Highlights und Buchtipps Das war die Leipziger Buchmesse 2024

Vier Tage Buchmesse und ein vollgepacktes Programm liegen hinter uns. In unserem Recap könnt ihr lesen, was wir in den ereignisreichen Tagen entdeckt und welche Bücher uns besonders begeistert haben. Dabei kann und will der Rückblick gar nicht vollständig sein, denn dafür gab es viel zu viel zu sehen.

Die Leipziger Buchmesse 2024 ist zu Ende
© Manja Reinhardt

Die diesjährige Buchmesse stand unter dem Slogan „Who’s still reading?“. So richtig glücklich kann man als Buchliebhaber mit dem Spruch wohl nicht sein, schwingt doch in ihm immer ein negativer Unterton. Wer liest (überhaupt) noch? Fast klingt es wie ein Abgesang. Aber die 283.000 Besucher:innen stehen wie zum Trotz für sich und halten dem ein klares: Wir lesen! entgegen. Parallel zur Messe fand auch in diesem Jahr wieder mit „Leipzig liest“ das größte europäische Lesefestival statt und die geneigten Besucher:innen konnten aus über 2.100 Veranstaltungen wählen. Da vieles gleichzeitig stattfindet, man vom Messetag geschafft ist und einfach nichts mehr aufnehmen mag, gab es zahlreiche FOMO-Momente inklusive.

Für große Leser:innen

Unser subjektiver Blick auf die Buchmesse beginnt mit Denis Scheck: in gewohnt lakonisch leichter Manier stellt er die besten Romane und Sachbücher der Saison vor. Immer wieder ein Highlight und perfekt für einen Überblick. Denis Scheck begegnete uns auch noch ein zweites Mal, diesmal in einem Gespräch mit dem renommierten Historiker, Christopher Clark, im Lesesaal der Albertina. Der Australier widmet sich in seinem aktuellen Buch dem europäischen Revolutionsfrühling von 1848. Auf den über 1.000 Seiten seines Buches „Frühling der Revolution“, erschienen bei DVA, beschäftigt er sich mit Europa in den Jahren 1848/49 und dem Kampf für eine neue Welt. Er ordnet die Geschehnisse in die gesamteuropäische Geschichte ein und wirft die spannende Frage auf, ob die Revolution tatsächlich gescheitert ist, oder ob nicht viele Ideen heute weiterleben. Was macht eine erfolgreiche Revolution aus, oder wann ist eine Revolution überhaupt eine Revolution – Clark liefert Gedankenanstöße en masse. Ein spannendes Buch, das den Bogen über ganz Europa spannt und uns gleichzeitig hilft, die Gegenwart besser zu verstehen. Eine Empfehlung nicht nur für alle Geschichtsinteressierten.

Denis Scheck stellt druckfrische Bücher auf der Leipziger Buchmesse vor
© Manja Reinhardt

Von betrunkenen Ostdeutschen Frauen…

Ein weiteres bemerkenswertes Buch des noch jungen Jahres stammt von Annett Gröschners, Peggy Mädlers und Wenke Seemann und trägt den Titel: Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat und ist bei Hanser erschienen. Eigentlich hatten wir diese Lesung nicht auf dem Plan. Der reißerische Titel lies nichts Gutes vermuten. Zufällig waren wir beim Gespräch mit den Autorinnen in der Nähe und sind interessiert stehen geblieben. Und tatsächlich wurde ich eines Besseren belehrt. Das Buch ist ein großes Vergnügen und im Gegensatz zu manch anderen Werken über die ostdeutsche Geschichte will es nicht belehren. Die drei Frauen widmen sich trinkend jedem Abend einem anderen Thema, beste Laune inklusive. Das Buch ist in einem locker plaudernden Erzählton geschrieben. Der für mich größte Pluspunkt: Es will gar nicht in tiefgründig sein und trotz alledem tauchen immer wieder Anstöße zum Nachdenken auf. Man ertappt sich unweigerlich dabei, sich gedanklich in das Gespräch mit einbringen zu wollen. Und schon ist man bei einer wichtigsten Quintessenz des Buches: miteinander reden ist die ideale Startrampe um (aktuelle) Probleme anzugehen. Denn Dogmatismus ist und war nie eine Lösung, so die drei Autorinnen beim Gespräch. Dieser witzige und zugleich auch nachdenkliche Trialog sollte auf keinem Lesestapel fehlen.

Das Buch "Drei Ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat"
© Manja Reinhardt

…und Arbeiter:innen Kindern

Auch Martin Beckers liefert mit seinem Roman „Die Arbeiter“, erschienen bei Luchterhand, ein weiteres Highlight des noch jungen Lesefrühlings. Becker stammt aus Plettenberg in NRW und wohnt seit einigen Jahren in Halle. Schon in früheren Romanen, wie „Marschmusik“, widmete er sich der arbeitenden Klasse. Nun war es aber an der Zeit, die Geschichte auszuerzählen und das mit einem empathischen Blick auf die eigene Familie. Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Arbeiter:innen, die in ihrer klassischen Form immer weniger werden. „Gehörten 1970 in Westdeutschland noch 47,3 Prozent der Erwerbstätigen zur Arbeiterklasse, so gab es im Jahr 2021 nur noch 12,3 Prozent malochende Lohnempfänger.“ Obwohl man den ganzen Tag schuftet, reicht es meist vorn und hinten nicht. Die Enge in der man gemeinsam lebt, Bier, Schnaps und beständiger Zigarettenqualm bestimmen den Alltag, genauso wie der Traum vom Reihenhaus, dessen Raten schwer auf der Familie lasten. Das Leben zwischen andauernder Arbeit und einem nur kurzen hart ersparten Urlaub an der Nordsee. Alles wird mit einem scharfen Blick und einem feinsinnigen Humor erzählt. Aber das Buch klagt nicht an, beinah zärtlich möchte man den Erzählton beschreiben, aber trotzdem verklärt es auch nicht. „Die Arbeiter“ ist traurig und heiter zugleich und man stellt sich unweigerlich die Frage, wer in der heutigen Erwerbswelt in die Fußstapfen der Arbeiter:innenschicht drängt, sind es die zahlreichen prekär Beschäftigten der Dienstleistungsbranchen oder die vermeintlich schwindende Mittelschicht.

Martin Becker auf einer Lesung während der Leipziger Buchmesse 2024
© Manja Reinhardt

Für kleine Leser:innen

Die Messe besteht aber nicht nur aus Bücher für eine erwachsene Zielgruppe. Zahlreiche Lesungen sind speziell für Kinder konzipiert. Das Strahlen in den Augen der Kleinsten zeigt, dass eine neue Generation an Leser:innen nachwächst, allen Unkenrufen zum Trotz. Zwei Bücher haben uns besonders begeistert. Leipziger:innen dürften die Zeichnungen und Grafiken von Thomas Müller bekannt sein. Wer schon einmal im Café Grundmann oder im Maitre war, kommt an ihnen nicht vorbei. Müller ist nicht nur Illustrator und Grafiker und lehrt als Professor für Illustration an der HGB in Leipzig, er ist auch Autorverschiedener Kinderbücher. Gerade ist im Moritz Verlag „Was fährt da übers Meer?“ erschienen. Nachdem er sich mit seinem charakteristischen Stil schon überaus erfolgreich unterschiedlichsten Autos und Berufen gewidmet hat, ist nun ein Buch über Schiffe aller Art erschienen. Was für ein großer Spaß und das nicht nur für kleine Bilderbuchfans. In einer famosen und einzigartigen Bildsprache fahren die unterschiedlichsten Boote mit ihren tierischen Steuerleuten durchs Buch, vom Ruderboot über ein Segelboot bis hin zum Schaufelraddampfer ist alles dabei. Wer die Bücher von Thomas Müller kennt, wird die eine oder andere bekannte Figur erkennen. So hat der Koch aus dem Berufe-Buch jetzt auf hoher See angeheuert. Bleibt uns nur noch zu sagen: Leinen los und Ahoi!

Thomas Müllers Buch für Kinder
© Manja Reinhardt

Eine weiteres überaus gelungenes Kinderbuch haben wir am Gastlandstand entdeckt: Der Bär und seine Brille von Leo Timmers. Welcher Brillenträger kennt es nicht: die Suche nach der Brille? Auch der Bär hat seine Brille verloren. Sie muss bei seinem Freund der Giraffe sein. Auf dem Weg dorthin entdeckt er plötzlich ganz viele Tiere, die er noch nie gesehen hat. Ein herrliches Buch voller Fantasie. Auch die Lesung zum Buch hat uns sehr begeistert. Die kleinen Zuhörer:innen lauschten erst dem niederländischen Original und dann der Übersetzung. Und ein Highlight zum Abschluss der Lesung war zweifelsohne, als Timmers zum Stift griff und den Bär und die Giraffe zeichnete

Autor malt den Bär aus dem Buch "Der Bär und seine Brille" auf der Leipziger Buchmesse
© Manja Reinhardt

Literatur für New Adults

Wenn man sich auf der Messe treiben lässt, entdeckt man immer wieder Neues und genau das macht die Messe auch aus. Man kommt mit Büchern in Berührung, die man sonst nicht auf der Leseliste hat. Begeistert hat mich einmal mehr das nicht mehr ganz so neue Phänomen der New Adult und Romance-Bücher. Hunderte, mehrheitlich weibliche Leserinnen, stehen in langen Schlangen um besonders schön gestaltete Erstausgaben mit bunte Buchschnitten zu erwerben. Die Reihen der Wartenden am Stand von Lyx schienen nie ein Ende zu nehmen. Und damit die junge Leserschaft auch gleich ein Selfie posten kann, gabs die passende Rückwand, wie zum Beispiel beim Verlag Kyss. Eindrucksvoll wird bewiesen, dass trotz des Abgesang auf die Bücher eine neue Generation nachwächst, die gerne liest.

Der Stand des Verlags Kyss auf der Leipziger Buchmesse
© Manja Reinhardt

Buchmesse 2024: ein Fazit

Und um die Frage des Messeslogans zu beantworten: Offensichtlich lesen mehr Menschen, als man erwarten würde. Und das altbewährte Medium Buch schafft es wieder einmal, ganz unterschiedliche Zielgruppen zu begeistern.

Wir lesen uns nun durch den Bücherstapel und freuen uns auf das nächste Jahr, wenn sich vom 27. – 30. März 2025 wieder die Türen zur Buchmesse öffnen und sich Norwegen als Gastland präsentiert.

Wer gerne Bücher liest, dem wird es mit Sicherheit auch im Kino gefallen. Checkt gerne unseren aktuellen Kino-Ticker für den Monat April.