Fischer for Compliments „Eigentlich würde ich gern nur Quatschlieder machen.“

Der Kabarettist Julius Fischer ist mit seinem neuen Solo-Programm auf Tour. Mit „Fischer for Compliments – Hits und Witze“ schaut er auch im WERK 2 vorbei – ein Heimspiel. Julius lebt seit zwanzig Jahren in Leipzig. Im Interview erzählt er, worüber sein aktuelles Bühnenprogramm handelt, wie politisch seine Kunst heute ist und was ihn zum Lachen bringt.

© Enrico Meyer

Julius, du stehst mit deinem neuen Solo-Bühnenprogramm in den Startlöchern. Worum dreht sich dein aktueller Kabarett-Abend?

Das Programm heißt „Fischer for Compliments – Hits und Witze“. Ich versuche schon im Titel anzudeuten, dass es sich sowohl um ein lustiges, als auch um ein musikalisches Programm handelt. Ich würde sagen, es gibt 70 Prozent Musik und 30 Prozent Gequatsche. Meine vorherigen Bühnenprogramme haben sich um meine Bücher „Ich hasse Menschen“ und „Ich hasse Menschen 2“ gedreht. Mit dem jetzigen Programm wollte ich weg von diesem negativen Image, dass die Leute denken, „ah cool, jetzt steht da jemand auf der Bühne, der meckert zwei Stunden.“ Aber das bin ich nicht. Deswegen habe ich für mein neues Programm nach einem positiven Wortspiel gesucht. Und es geht natürlich nicht nur um Komplimente, aber es geht im weitesten Sinne um verschiedene Aspekte von Komplimenten, nicht nur um schöne, sondern auch vergiftete. Sowas wie: „Ah, ja, für eine Frau haste das ja ganz schön gut gemacht“. Das versuche ich im Programm aufzudecken.

Machst du lieber anderen Komplimente oder bekommst du lieber welche?

Ich glaube, ich mache lieber anderen Komplimente. Aber ich bin natürlich schon auch so ein narzisstischer Vogel, sonst würde ich ja nicht auf die Bühne gehen. Ich würde lügen, wenn ich sage, ist mir egal, ich kann auch etwas anderes machen. Ich gehe gern auf die Bühne, bekomme gern Applaus und möchte gern der Beste sein. Und ich lasse mich gern von Komplimenten überraschen, die ich gar nicht erwarte. Wenn ich zum Beispiel ein subtileres Lied habe, was mir aber vom Text her extrem wichtig ist und dann kommt jemand und sagt, „das finde ich richtig cool“, dann bedeutet mir das sehr viel. Aber ich gebe auch gern. Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch.

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Worum geht es noch in „Fischer for Compliments – Hits und Witze“?

Es geht auch um Selbstliebe, als ein Kompliment an mich selbst im weitesten Sinne. Dann wird es natürlich auch viel um meine Kinder gehen. Und um den antifaschistischen Kampf. Das war sowieso schon Teil meiner Kunst, ein Abbild einer offenen Denkweise zu sein, demokratische Werte zu vertreten und zu verteidigen. Aber jetzt ist es nochmal dringlicher geworden durch dieses Wahljahr. Das versuche ich in meine Songs einzubauen. Die Frage ist ja, wen können wir noch erreichen? Wen haben wir schon verloren? Wer für sich selbst nur verschiedene Aspekte einer rechten Denkweise gut findet, den kriegt man vielleicht noch.

Nur weil man den Staat und das System scheiße findet, ist man ja nicht gleich Nazi oder Faschist. Aber es ist die Kombination an Themen, die so gefährlich ist. Eigentlich wie bei Krankheiten. Wenn man manchmal ein bisschen schlechte Laune hat, hat man noch keine Depression. Aber wenn man zusätzlich auch noch antriebslos ist, keinen Hunger hat, alles verteufelt, sich zu viele Gedanken macht, nicht schlafen kann, dann wird es irgendwann was Pathologisches. 

Hatte dein Programm schon Premiere?

Premiere hatte ich im Oktober in Berlin. Oder sagen wir mal, Berlin war eher die Generalprobe. Da hatte ich eine mittelschwere Bronchitis und war nicht im Vollbesitz meiner Kräfte. Also ist Leipzig jetzt der Startschuss. Ein, zwei Sachen musste ich wieder umschreiben. Aber ich lerne das ja nicht wie ein Theaterstück strickt auswendig, deshalb ist das kein Problem. Ich habe zum Beispiel ein Lied darüber geschrieben, dass ich mir wünsche, dass meine Kinder Klimaterroristen werden. Das Lied endet damit, dass ich sie jetzt noch nicht damit belasten will. Klebstoff habe ich aber trotzdem schonmal gekauft. Jetzt gab es vor kurzem die Meldung, dass sich die Demonstrant:innen gar nicht mehr festkleben wollen, sondern andere Formen des Protests suchen. Ich singe das Lied in seiner ursprünglichen Form, kommentiere mich dann aber selbst mit einem alternativen Ende. 

Am 7. Februar trittst du mit deinem Programm in Leipzig auf. Das WERK 2 ist dir nicht ganz unbekannt. Hier machst du die Live-Poetry-Show „Lesebühne Schkeuditzer Kreuz“.

Einmal im Monat machen wir im WERK 2 eine Lesebühne. Hier hatte ich auch schon diverse kleinere und größere Auftritte. Von daher ist es ein mir sehr liebgewonnenes Haus.

Wie unterscheidet sich dein Solo-Programm von der Live-Poetry-Show?

Eigentlich nur in der Tatsache, dass „Fischer for Compliments – Hits und Witze“ von mir alleine bestritten wird. Ich mir also für 90 Minuten Zeug ausdenken muss. Die „Lesebühne Schkeuditzer Kreuz“ ist eine Art Nummernprogramm von fünf Autor:innen. Das heißt, ich habe keinen Einfluss darauf, was die Kolleg:innen machen. Ich füge mich einfach ein. Aber ich habe auch nicht so viel Verantwortung, dass es gut wird. Das ist schon ein großer Unterschied zwischen Solo-Veranstaltung und einem Nummernprogramm, wo man maximal zwei neue Sachen mitbringt. Ich bin sehr offen für Ensemble-Geschichten, weil da Dinge passieren, die alleine nur begrenzt stattfinden können. Ein künstlerischer Dialog, der in etwas mündet, was mehr ist als die eigene Haltung. 

Wie würdest du selbst deine Kunst beschreiben?

Meine Kunst würde ich am liebsten als lustig beschreiben. Aber es bleibt momentan nicht aus, politisch zu werden oder politischer zu sein als früher. Ich habe mir schon immer Gedanken gemacht auch mit dem Credo für mich und für andere: „Denk doch einfach nochmal drüber nach.“ Mehr braucht es nicht. Egal was man macht, sagt, denkt, es ist wert, darüber nochmal nachzudenken. Was Haltungen und Meinungen angeht, gibt es immer die Möglichkeit sich zu hinterfragen. Das ist aber nicht mehr so leicht. Die modernen Medien machen es einfach, das, was man denkt, bestätigt zu bekommen.

Das bedeutet aber nicht, dass man dadurch Recht hat. Ich bin immer froh, wenn mich jemand korrigiert, wenn ich irgendwo falsch liege. Nur so kommen wir weiter und ins Gespräch. Jetzt wo ich Kinder habe, merke ich immer mehr, dass es keine allgemeingültige Wahrheit gibt. Es gibt ein bestimmtes Muster, an das ich mich zum Beispiel bei der Erziehung halten kann. Aber dadurch, dass die so superunterschiedlich sind, gibt es einfach nicht den einen Weg. Das ist auch der Grund, warum ich versuche die Dogmatiker zu erreichen. Dabei muss ich politischer sein, als ich es vielleicht sonst wäre. Eigentlich würde ich gern nur Quatschlieder machen. Aber es ist gerade nicht die Zeit für nur Quatsch. 

© Enrico Meyer

Worüber lachst du?

Ich lache gerne über gute Comedy-Programme, über lustige Serien. Ich kann aber auch darüber lachen, wenn ich mir im Internet Videos davon angucke, wie Leute sich auf die Schnauze legen. Mir wird es zu krass, wenn ich merke, „ah okay, die Person, die da gerade mit 50 km/h auf dem Fahrrad gegen den Baum geknallt ist, die hat sich bestimmt nicht nur ein bisschen wehgetan“. Dann fängt bei mir das Mitleid an. Aber ich kann über Dummheit, auch meine eigene, sehr lachen. Besonders seit ich Kinder habe, bin ich tollpatschiger als vorher. Das liegt wahrscheinlich am Schlafmangel. Mir fällt ständig irgendwas runter. Ich drehe mich um mit zwei Tassen Kaffee in der Hand und dann ist da plötzlich der Schrank. Zumindest meine Kinder habe ich noch nicht fallen gelassen… 

Was war für dich der Einstieg in den Poetry-Slam?

Mein heutiger Duo-Partner, Christian Meyer, hat gesagt, „komm mal vorbei, deine Texte musst du da vortragen“. Von da aus habe ich mich immer weiterentwickelt. Letztens ist mir aufgefallen, dass ich ja 20-jähriges Bühnenjubiläum habe. Nur mache ich jetzt eigentlich gar keinen Slam mehr. Das ist ein Bühnenformat, das von der Zuschauerstruktur her, eher den 20-, 30-Jährigen vorbehalten ist.

Nicht zwingend, aber die Themen, die da laufen, sind eher in dem Spektrum Coming of Age. Und da ich jetzt schon „of Age“ gekommen bin, merkte ich, dass meine Themen nicht mehr die der Leute waren, denen ich die Texte vorgelesen habe. Ich habe vor zehn Jahren einen Text gebracht in der Distillery über meinen damaligen Umzug in eine große Wohnung mithilfe eines Umzugsunternehmen. Die Leute fanden es nicht lustig. Das ist nicht deren Welt Anfang 20. Die machen den Umzug mit den Eltern oder WG-Buddies. Da ist es nicht lustig, über Handwerker zu lachen.

Das war der Moment, wo ich entschieden habe, mich auf andere Bühnenformate zu konzentrieren und den Poetry-Slam den Jüngeren zu überlassen. Deswegen ist die Lesebühne etwas Besonderes, weil das Publikum mit uns mitgewachsen und mitgealtert ist. Ich würde Poetry-Slam aber nicht missen wollen – ich bin sehr froh, dass ich diese Darreichungsform von Kunst, die viele Menschen erreichen kann, kennengelernt habe. Ich habe es genossen, das zu machen und auch zu gewinnen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nicht mehr gewonnen habe, weil andere Leute fresher waren als ich. Aber ich habe mein eigenes Narrativ entwickelt, warum ich nicht mehr gewinne. Ganz bestimmt nicht, weil die anderen besser sind, sondern einfach, weil das Publikum ein anderes geworden ist. Nein, im Ernst, ich glaube da ist immer auch ein bisschen Selbstbetrug mit dabei. Aber das braucht man, wenn man auf eine Bühne geht.

Julius Fischer ist mit seinem neuen Bühnenprogramm „Fischer for Compliments – Hits und Witze“ am 7. Februar, um 20 Uhr im WERK 2 in Leipzig live zu erleben. 2×2 Tickets dafür könnt ihr hier gewinnen. Weitere Stationen der Live-Tour findet ihr auf seiner Homepage www.juliusfischer.de
Oder kommt rum zur Live-Poetry-Show „Lesebühne Schkeuditzer Kreuz“ mit Julius Fischer und weiteren Slamer:innen, jeden Monat im WERK 2. Nächsten Termine: 21.2.2024 und 12.3.2024.