartet ein Gegner, der vor allem nach fußballerischen Lösungen sucht und diese unter Andries Jonker in Mainz schon gut gezeigt hat.“ Der Österreicher erwartet, dass der VfL mit Spielverlagerungen und schnellem Umschalten RBL vor schwere Aufgaben stellen wird. „Es gilt, die gegnerischen Offensivaktionen zu stoppen und unser Spiel auf den Platz zu bringen.“
Die dringendste Frage des Coaches ist, wie viel Offensivpersonal er aufstellen wird, insbesondere weil Stefan Ilsanker gelbgesperrt ist. Es gibt es eine Vielzahl an Optionen, die dem Leipziger Trainer durch den Kopf gehen: Naby Keita könne sowohl auf der 6 als auch auf der 10 spielen – „Aber wo ist er wertvoller?“ Rani Khedira habe gegen Köln bewiesen, dass man sich auf ihn auf der 6 verlassen könne. Und auch Diego Demme und Oliver Burke seien eine Option auf der 10. Damit hat Hasenhüttl die Qual der Wahl. Und was ist mit Edelreservist Davie Selke? Er müsse erst mal wieder warten, weil seine Einsätze gegen den HSV und den BVB nicht zufriedenstellend waren. „Dann bekommt erst mal ein anderer die Chance.“ Aber der 49-Jährige ist sich auch sicher: „Wir werden Davies Qualität dieses Jahr noch brauchen.“
Randnotiz:
Hasenhüttls Reaktion auf Xabi Alonsos Karriereende-Ankündigung nach der Saison: „Endlich …“ (Pause) „… spielt er gegen uns keine Pässe mehr, die wehtun“, so der Österreicher schmunzelnd. „Ein überragender Fußballer. Was er im Hinspiel gegen uns gespielt hat, war absolute Extraklasse: Lang gucken – kurz spielen und umgedreht. Er ist einer der Besten, den es auf dieser Position die letzten Jahre gegeben hat. Schade für den FC Bayern, für die Konkurrenz ganz angenehm.“
Spiel(er)infos:
Naby Keita hat seine Mittelfuß-Prellung auskuriert und ist gegen Wolfsburg einsatzfähig
Ausfälle:
Stefan Ilsanker (Gelb-Sperre)
Yussuf Poulsen (Aufbautraining nach Muskelbündelriss)
Lukas Klostermann (Aufbautraining nach Kreuzbandriss)
Gelbsperre droht:
Timo Werner (4 Gelbe Karten)
Naby Keita (4 Gelbe Karten)
Was: 24. Spieltag 1. Bundesliga – RB Leipzig (2.) gegen VfL Wolfsburg (15.)
Wann: Samstag, 11. März 2017, 15:30 Uhr
Wo: Red Bull Arena
Die Partie ist ausverkauft, Sky überträgt live
Blick auf die Tabelle und den 24. Spieltag:
FC Bayern München (1.) – Eintracht Frankfurt (6.), am Samstag um 15:30 Uhr
Hertha BSC (5.) – Borussia Dortmund (3.), am Samstag um 15:30 Uhr
SG Freiburg (8.) – TSG Hoffenheim (4.), am Samstag um 15:30 Uhr